Österreich

Längere Arbeitswege & weniger Geld: Die ÖVP bekämpft Arbeitslose, nicht die Arbeitslosigkeit

Die ÖVP kennt nur ein Mittel, um mit Arbeitslosigkeit umzugehen: Druck und Schikane für Jobsuchende. Ein Vergleich der Maßnahmen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit von anderen Parteien macht deutlich, dass es nicht egal ist, wer in Österreich das Sagen hat.

Laut AMS standen im Mai 316.960 Arbeitssuchenden nur 97.632 offene Stellen gegenüber. Damit kommen auf eine freie Stelle mehr als drei Jobsuchende. Mit starker Verspätung befasst sich jetzt auch die regierende ÖVP mit dem Thema Arbeitslosigkeit. Ernstzunehmende Lösungsansätze, wie neue Jobs geschaffen werden könnten, kommen aber nicht. Die ÖVP fordert lediglich, bei der Unterstützung für Arbeitslose zu sparen und den Druck auf die Arbeitssuchenden zu erhöhen.

Das fordert der ÖVP-Wirtschaftsbund: Längere Arbeitswege & weniger Arbeitslosengeld

Der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Kurt Egger, sieht nicht im Mangel an freien Stellen, sondern in der „Unwilligkeit“ der Menschen zu Arbeiten die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit. Er meint, es könne nicht sein, dass „in Zeiten einer Wirtschaftskrise mit Rekordarbeitslosigkeit tausende offene Stellen unbesetzt sind“.

Dass es mehr als dreimal so viele Arbeitslose wie offene Stellen gibt, scheint ihm dabei nicht aufzufallen. Folglich zielen alle Vorschläge des ÖVP-Wirtschaftsbundes darauf ab, den Druck auf die Jobsuchenden zu erhöhen.

Die wichtigsten Forderungen des ÖVP-Wirtschaftsbundes sind:

Herabsetzung der Zumutbarkeitsgrenzen: Für Arbeitslose sollen Wegzeiten von 1,5 Stunden zum Arbeitsplatz – was drei Stunden Pendeln pro Tag bedeutet – in Zukunft kein Grund mehr sein, eine Stelle ablehnen zu dürfen. Langzeitarbeitslose sollen überhaupt gleich österreichweit vermittelt werden. Geht es nach dem Wirtschaftsbund, dürfen sie keine Stelle in Österreich ablehnen. Folglich dürfte ein Vorarlberger eine Stelle im Burgenland nicht ablehnen, weil die Entfernung zu groß ist.

Zeitliche Begrenzung der Notstandshilfe: Der Bezug der Notstandshilfe soll verkürzt werden und schneller in die Mindestsicherung übergehen. Für den Bezug der Mindestsicherung muss aber zuerst eigenes Vermögen bis zu einem geringen Grenzwert aufgebraucht sein. Das bedeutet, dass in Zukunft mehr Menschen erst alle eigenen Ersparnisse verbrauchen müssen, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Degressives Arbeitslosengeld: Das Arbeitslosengeld soll mit längerer Bezugsdauer abnehmen und auf bis zu unter 40% des letzten Nettoverdienstes fallen. Der Wirtschaftsbund spricht in diesem Zusammenhang davon, „Anreize“ für die Arbeitssuche zu schaffen. Dass das Arbeitslosengeld in Österreich im OECD-Vergleich bereits jetzt zu den niedrigsten zählt, stört bei diesen Überlegungen anscheinend nicht.

In fast allen europäischen Staaten bekommen Jobsuchende mehr Arbeitslosengeld als in Österreich. // Grafik: AK Wien

Einführung eines Teilkrankenstandes: Erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen in Zukunft in Teilkrankenstand gehen. Das bedeutet, dass sie noch mit gesundheitlichen Einschränkungen arbeiten müssen.

Verbot von Zuverdienst: Derzeit dürfen Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld bis zur Geringfügigkeitsgrenze (aktuell 475,86 pro Monat) dazu verdienen. Das ist dem ÖVP-Wirtschaftsbund ein Dorn im Auge. Laut Wirtschaftsbund führe die Zuverdienst-Möglichkeit „oftmals zu dem Ergebnis, dass Personen damit mehr verdienen als in potenziellen Jobs“. Dass das Problem bei den geringen Gehältern in manchen Bereichen der Privatwirtschaft liegen könnte und nicht bei den Zuverdienst-Möglichkeiten für Arbeitslose sieht man beim Wirtschaftsbund naturgemäß nicht so.

Türkis-Grüne „Aktion Sprungbrett“ verschiebt Jobs, aber schafft keine neuen

Mit der „Aktion Sprungbrett“, mit der die Türkis-Grüne Regierung vor allem Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung bringen will, sollen Unternehmen bezuschusst werden, wenn sie Langzeitarbeitslose aufnehmen. Dadurch werden aber keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, es entsteht nur ein Verdrängungskampf.

Die Unternehmen erhalten Geld, wenn sie Mitarbeiter einstellen, die sie ohnehin benötigen würden. Ein Langzeitarbeitsloser erhält dadurch vielleicht eine Arbeit, die ein anderer Arbeitsuchender dann eben nicht mehr erhält. Das Problem wird dabei nicht gelöst, sondern nur zwischen verschiedenen Betroffenengruppen verschoben.

Alternative zum Druck auf Jobsuchende: Die Aktion 40.000

Einen gänzlich anderen Zugang im Umgang mit Arbeitslosigkeit hat etwa die SPÖ. Mit der „Aktion 40.000“ will sie an die „Aktion 20.000“ anknüpfen, durch die jeder dritte Langzeitarbeitslose in eine dauerhafte Anstellung finden konnten.

Die neue „Aktion 40.000“ soll Jobs für Langzeitarbeitslose schaffen, anstatt nur einen Verdrängungskampf um bestehende Stellen zu verschärfen.

Die wichtigsten Eckpunkte der Aktion 40.000:

  • Wer länger als 12 Monate arbeitslos ist, soll Unterstützung bei der Arbeitssuche erhalten (Jobrecherche, Beratung, Coaching, …). Dies soll aber auf freiwilliger Basis geschehen und nicht mit einer Sperre des Arbeitslosengeldes verbunden sein.
  • Gefördert werden nur existenzsichernde Vollzeit-Dienstverhältnisse ab 30 Wochenstunden.
  • Ebenso werden nur Dienstverhältnisse bei einer Entlohnung von mindestens 1.700 Euro brutto auf Vollzeitbasis gefördert.
  • Gefördert werden nur zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze und nicht Stellen, die bereits bestehen und für die ein Betrieb ohnehin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht.
  • Ausbau von Aus- und Umbildungsangeboten und Coaching für den Wiedereinstieg in Arbeitsleben.
  • Staatliche Förderung der gesamten Lohnkosten für zwei Jahre. 100% für die ersten 12 Monate, 75% für weitere sechs Monate und weitere 50% für die nächsten sechs Monate.

Die Kosten für die „Aktion 40.000“ würden sich auf etwa 150 bis 240 Millionen Euro belaufen. Das entspricht genau dem Betrag, den Türkis-Grün in den kommenden Jahren für PR ausgibt.

Stefan Neulinger

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