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Gewerkschafter über MAN: Großkonzerne sind schlimmer als feudale Fürsten, Macht der Konzerne begrenzen!

Bild: MAN Truck & Bus SE

Der Fall MAN-Steyr ist ein Musterbeispiel dafür, wie große Konzerne mit Beschäftigen umspringen können – und wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich wehren können. Nach einem „Nein“ der Belegschaft und Verhandlungen von Betriebsrat und Gewerkschaft bleibt das MAN-Werk durch die Übernahme von Investor Siegfried Wolf in Steyr und mehr Menschen als gedacht können ihre Jobs behalten.

Der Investor Siegfried Wolf übernimmt das Werk des LKW-Bauers MAN in Steyr. Wie genau es mit der Belegschaft weitergeht, ist aber immer noch unklar. Was hingegen immer klarer wird: Die Causa MAN ist ein Lehrstück, wie große Konzerne Machtspielchen auf dem Rücken der Beschäftigten austragen – und wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich wehren können.

„Sie haben sich schlimmer aufgeführt als die Fürsten und Ortsgrafen im Feudalismus. Sie waren der Meinung, es kann ihnen niemand an“, sagt der oberösterreichische SPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Stöger im Kurier-Interview über die Konzernspitze. Stöger war als leitender Sekretär der Produktionsgewerkschaft Pro-GE bei den Verhandlungen dabei.

Belegschaft in Steyr erwirtschaftete 2019 mehr als 20 Mio. Gewinn

Im Herbst letzten Jahres kündigte MAN an – das Unternehmen gehört zum deutschen VW-Konzern – seinen Standort in Steyr verkaufen oder sonst schließen zu wollen, um die Produktion ins billigere Ausland zu verlagern. Obwohl die Belegschaft in Steyr 2019 mehr als 20 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet – für die Chefetage offenbar nicht genug.

Nach monatelanger Ungewissheit legte der Investor Siegfried Wolf ein Angebot zur Übernahme des Werks vor. Der Haken: Wolfs Konzept sah 650 Kündigungen und empfindliche Lohnkürzungen vor. Die Belegschaft brachte den Wolf-Deal in einer Urabstimmung zu Fall. Fast zwei Drittel stimmten gegen die Übernahme, die NZ hat berichtet. Kurz darauf kündigte der Konzern trotz voller Auftragsbücher 115 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in Steyr. Die Produktion musste gedrosselt werden, die Lieferzeiten für bereits bestellte Lastwägen verlängerten sich.

Das Management nimmt Lieferverzögerungen in Kauf, nur um der Belegschaft nach ihrem „Nein“ zur Wolf-Übernahme eins auszuwischen – das vermuten viele im Werk. Für Gewerkschafter Stöger ist „diese Haltung in einer demokratischen Gesellschaft in Europa inakzeptabel. Man muss sich der Macht dieser Konzerne entgegenstellen. Konzerne wie VW und MAN tragen eine Verantwortung für die Gesamtentwicklung einer Gesellschaft.“

Am Werk in Steyr hängen mit allen Zulieferbetrieben bis zu 8.400 Jobs.

H&M bespitzelt Mitarbeiter, KTM erhöht Vorstandsgagen in der Krise um 30%

Die „Macht der Konzerne“ bekommen Beschäftigte nicht nur in Steyr zu spüren. Die Modekette H&M etwa ist für seine schlechten Arbeitsbedingungen bis zur Bespitzelung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Durch Zufall entdeckten Beschäftigte des Modelabels detaillierte Aufzeichnungen über ihren gesundheitlichen Zustand und sogar über ihr Privatleben, etwa ob sich Mitarbeiter scheiden lassen wollen oder ob es Konflikte innerhalb ihrer Familien gibt.

Auch in der Corona-Krise treiben manche Konzerne ihre Spielchen um maximalen Profit bis zur Unverschämtheit. Etwa der oberösterreichische Motorrad-Hersteller KTM, der seine Mitarbeiter in der Krise zur Corona-Kurzarbeit anmeldete, aber gleichzeitig 11 Millionen Euro an Dividende an seine Aktionäre ausschüttet und noch dazu die Vorstandsgagen 2020 um satte 30% erhöhte.

Oder MAN selbst. MAN ist eine Marke der „Traton SE“, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Volkswagen AG ist. Die „Traton SE“, die das Werk in Steyr unbedingt abstoßen wollte, beschloss im September 2020 insgesamt 500 Millionen Euro Dividende auszuschütten. Und die VW-Eigentümerfamilie Porsche und Piëch gilt mit einem Vermögen von 34 Milliarden Euro überhaupt als reichste Familie des Landes.

Übernahme des MAN-Werks in Steyr durch Investor Wolf

SPÖ-Nationalratsabgeordneter und Gewerkschafter Alois Stöger zu den MAN-Verhandlungen: „Hartnäckigkeit macht sich bezahlt“. // Foto: SPÖ-Parlamentsklub / Elisabeth Mandl (CC BY-SA 2.0)

Was der Fall MAN für den roten Abgeordneten Stöger auch zeigt: „Hartnäckigkeit macht sich bezahlt. MAN hat durch den Verhandlungsprozess gesehen, dass es sich mehr anstrengen muss.“ Herausgekommen ist ein neues, besseres Angebot von Investor Siegfried Wolf. Statt 1.250 will Wolf jetzt 1.400 Beschäftigte aus der Stammbelegschaft übernehmen. Auch 166 Lehrstellen bleiben in Steyr. Lohnkürzungen von 15 bis 20 Prozent drohen trotzdem.

Jene 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gehen müssen, bekommen alle ein Angebot vorgelegt, mit dem sie freiwillig den eigentlich bis 2030 garantierten Kündigungsschutz durch die Standortgarantie verzichten. Als Gegenleistung bekommen sie einen Sozialvertrag, Altersteilzeit oder einen Platz in einer Bildungsstiftung, mit deren Hilfe sie sich fortbilden können. Die Details zum Sozialplan müssen aber noch ausverhandelt werden.

Das „Nein“ der Belegschaft zum ersten Wolf-Plan und die Verhandlungen von Betriebsrat und Gewerkschaft haben sich jedenfalls bezahlt gemacht: Das Werk bleibt in Steyr, mehr Menschen als gedacht können ihren Job behalten.

Dabei hatte die oberösterreichische Landesregierung die Belegschaft schon aufgegeben. Am 22. April resignierte ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer im Landtag: „Es ist bitter, es ist nahezu unerträglich, aber unverrückbar: MAN wird schließen.“

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