Das EU-Parlament will die Lieferketten von Produkten, die in heimischen Geschäften landen, stärker kontrollieren. T-Shirts, die von Kindern genäht werden oder Schokolade, für den der Regenwald abgeholzt wird – das soll mit dem sogenannten Lieferkettengesetz kontrolliert und verboten werden. Die Industrie lobbyiert gegen den Gesetzes-Vorschlag.
Das sogenannte Lieferkettengesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte und Umweltnormen entlang der Lieferkette ihrer Produkte einzuhalten. Wenn Lieferanten etwa Zwangsmitarbeiter oder Kinder beschäftigen, soll ihre Ware nicht in die EU importiert werden dürfen. Das gilt auch für Zuliefer-Produkte, die umweltschädlich hergestellt werden. Verstößt ein Unternehmen gegen die Regeln, können Klagen vor europäischen Gerichten eingebracht werden – egal wo der Firmensitz liegt.
Das EU-Parlament hatte bereits im März Empfehlungen zum neuen Lieferkettengesetz abgegeben. Daraufhin hat die Kommission hat einen konkreten Gesetzesvorschlag bis Ende Mai versprochen, nach Druck der europäischen Industrie-Lobby aber plötzlich einen Rückzieher gemacht und den Termin verstreichen lassen. Wie es weitergeht, ist unklar.
„Die Vorschläge des Europäischen Parlaments für das Lieferkettengesetz hatten endlich den nötigen Biss, um wirklich etwas zu verändern. Mit Gegenwind der Industrie war zu rechnen, Europa darf jetzt nicht nachgeben“, appelliert der sozialdemokratische Europaabgeordnete Hannes Heide an die Kommission.
Vom Leiberl bis zur Schokolade fehlt die Transparenz
Schwarze Schafe gibt es zur Genüge: in der Textilbranche, in der Handyproduktion, der Schmuckindustrie und in vielen Unternehmen, die Rohstoffe verwenden, die unter prekären Bedingungen gewonnen werden. Bisher fehlt es an Transparenz, denn die Lieferketten der Produkte sind Komplex und die Prüfung ist freiwillig.
So ist kaum nachvollziehbar, ob Baumwolle aus chinesischer Zwangsarbeit in der Kleidung europäischer Geschäfte landet. Oder ob bei der Kakaoernte für Schokolade Kinder arbeiten mussten und der Regenwald zerstört wurde.
„Niemand will Produkte kaufen, die mit Kinderarbeit erzeugt werden oder bei deren Herstellung bewusst die Natur geschädigt wird. Solche Artikel haben auf dem europäischen Markt nichts verloren“, sagt EU-Abgeordneter Heide.
Faire Produktion kostet nur 0,6 % mehr
Das EU-Lieferkettengesetz sollte heimische Unternehmen und jene, die im Ausland produzieren lassen, verpflichten, die gesamte Lieferkette offenzulegen. Wer gegen diese „Sorgfaltspflicht“ verstößt, sollte künftig für entstandene Umweltschäden haftbar gemacht und mit Geldstrafen belegt werden können.
Eine Studie des Handelsblatt Research Institute zeigt, dass es Konzerne maximal 0,6 Prozent ihres Umsatzes kosten würde, ihre Lieferkette frei von Menschenrechtsverletzungen zu machen. Ein vergleichsweise geringer Aufwand, den die Konzerne aber offenbar nicht erbringen wollen. „Die Angst der Konzerne vor dieser Regulation zeigt, dass Europa genau auf dem richtigen Weg ist, um endlich wirksam für einen fairen Markt zu sorgen“, sagt Heide. „In puncto Umweltstandards geht es um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und nicht zuletzt unsere eigene Gesundheit.“
Deutschland im Alleingang
Deutschland hat der europäischen Version des Lieferkettengesetzes schon im März vorgegriffen. Die Regierung in Berlin verpflichtet Unternehmen ab 2023, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren weltweiten Zulieferern vorzugehen. Sonst drohen Strafzahlungen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Der Bundestag hat dem Gesetz allerdings noch nicht zugestimmt.
EU-Abgeordneter Heide will aber weiter an einer europäischen Lösung arbeiten: „Gegen diese globalen Probleme können wir nicht mit nationalen Alleingängen ankämpfen. Nur ein gesamteuropäisches Gesetz kann etwas bewegen und eine Verzerrung des internationalen Wettbewerbs abwenden.“