Deutschland hat eine neue Bundesregierung. Die SPD stellt nach 16 Jahren, diesmal in einer “Ampel-Koalition” aus SPD, FDP und Grünen, wieder den Bundeskanzler. Ein Blick auf das Regierungsprogramm zeigt jedoch klar: Es reicht nicht, nur den Kanzlersessel zurück zu erobern. Was es braucht sind neue Mehrheiten jenseits von marktradikalen und rechten Parteien – in Deutschland wie auch in Österreich.
Stichwort
Die Kolumne von Paul Stich,
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich.
Mit der Wette, dass Olaf Scholz und die SPD die Bundestagswahlen 2021 gewinnen und danach die Kanzlerpartei werden würden, hätte man noch vor einem Jahr viel Geld verdienen können. Auch ich hätte die Aufholjagd der deutschen GenossInnen zu diesem Zeitpunkt kaum für möglich gehalten. Einen harten Einsatz, einen guten Wahlkampf und die völlige (Selbst)Demontage der Unionsparteien CDU und CSU später ist die Überraschung perfekt.
Ein Blick auf das Regierungsprogramm verspricht spannende, aber auch herausfordernde Jahre.
Das Regierungsprogramm selbst ist ein Auf und Ab. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr oder diverse gesellschaftspolitische Vorhaben sind Schritte in die richtige Richtung und zeugen von klarer sozialdemokratischer Handschrift. Viel wichtiger als das, was im Programm steht, ist jedoch das, was NICHT drin steht. Und an dieser Stelle gibt es einiges zu bemängeln. Denn konkrete Maßnahmen zu den großen Fragen unserer Zeit, etwa der Klimakrise, bleibt die Ampel-Regierung schuldig.
Das hat vor allem einen Grund: Die angestrebte Finanz- und Steuerpolitik. Ab 2023 möchte man wieder die Budgetregeln einhalten (das bedeutet, es sollen keine Kredite für wichtige Investitionsprojekte aufgenommen werden – diese können daher nicht stattfinden). Der einzige Ausweg würde darin bestehen, Superreiche endlich fair zu besteuern. Doch in diesem Punkt hat sich die FDP durchgesetzt. Echte Steuergerechtigkeit wird es also auch künftig keine geben.
Besonders die Vorhaben in der Finanzpolitik werfen aus sozialdemokratischer Sicht große Fragezeichen auf. Im Wahlkampf wurde mit großen Ideen und Reformvorhaben nicht gespart. Doch die zentrale Frage bleibt bestehen: Wie sollen große und notwendige Investitionen im Kampf gegen die Klimakrise und die Auswirkungen der Corona-Pandemie getroffen werden, wenn weder Superreiche endlich fair besteuert werden noch neue Schulden für Investitionen aufgenommen werden? Diese Frage kann wohl auch Olaf Scholz selbst nicht beantworten.
Die Ampel-Regierung ist am Ende des Tages eine Koalition aus einer linken, einer grün-bürgerlichen und einer marktradikalen Partei. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Daraus folgt, dass eine große Vision für einen konsequenten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft auch weiterhin fehlt.
Die harte Teil der Arbeit beginnt daher erst jetzt. Scholz und die SPD müssen einen Weg finden, innerhalb der deutschen Bevölkerung klare Mehrheiten für Reformprojekte in genau diesen Bereichen aufzubauen. Nur so kann können die marktradikalen Teile der FDP auch innerhalb der Koalition zu einem Umdenken bewogen werden. Schafft die SPD das nicht, droht derselbe Abnutzungskampf mit blockierenden neoliberalen Koalitionspartnern, den auch die Sozialdemokratie in Österreich nur allzu gut kennt. Alfred Gusenbauer, Werner Faymann oder Christian Kern können ein Lied davon singen.
Einige geplante Maßnahmen der deutschen Ampel-Koalition zeigen aber auch, was möglich ist, wenn man konservative Parteien (in diesem Fall CDU/CSU) in Opposition schickt. Das Ende des Blutspendeverbots für Homosexuelle, die Legalisierung von Cannabis oder das Ende der Kriminalisierung für die Werbung von Schwangerschaftsabbrüchen sind wichtige Meilensteine.
Doch all das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der große Hebel fehlt. Mit einer FDP im Boot werden notwendige Projekte, etwa eine Verkürzung der Arbeitszeit, gerechte Steuern für Superreiche oder ein wirksamer Plan gegen die Klimakrise, nicht möglich sein.
Die Ampel-Regierung kann trotzdem ein wichtiger Meilenstein im Kampf um neue Mehrheiten sein. Wenn die SPD Schwung aus der Kanzlerschaft mitnimmt, kann sie neue Mehrheiten in wirtschaftspolitischen Fragen aufbauen. Nur damit wird es künftig möglich sein, längst überfällige Investitionen in Klimakrise, Gesundheit oder Umverteilung zu tätigen.
Die Ampel-Regierung wird die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht lösen. Sie kann nur ein Wegbereiter für eine Regierung mit neuen Mehrheiten sein, in der die Interessen von arbeitenden Menschen und der Umwelt über den Profiten von Reichen und Konzernen stehen. Daran müssen wir arbeiten. In Deutschland, Österreich, sowie auf der ganzen Welt!
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