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Günstig wohnen, leistbare Pflege, Klimawende – Hans Peter Doskozil im Interview

C.Stadler/Bwag, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons (c)SPÖ Burgenland

Im Burgenland haben Mieter inmitten der Teuerung bis zu 240 Euro ihrer schon bezahlten Miete retour bekommen. Möglich machte das der neu eingeführte Mietpreisdeckel. Die NeueZeit hat mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil über leistbares Wohnen, seine Pläne das Burgenland bis 2030 energieunabhängig und klimaneutral zu machen und wie Jobs in der Pflege wieder attraktiver gemacht werden können, gesprochen.

NeueZeit: Der heurige Sommer ist einer der wärmsten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn. Was können denn die Länder zum Kampf gegen die Erderhitzung beitragen?

Hans Peter Doskozil: Die massiven Überschwemmungen der letzten Wochen zeigen erneut, wie dringend Handlungsbedarf besteht. Klar ist, dass die Länder ihren Beitrag leisten müssen. Daher wollen wir im Burgenland bis 2030 bilanziell klimaneutral und energieunabhängig sein. Dieses Ziel ist ambitioniert, aber machbar. Unsere Klimastrategie sieht dazu 120 Maßnahmen in 9 Handlungsfeldern vor. Die reichen vom Ersetzen fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien über klimafreundliche Verkehrsprojekte bis hin zu einer höheren Energieeffizienz bei Privathaushalten.

Bis 2030: Burgenland will zehn Jahre früher klimaneutral und energieunabhängig sein, als der Bund

Der große Moment: Die neue organische Speicherbatterie wird enthüllt.
V.l.n.r.: Peter Geigle (CmBlu Energy), Martin Selmayr (EU-Kommission), Hans Peter Doskozil (LH Burgenland), Stephan Sharma (Burgenland Energie)

Mit innovativen Projekten sind wir Vorreiter am Weg zur Klimawende. Dazu gehört der Ausbau der Photovoltaik neben der Windkraft. In Schattendorf entsteht das Pilotprojekt einer neuen, umweltfreundlichen Speichertechnologie. Auch die Erzeugung von grünem Wasserstoff mit einem Elektrolyseur-Anlage, die bei Zurndorf entstehen wird, ist Teil der Klimawende. Es braucht aber ein entschiedenes Handeln aller Player – österreichweit und international. Ein Hebel alleine wird jedenfalls nicht reichen, um der Herausforderung „Erderhitzung“ wirksam entgegenzutreten. Wichtig ist auch, die Bevölkerung mitzunehmen – daher setzen wir ganz stark darauf, zur Gänze preisautark zu werden.

Die brütende Hitze hat auch starken Einfluss auf unsere Gesundheit. Die sollte in einem Sozialstaat wie Österreich aber keine Frage der Geldbörse oder des Kontostands sein. Was gilt’s für ein nachhaltiges Gesundheitssystem zu tun?

Es kann doch nicht sein, dass nur jene medizinische Versorgung bekommen, die es sich leisten können. Um der Zwei-Klassen-Medizin entgegenzuwirken, muss aus meiner Sicht das gesamte System in Österreich neu gedacht werden – bislang scheitert der Bund an den notwendigen strukturellen Veränderungen. Es gehört auch bald die Finanzierungsfrage geklärt, die Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Ländern und Bund laufen derzeit schleppend. Immerhin geht es hier um Steuergeld, das zur Daseinsvorsorge der Menschen bestmöglich verteilt werden muss – damit die Länder ihren Versorgungsauftrag auch erfüllen können.

Es kann doch nicht sein, dass nur jene medizinische Versorgung bekommen, die es sich leisten können.

Wir brauchen jedenfalls dringend ein zukunftssicheres Gesundheitssystem, dazu muss es auch mehr und attraktivere Kassenverträge sowie eine gesetzliche Neuregelung der Bereitschaftsdienste geben. Überhaupt braucht es mehr Personal im ärztlichen Bereich, wie auch in der Pflege, und dafür müssen wir sorgen. Im Burgenland investieren wir mehr denn je, um hier die Versäumnisse des Bundes zu kompensieren. Ordinationsförderungen gibt es bereits seit Jahren. Gemeinsam mit unserem Ärztepaket mit den österreichweit höchsten Gehältern zeigt das bereits Wirkung im Ringen um medizinisches Personal – im niedergelassenen Bereich, aber auch in den Spitälern.

In der Pflege zu arbeiten, muss gerecht entlohnt sein

Sie haben die Pflege angesprochen. Was macht das Burgenland da anders, als andere Bundesländer oder der Bund?

Maßnahmen, die im Burgenland unter dem Titel „Zukunftsplan Pflege“ umgesetzt werden, sollen die bestmögliche, wohnortnahe Pflege nach den Wünschen und Bedürfnissen der jeweiligen Familie garantieren. Das Ganze soll aber leistbar bleiben, daher muss Pflege gemeinnützig sein und nicht gewinnorientiert, was wir auch landesgesetzlich verankert haben. Wir haben im Burgenland das Anstellungsmodell für pflegende Angehörige ins Leben gerufen. Damit kann zu Hause gepflegt werden, wie es sich viele wünschen, ohne Nachteile für die pflegenden Angehörigen, die wir mit der Anstellung finanziell und sozialrechtlich absichern.

Mit dem Pflegestützpunktmodell gehen wir den nächsten wichtigen Schritt, um Pflege und Betreuung auch in dünn besiedelten, ländlich geprägten Gebieten kleinteilig zu gewährleisten. Gerade der Fachkräftemangel wird sich aber in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Pflegekräfte müssen in ihrem Job oft an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen. Der Beruf muss attraktiver werden, und wir setzen bereits bei künftigen Pflegekräften an: alle, die sich für einen Beruf in diesem Sektor entscheiden, werden im Burgenland während der Ausbildung fair entlohnt und mit einer Anstellung auch entsprechend sozialrechtlich abgesichert.

Themenwechsel: Leistbares Wohnen. Ist Eigentum heutzutage noch “in” oder doch eher unrealistischer Wunschtraum vieler junger Familien am Land?

„In“ ist Eigentum allemal, aber vor allem für einkommensschwächere Menschen bedeuten Energiekrise und Teuerungswelle eine immense Hürde was Wohneigentum betrifft. Für Jungfamilien, die ein Haus bauen wollen, scheitert es oft schon an den nicht vorhandenen Bauplätzen, die unbebaut zu Spekulationszwecken zurückgehalten werden. Verfügbare Bauplätze sind – auch deshalb – oft unerschwinglich. Daher haben wir die Baulandmobilisierung beschlossen, die aber nicht Familien trifft, die Grundstücke für Kinder oder Enkelkinder aufheben. Das Burgenland war immer ein Land der Häuslbauer, wir möchten den Wunschtraum so vieler junger Menschen wieder leistbar machen.

Einzigartig: Trotz Teuerung sind Mieten im Burgenland auf Stand von Dezember 2022 eingefroren

Das Land errichtet künftig auch selbst soziale Wohnbauten in allen Bezirken. Mit jeder einzelnen Monatsmiete erwerben die Mieter sukzessive Eigentumsanteile, so geht deren Geld nicht verloren. Für Mieter bedeutet das auch, dass sie die Wohnung jederzeit ab dem ersten Tag zum Fixpreis erwerben können, und zwar auf Grundlage der Errichtungskosten, nicht zum oft viel höheren Verkehrswert.

Sie haben auch einen Mietpreisdeckel im Burgenland eingeführt. Dadurch haben viele Burgenländerinnen und Burgenländer in Zeiten der Teuerung um die 240 Euro ihrer monatlichen Miete retour bekommen. Warum geht das im Burgenland, österreichweit aber nicht?

Die Teuerung trifft die Bevölkerung hart. Neben der Strompreisbremse, dem Heizkostenzuschuss, unserem Anti-Teuerungsbonus, der erhöhten Wohnbeihilfe und günstigen Strom- und Gastarifen über die Burgenland Energie haben wir auch im Bereich „Mieten“ eine enorme finanzielle Erleichterung geschaffen. Wir haben es geschafft die Mieten für zwei Jahre auf dem Niveau von Dezember 2022 einzufrieren. Das war durch einen Schulterschluss mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern möglich. Auch Annuitätensprünge im Bereich der Wohnbauförderdarlehen, die im Zeitraum Jänner 2023 bis Dezember 2024 erfolgen, wurden ausgesetzt.

Im Burgenland pendeln besonders viele Menschen für die Arbeit in Ballungszentren wie Wiener Neustadt oder Wien. Die einen klagen über Zugverspätungen und Öffi-Ausfälle, die anderen meinen die Pendlerpauschale müsse erhalten bleiben. Lassen sich „zur Arbeit pendeln“ und Klimaziele überhaupt vereinbaren?

Burgenland Klimaneutral
(c) ÖBB/Harald Eisenberger

Das Burgenland ist eine klassische Pendler-Region, mit mehr als 102.000 Menschen, die täglich pendeln. Das Land hat den öffentlichen Verkehr massiv ausgeweitet, die Pendlerinnen und Pendler nutzen das Angebot auch und tragen so natürlich aktiv zum Klimaschutz bei. Sie profitieren auch vom regionalen Klimaticket, das wir ausverhandelt haben und das deutlich günstiger als das österreichweite Ticket ist. Aber viele Menschen sind weiterhin auf ihr Auto angewiesen, und sie alle sind aufgrund der hohen Spritpreise massiv von der Teuerung betroffen. Die Bundesregierung hat verabsäumt, die Zeit bis zum Auslaufen des erhöhten Pendlerpauschales zu nutzen, das ist enttäuschend. Die Pendlerinnen und Pendler müssen endlich von der zuständigen Bundesregierung entlastet werden – und zwar möglichst zielgenau durch die Umstellung auf ein kilometergenaues System.

Internationale Vorbilder: Burgenland deckelt Mieten

Andere Länder gelten in Mobilitäts- aber auch in Wirtschaftsfragen oft als Vorbilder: Spanien hat es beispielsweise geschafft die Inflation auf unter 2 Prozent zu senken. Was macht die spanische Regierung, was unsere Bundesregierung nicht macht?

Im Vergleich: Österreich liegt derzeit bei rund 8 Prozent Inflationsrate. Spanien hat rasch in die Preise eingegriffen und zum Beispiel die Mehrwertsteuer gesenkt, auf manche Grundnahrungsmittel wurde sie sogar ganz gestrichen. Österreich hat nichts dergleichen unternommen. Aber auch im Energiesektor zeigen die Maßnahmen in Spanien Wirkung: Einerseits bezieht Spanien mehr als 50 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, was den Preis niedrig hält. Andererseits hat die spanische Regierung mit einem Preisdeckel auf Strom und Gas direkt in die Märkte eingegriffen und der Bevölkerung damit den Rücken gestärkt. Vor diesem Eingriff in die Märkte ist die österreichische Bundesregierung leider zurückgescheut. Ich halte auch daran fest, dass den Menschen nichts mehr helfen würde als Löhne, von denen man auch leben kann. Daher fordere ich weiterhin den Mindestlohn nach burgenländischem Modell.

Die Opposition kritisiert immer wieder, dass sich das Burgenland all die von Ihnen geplanten Maßnahmen nicht leisten kann. Kann sich’s das Burgenland leisten?

Wir haben in den letzten Jahren viel umgesetzt. Einerseits waren dies Maßnahmen, mit denen wir auf die massiven Teuerungen reagiert haben, damit sich die Bevölkerung das Leben in diesen herausfordernden Zeiten noch leisten kann, vom Wohnpreisdeckel bis zum Wärmepreisdeckel. Da muss man aber klar dazu sagen, dass es sich dabei um Einmalmaßnahmen handelt, die einer besonderen Situation geschuldet sind und nicht langfristig das Budget belasten. Wir investieren aber andererseits auch in eine gesicherte Daseinsvorsorge. Das ist notwendig, um die Versorgung der Bevölkerung garantieren zu können. Sei es im medizinischen Bereich oder im Bereich der Pflege. Bei diesen Maßnahmen geht es oft aber um Vorleistungen, die sich mittel- bis langfristig rechnen werden. Weil wir z.B. unsere Spitäler besser auslasten oder im Pflegebereich nicht mit Steuergeld die Renditen von privaten Investoren „bedienen“. Vergleicht man jedenfalls die Schulden pro Kopf, liegt das Burgenland derzeit im Bundesländervergleich im Mittelfeld. Wir verfügen über solide Finanzen.

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