Österreich

Zerreißprobe? Die letzte Kampfabstimmung um den SPÖ-Vorsitz brachte die 40-Stunden-Woche und mehr Urlaub

Schon einmal stritt die SPÖ erbittert darüber, wer neuer Parteivorsitzender werden sollte. Mehrere Landesorganisationen standen der mächtigen Wiener SPÖ und der Gewerkschaft gegenüber. Die Lager schienen unversöhnlich. Bei der Kampfabstimmung am Parteitag 1967 setzte sich dann ein Pragmatiker durch, der die Hochphase der Sozialdemokratie einläutete: Bruno Kreisky.

Noch bis 10. Mai läuft die Mitgliederbefragung, bei der die SPÖ-Mitglieder entscheiden, wer SPÖ-Chefin oder SPÖ-Chef sein soll. Doch bindend ist das Ergebnis für die Partei nicht. Die eigentliche Entscheidung über den Vorsitz treffen die Delegierten am Parteitag am 3. Juni. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es dann zu einer Kampfabstimmung zwischen zwei möglichen Vorsitzenden kommt. Die Medien sprechen von einer „Zerreißprobe“ für die Partei. Manche prophezeien gar eine Spaltung und den Niedergang der SPÖ. Dabei war die Auseinandersetzung um den Parteivorsitz 1967 mindestens genauso hart. Doch sie brachte der Partei nicht den Untergang – im Gegenteil: Sie war der Beginn der Ära Kreisky. Was als heftiger Streit begann, ermöglichte die 40-Stunden-Woche, straffreie Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche, die rechtliche Gleichstellung von Frauen, Schülerfreifahrt und viele andere Errungenschaften, die uns heute selbstverständlich scheinen.

Vorsitzdebatte, weil Pittermann nur 42,56 Prozent erreichte

Bei den Nationalratswahlen im März 1966 fuhr der damalige Parteivorsitzende der SPÖ, Bruno Pittermann, eine krachende Niederlage ein. 42,56 Prozent der Wählerstimmen. Heute würde ein solches Ergebnis Jubelstürme auslösen, doch 1966 läutete es das Ende der politischen Karriere Pittermanns ein. Denn die ÖVP erlangte eine absolute Mehrheit und konnte nun ohne SPÖ regieren.

Es folgten heftige Auseinandersetzungen, die die verschiedenen Parteiflügel offen in der Arbeiterzeitung austrugen. Pittermann war nicht mehr haltbar – doch wer sollte ihm nachfolgen? Anfang Jänner 1967 trauten sich dann die niederösterreichische und die burgenländische Landespartei als erste aus der Deckung: Ihre Delegierten würden am Parteitag nicht mehr für den amtierenden Vorsitzenden stimmen. Doch offiziell gab es noch keinen Gegenkandidaten. Allerdings wurde immer klarer, auf wen die meisten Landesorganisationen setzten. Schließlich sprach es der damalige steirische Landesparteivorsitzende Alfred Schachner offen aus: Der ehemalige Außenminister Bruno Kreisky solle SPÖ-Chef und Spitzenkandidat werden.

Länder gegen Wien & Gewerkschaft

Der galt als Reformer, der die SPÖ öffnen und mit ehemaligen ÖVP-Stimmen auf Platz eins bringen wollte. Doch in der Gewerkschaft hatte er wenige Freunde. Schon Mitte Jänner 1967 machten die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in der Partei klar: Sie würden sogar für Pittermann stimmen, um Kreisky zu verhindern. Auch die Wiener SPÖ wollte ihn nicht an der Spitze der Bundespartei sehen.

Trotzdem legten sich nach und nach die meisten SPÖ-Landesparteien auf den Herausforderer fest. Gewerkschaft und die Wiener Landesorganisation wiederum einigten sich auf den ehemaligen Innenminister Hans Czettel. Es war angerichtet für einen Showdown am Parteitag am 1. Februar 1967.

Showdown am Parteitag

Zu dem kam es dann auch. In ihren Redebeiträgen lieferten sich die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Parteiflügel einen heftigen Schlagabtausch. Damals wie heute stand der Vorwurf der „Querschüsse“ im Raum. Kreiskys Lager habe den „Salzburger Nachrichten“ Informationen gesteckt, polterte der mächtige ÖGB-Chef Anton Benya.

Trotzdem setzte sich Kreisky bei der anschließenden Kampfabstimmung mit 347 der 497 Stimmen durch. Der damalige Chefredakteur der ÖVP-nahen Salzburger Nachrichten hatte eine – aus seiner Sicht – böse Vorahnung. Am Tag nach der Kampfabstimmung analysierte er, dass der Pragmatiker Kreisky auch ÖVP-Wähler erreichen und so den Christlich-Sozialen gefährlich werden könnte. Er sollte recht behalten.

Kreisky: 12 Jahre SPÖ-Alleinregierung

Gleich nach seiner Wahl machte sich Kreisky daran, die zerstrittenen Flügel der Partei zu einen. Er besetzte wichtige Positionen mit Leuten aus allen Lagern. Geeint gewann die SPÖ die Nationalratswahlen 1970, obwohl das Wahlrecht die ÖVP begünstigte. Mit seiner Minderheitsregierung sorgte Kreisky für ein faires Wahlrecht. Danach erreichte die Sozialdemokratie 1971, 1975 und 1979 jeweils eine absolute Mehrheit bei den Nationalratswahlen und regierte bis 1983 im Alleingang.

Das brachte die 40-Stunden-Woche, die 4. und 5. Urlaubswoche, 4 Wochen Lohnfortzahlung bei Krankheit, Aufhebung der Geschlechtertrennung an öffentlichen Schulen, Gleichstellung der Frauen in der Familie, den Mutter-Kind-Pass, Schülerfreifahrt, gratis Schulbücher, die Fristenlösung, die Legalisierung homosexueller Beziehungen, kostenlose Gesundenuntersuchung, …

NeueZeit Redaktion

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