Der ORF Niederösterreich berichtete online über die Kritik einer früheren EU-Kommissions-Vizepräsidentin an der heimischen Kinderbetreuung, änderte aber nachträglich eine allzu kritische Überschrift. Wieso? „Die redaktionelle Überprüfung des wörtlich Gesagten hat eine Korrektur der Zwischenüberschrift notwendig gemacht“, heißt es dazu aus dem ORF. Tags zuvor musste die regierende ÖVP im Landtag noch das schlecht ausgebaute Kinderbetreuungsangebot in Niederösterreich rechtfertigen.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner lud Donnerstagabend die frühere Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, nach Niederösterreich ein, um über die Zukunft des Bundeslandes zu diskutieren. Bei der medienwirksamen Veranstaltung äußerte die internationale Expertin Reding Kritik am Ausbau der heimischen Kinderbetreuung.
Darüber berichtete zunächst auch der ORF Niederösterreich. In der ersten Version des Online-Artikels textete der ORF in einer Zwischenüberschrift noch:
„Reding: `Es hapert an Kinderbetreuung´“.
Später wurde die Überschrift geändert. Sie lautet jetzt:
„Reding: `Es hapert an Gleichberechtigung´“.
Wieso wurde die Überschrift nachträglich geändert – zufällig genau am Tag, nachdem die regierende ÖVP im Landtag heftige Kritik zum nicht ausreichenden Kinderbetreuungsangebot einstecken musste?
Die Veranstaltung mit der ehemaligen EU-Spitzenpolitikerin Viviane Reding (sie war Mitglied der konservativen EVP-Fraktion) war der dritte Teil einer Diskussionsreihe zur niederösterreichischen „Landesstrategie 2030“. Die Diskussionsergebnisse sollen in die Erarbeitung der Zukunftsstrategie des Landes einfließen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungsreihe berichten der NeuenZeit: Die regierende ÖVP nutze die Diskussionsabende vor allem dazu, ihre Politik von internationalen Stargästen bestätigen zu lassen.
Beim dritten Termin Donnerstagabend thematisierte Ex-Kommissions-Vizepräsidentin Reding, dass Österreich beim Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen nur auf Platz 25 von 27 EU-Nationen liege. Grund dafür sei laut Reding der schlechte Ausbau der heimischen Kinderbetreuung. Finden Eltern für ihre Kinder keinen Betreuungsplatz, müssen meist die Mütter beruflich zurückstecken.
Den ÖVP-Vertretern bei der Diskussion sei nach Redings Kritik „das Gesicht eingeschlafen“, sagen Teilnehmer im Anschluss zur NeuenZeit.
Landeshauptfrau Mikl-Leitner muss tags zuvor im Landtag die Kinderbetreuung verteidigen. Die ÖVP-Vertreter erstarren bei ihrer eigenen inszenierten Veranstaltung nach Kritik am Kinderbetreuungs-Angebot. Und dann ändert der ORF in seiner Berichterstattung eine kritische Überschrift zur Kinderbetreuung in Niederösterreich.
Alles nur ein Zufall?
Der diensthabende Online-Redakteur des ORF Niederösterreich will dazu auf NeueZeit-Anfrage zunächst nichts sagen und verweist auf die Chefredaktion. Dort lässt man wissen: „Die redaktionelle Überprüfung des wörtlich Gesagten hat eine Korrektur der Zwischenüberschrift notwendig gemacht. Es handelt sich um eine rein innerredaktionelle Entscheidung, es gab keinerlei Einfluss von außen.“
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