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Tabuthema Abtreibung – Frauen fordern mehr Gesundheitsvorsorge und Information

In Oberösterreich gibt es nur zwei Gynäkolog:innen, die in ihrer Ordination medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Eine davon ist die Eferdinger Frauenärztin Dr. Salzmann. Nicht nur sie, findet, dass das Angebot zu niedrig ist. Auch Sandra (40) und Al (21) berichten, dass sie vor ihrem Abbruch mehr Unterstützung und Information gebraucht hätten.

Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ist selten eine leichtfertig getroffene. Sandra (40 Jahre, Name von der Redaktion geändert) ist Mutter von drei Kindern. Sie wäre noch ein viertes Mal schwanger gewesen – unerwartet und ungewollt. Der NeuenZeit erzählt sie, dass sie sich für einen Abbruch entschieden hat.

Abtreibung: “Ich hatte schon Verantwortung für drei Kinder”

Dr. Salzmann erzählt, dass in ihre Ordination Frauen jeden Alters einen Abbruch durchführen lassen. 60 Prozent von ihnen sind bei einem Schwangerschaftsabbruch schon Mutter von einem oder mehreren Kindern. So war es auch bei Sandra.

Ich hatte schon Verantwortung für drei Kinder. Wir hätten nicht gewusst, wie sich ein viertes Kind in unserem ohnehin schon stressigen Alltag – und auch finanziell – noch ausgehen sollte.

Sandra erzählt der NeuenZeit, dass die Entscheidung einen Abbruch vorzunehmen, für sie und ihre Familie keine einfache, aber dennoch die richtige war. Sie hatte zu dem Zeitpunkt der Schwangerschaft schon drei Kinder. Für sie war es wichtig für die Kinder, die schon da waren, gut zu sorgen. Die drei hatten ihre Aufmerksamkeit und auch die ihres Mannes verdient. Mit einem vierten Kind drohte das Familiengeflecht, zwischen beruflichen Verpflichtungen und Betreuungspflichten der Kinder, zu zerreißen.

Wie viele Frauen in ganz Österreich abtreiben, weiß man nicht. Es gibt keine Statistiken dazu, keinerlei Aufzeichnungen. Das kritisiert die Eferdinger Gynäkologin Dr. Salzmann, aber auch unzählige Frauenorganisationen. Schätzungen gehen von Zahlen ab 30.000 pro Jahr aus. Auch bei der Recherche dieses Artikels war es durchaus schwierig, Personen zu finden, die über dieses heikle Themen sprechen möchten. Neben Sandra fanden wir Al, heute 21 Jahre alt.

„Musste für Abbruch ins Nachbarbundesland ausweichen „

Al war im Gegensatz zu Sandra einfach zu jung. Als Al mit 19 Jahren von der Schwangerschaft erfuhr, war der erste Gedanke: “Das ist eine zu große Verantwortung, die ich aktuell nicht schaffe.“ Al erzählt ebenfalls im Gespräch: 

Ich hab’ von einer Freundin, die auch eine Abtreibung vornehmen lassen musste, schlechte Erfahrungen in der Frauenklinik vom eigenen Bundesland mitbekommen. Deshalb bin ich in eine Privatklinik nach Salzburg ausgewichen. Da die Kosten für den Abbruch privat zu zahlen sind, hat es dann da wie dort gleich viel gekostet – 600 Euro.

Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch werden in Österreich nicht von der Krankenkasse übernommen. Diesen Umstand kritisieren viele. Denn der medikamentöse oder hormonelle Abbruch einer Schwangerschaft ist nicht immer nur eine persönliche Entscheidung. Oft sind auch gesundheitliche Risiken ein Grund, warum eine Schwangerschaft beendet werden muss. Dass darüber im öffentlichen Diskurs kaum gesprochen und informiert wird, stört auch die Eferdinger Gynäkologin Dr. Salzmann.

Nicht nur in Oberösterreich – Frauen wünschen sich mehr Information über Abtreibung 

Sie bietet in ihrer Ordination die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs an. Im Gegensatz zu vielen Kolleginnen und Kollegen informiert sie darüber auch auf ihrer Webseite. Werbung für einen Abbruch zu machen ist in Österreich und Deutschland strafbar, „zu informieren ist davon aber ausgenommen und diese Information steht den Frauen auch zu“, erklärt Dr. Salzmann. Denn „die Frauen sollen ja wissen, wo sie Hilfe bekommen.“

Nicht jede Schwangerschaft ist einerseits eine geplante und erwünschte und andererseits auch eine Schwangerschaft, die ohne Komplikationen für die Frau abläuft. Es kann auch sein, dass der Fötus geringe Überlebenschancen hat oder im Körper der Frau stirbt. In solchen Fällen, müssen Ärztinnen und Ärzte dringend handeln (können). Denn sonst steht auch das Leben der Schwangeren auf dem Spiel.

So ist es Dorota in Polen passiert. In der 20. Schwangerschaftswoche starb ihr Kind im Mutterleib. Weil die Regierung die Abtreibungsgesetze dort verschärft hat, leisteten die Ärztinnen und Ärzte zu spät Hilfe. Sie hatten Angst, vom Staat angeklagt zu werden. Die Folge: Dorota starb an einer Sepsis (Vergiftung), weil der tote Fötus zu lang in ihrem Körper war. Was klingt wie ein mittelalterliches Schauermärchen, ist mitten in Europa wieder neue Realität.

Gesundheitsvorsorge: Schwangerschaftsabbruch soll Kassenleistung werden

Deshalb sollen Schwangerschaftsabbrüche auch im Sinne der Gesundheitsvorsorge eine Kassenleistung werden. Momentan ist es in Österreich so, dass der Abbruch einer Schwangerschaft grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) erlaubt ist. Einen medikamentösen kann man in den ersten 9 Wochen vornehmen lassen.

Aber nicht in allen Bundesländern haben Frauen auch Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, die einen Abbruch vornehmen können. Im Burgenland gibt es beispielsweise kein einziges Spital oder eine Ordination, die einen Abbruch vornimmt. Ganz im Westen, in Vorarlberg, sind die Möglichkeiten ebenfalls sehr begrenzt. Polnische Zustände haben wir noch nicht, dennoch ist die Politik dringend gefordert, sich für die Gesundheit und die Anliegen von Frauen einzusetzen – und dazu gehört auch: Abtreibungen einerseits zu enttabuisieren und andererseits sie aus der Illegalität zu heben.

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