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Superreiche zur Kasse bitten: Wie gerecht ist die Vermögenssteuer?

Sollen jene, die mehr haben, auch mehr Steuern zahlen? Immer wieder wird in Österreich über eine sogenannte Vermögenssteuer diskutiert. Die Neue Zeit hat Pro & Kontra gesammelt und macht den Gerechtigkeits-Check: Wie gerecht ist die Vermögenssteuer?

Vermögenssteuern im Gerechtigkeits-Check
  • Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt über 40 Prozent des gesamten Privatvermögens, während die ärmere Hälfte der Österreicher nur 2,5 Prozent davon besitzt. Trotzdem wird Vermögen in Österreich im internationalen Vergleich kaum besteuert. Deshalb gibt es immer wieder Vorschläge für eine Vermögenssteuer.
  • Eine solche Steuer soll großes Vermögen besteuern – dazu zählen etwa Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder Aktien. Die meisten Modelle setzen bei einem Vermögen ab einer Million Euro an: Wer also kein Millionär ist, ist davon gar nicht betroffen.
  • Gegenargumente sind etwa die befürchtete Steuerflucht von Superreichen oder, dass Vermögen Privatsache ist. Befürworter meinen, auch Millionäre sollen einen Beitrag leisten, mit einer Vermögenssteuer soll Reichtum gerechter verteilt und Armut verringert werden.

Mit Klick auf das Inhaltsverzeichnis kann durch den Gerechtigkeits-Check navigiert werden. Das Fazit befindet sich ganz unten: Wie gerecht ist die Vermögenssteuer?

So ist Vermögen in Österreich verteilt

Alle Österreicherinnen und Österreicher besitzen zusammen ein Privatvermögen von 1.317.478.884.303,62 Euro – über 1,3 Billionen Euro. Das macht Österreich zu einem der reichsten Länder der Welt. Der Haken: Das Vermögen ist ungleich verteilt. Die ärmere Hälfte der Österreicher besitzt nur 2,5 Prozent des Gesamtvermögens (also Immobilien, Autos, Aktien, Geld am Konto, usw. zusammengerechnet). Das reichste Prozent der Bevölkerung hingegen besitzt 40,5 Prozent der Vermögenswerte.

In anderen Zahlen ausgedrückt: Die Hälfte der Bevölkerung hat im Schnitt ein geringeres Vermögen als 84.500 Euro, während das oberste Prozent der Österreicher durchschnittlich 14 Millionen Euro pro Person besitzt.

Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt. // Quelle: Ferschli et al. 2017

Das österreichische Steuersystem: Viele Steuern auf Arbeit, wenige auf Vermögen

Alle Österreicherinnen und Österreicher müssen Steuern zahlen. Beim Einkaufen ist es die Umsatzsteuer, beim Gehalt die Lohnsteuer, Unternehmen versteuern ihre Gewinne mit der Körperschaftssteuer. Die wichtigste Abgabe ist die Lohnsteuer, Beschäftigte sowie Pensionistinnen und Pensionisten müssen sie abhängig von ihrem Einkommen bezahlen. Die Steuersätze sind gestaffelt: Monatliche Einkünfte bis zu 1.066 Euro sind steuerfrei, wer mehr als 83.350 Euro verdient zahlt den Höchststeuersatz von 55 Prozent.

Eine Steuer fehlt jedoch in der Auflistung: Eine Abgabe auf Vermögen, eine sogenannte Vermögenssteuer. Zwar werden etwa Erträge aus Zinsen auf Sparbüchern versteuert, eine Steuer auf das Gesamtvermögen gibt es in Österreich aber nicht. Das erklärt auch, weshalb die Steuereinkünfte aus Vermögen in Österreich im internationalen Vergleich sehr niedrig sind. Die OECD-Länder nehmen durchschnittlich 5,6 Prozent ihrer Steuern aus Vermögen ein. In Großbritannien, Kanada oder den USA sind es sogar über 10 Prozent. In Österreich hingegen stammen nur 1,3 Prozent der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern.

Österreich zählt zu den Schlusslichtern bei den vermögensbezogenen Steuereinnahmen in Prozent aller Steuereinnahmen.
Österreich zählt zu den Schlusslichtern bei den vermögensbezogenen Steuereinnahmen in Prozent aller Steuereinnahmen. // Quelle: OECD mit Daten von 2015, Grafik: Arbeiterkammer OÖ

Wie funtkioniert eine Vermögenssteuer?

Steuern werden in Österreich somit zum Großteil auf Arbeit eingehoben, nicht auf große Vermögen. Um das zu ändern, gibt es immer wieder Vorschläge zur Einführung einer Vermögenssteuer. Darunter versteht man eine Steuer auf das gesamte Vermögen einer Person. Dazu zählen zum Beispiel der Besitz eines Hauses, Aktien oder Geldwerte auf Bankkonten. Ausschlaggebend ist das sogenannte Reinvermögen: Kauft sich eine Person ein Eigenheim um 250.000 Euro und nimmt dafür einen Kredit von 100.000 Euro auf, wird dieser Kredit vom Vermögen abgezogen. Als Reinvermögen bleiben damit 150.000 Euro übrig. Als Vermögen zählt also nur, was man tatsächlich besitzt.

Die politischen Vorschläge für eine Vermögenssteuer setzen aber ohnehin erst weiter oben an: Besteuert werden soll nicht jedes Eigentum, sondern nur sehr großes Vermögen. Meist wird eine Freigrenze von einer Million Euro genannt. Wer weniger besitzt – wer also keine Millionärin, kein Millionär ist – ist von einer Vermögenssteuer gar nicht betroffen. Besteuert wird zudem nur das Vermögen über der Freigrenze, etwa über einer Million. Besitzt eine Österreicherin etwa 1,5 Millionen Euro, werden nur 500.000 Euro davon versteuert.

Welche Modelle gibt es?

Vorstellungen über die Höhe einer Vermögenssteuer bewegen sich im unteren Prozentbereich. Meist werden zwischen 0,5 und 1,5 Prozent genannt. Das bedeutet, dass beispielsweise 0,5 Prozent des Reinvermögens über der Freigrenze jährlich als Steuer abgeliefert werden müssen. Die Universität Linz hat errechnet, wie hoch die Steuereinnahmen einer gestaffelten Vermögenssteuer in Österreich wären.

Modell: Gestaffelte Vermögenssteuer
  • Vermögen bis 1 Million Euro: steuerfrei
  • Vermögen zwischen 1 und 2 Millionen Euro: 0,7%
  • Vermögen zwischen 2 und 3 Millionen Euro: 1%
  • Vermögen über 3 Millionen Euro: 1,5%
  • Geschätzte Steuereinnahmen: 7,4 Milliarden Euro jährlich

In diesem Modell mit einer Freigrenze von einer Million Euro wären nur die reichsten vier Prozent der Österreicherinnen und Österreicher von der Vermögenssteuer betroffen. Sie trifft also nicht den Mittelstand, sondern nur die Allerreichsten.

Die geschätzten Steuereinnahmen von 7,4 Milliarden Euro sind beträchtlich. Zum Vergleich: Für Umweltschutz gibt der Staat jährlich 1,4 Milliarden aus. Die neue Arbeitsstiftung zur Rettung von Jobs in der Krise lässt sich die Bundesregierung 700 Millionen kosten. Eine Jobgarantie für alle 150.000 Langzeitarbeitslose würde abhängig von deren Bruttogehalt zwischen 680 Millionen und 1,34 Milliarden Euro kosten. Mit den Einnahmen aus einer Vermögenssteuer ließe sich also allerhand finanzieren.

Kontra Vermögenssteuer: Was dagegen spricht

  • Wird Geld eingenommen, muss man es versteuern. Eine zusätzliche Vermögenssteuer wäre eine doppelte Besteuerung.
  • Österreich hat ohnehin schon eine hohe Steuerquote.
  • Vermögen ist Privatsache und geht die Finanz nichts an.
  • Eine Vermögenssteuer führt zu Steuerflucht der Reichen.

Kritikerinnen und Kritiker von Vermögenssteuern wenden ein, dass Vermögen ohnehin schon einmal besteuert wurde: Wer etwa arbeitet und ein Gehalt bekommt, muss Einkommenssteuer bezahlen. Wer sein Geld durch Zinsen vermehrt, muss Kapitalertragssteuer bezahlen. Eine zusätzliche Vermögenssteuer wäre eine doppelte Besteuerung, so die Kritiker.

Damit einher geht das Argument, dass Österreich sowieso schon eine hohe Abgabenquote habe. Sie gibt an, wie hoch der Anteil der Steuereinnahmen und Sozialbeiträge im Vergleich zur gesamten Wirtschaftsleistung eines Staates ist. In Österreich beträgt sie 42,8 Prozent und liegt damit über der Steuerquote der EU (40,3 Prozent). Deshalb brauche es weniger Steuern statt einer zusätzlichen Vermögenssteuer.

Gegner der Steuer möchten auch nicht, dass Reiche ihr Vermögen offenlegen müssen. Sie meinen: Wie viel jemand besitzt, geht im Detail niemanden etwas an – auch nicht das Finanzamt. Vermögen sei Privatsache, eine Steuer auf den privaten Besitz lehnen sie daher ab. Zudem sei es schwierig zu erheben, was alles zum privaten Vermögen zählt.

Zuletzt befürchten Kritiker, dass Reiche ihr Vermögen aus Österreich abziehen, sollte es besteuert werden – eine sogenannte Steuerflucht. Gerade in einer globalisierten Welt sei es einfach, Geld in Staaten zu verschieben, in denen weniger Steuern anfallen. Eine Vermögenssteuer schade dem Standort, weil Geld aus Österreich abgezogen werde.

Pro Vermögenssteuer: Was dafür spricht

  • Vermögen wird in Österreich kaum besteuert: Auch Superreiche sollen einen Beitrag leisten.
  • Eine Vermögenssteuer hilft, Ungleichheit zu verringern und den Reichtum gerechter zu verteilen.
  • Die Besteuerung von großem Vermögen kurbelt die Wirtschaft insgesamt an.
  • Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen kann Armut verringert werden.

Unterstützer einer Vermögenssteuer wollen, dass auch Superreiche einen Beitrag zum Steueraufkommen in Österreich leisten, um Schulen, Krankenhäuser oder Sozialleistungen zu finanzieren. Sie argumentieren, dass Arbeit hoch besteuert wird, während jemand, der sein Geld für sich arbeiten lässt, sein Vermögen kaum versteuern muss. Dass jene, die genug Geld haben, einen Beitrag leisten, sei aber gerade in der Corona-Krise wichtig.

Eine Vermögenssteuer verringert zudem die Ungleichheit, sagen Befürworterinnen und Befürworter. Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt – und die Ungleichheit wird immer größer, weil sich Vermögen schneller vermehrt als Menschen durch Arbeit verdienen können. Deshalb sei eine Vermögenssteuer fair, um den Reichtum gerechter zu verteilen.

Befürworter glauben, dass eine Vermögenssteuer der gesamten Wirtschaft hilft. Wenn sich das Vermögen bei einigen Wenigen Superreichen konzentriert, wird es nicht für reale Investitionen, sondern nur als „Spielkapital“ für Finanzspekulationen verwendet. Das schadet der realen Wirtschaft und den Arbeitsplätzen, lautet das Argument. Eine gerechtere Verteilung von Vermögen stärke zudem die Kaufkraft und kurble die Wirtschaft an.

Mit den Einnahmen aus einer Vermögenssteuer lassen sich wichtige soziale Investitionen tätigen, sagen Fürsprecher. Damit ließe sich etwa die hohe Arbeitslosigkeit in Folge der Corona-Krise bekämpfen oder die Armut verringern – immer noch sind rund 1,5 Millionen Menschen in Österreich armutsbetroffen oder armutsgefährdet. Superreiche, so das Argument, spüren eine geringe Besteuerung ihres Vermögens kaum. Auf der anderen Seite spüren armutsbetroffene Menschen jeden Euro, der ihnen dadurch zugutekommt.

Fazit: Ist eine Vermögenssteuer gerecht?

Die Zahlen belegen: Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt, das reichste Prozent der Bevölkerung allein besitzt über 40 Prozent des gesamten Privatvermögens. Wer reich ist, hat das Geld meist nicht selbst verdient, sondern geerbt. Vier von fünf Multi-Millionären in Österreich bekommen ihr Geld durch Familiendynastien in den Schoß gelegt. Die Superreichen haben nichts für ihr Vermögen geleistet, sondern Glück beim Erbe gehabt. Während alle anderen ihr hart erarbeitetes Einkommen versteuern müssen, erhalten sie ihr Privatvermögen steuerfrei. Daher wäre es gerecht, auch Vermögen zu besteuern.

Das passiert in Österreich bisher kaum, in den allermeisten europäischen Staaten wird Vermögen viel stärker besteuert. Deshalb ist auch nicht zu erwarten, dass Superreiche ihr Geld in andere Länder verschieben, weil es dort bereits Vermögenssteuern gibt. Auch Reiche schätzen zudem die gute Infrastruktur oder das sichere Gesundheitssystem Österreichs.

Alle Österreicherinnen und Österreicher müssen Steuern zahlen – und das mehrfach. Angestellte etwa versteuern ihr Gehalt mit der Einkommenssteuer. Gehen sie einkaufen, müssen sie auf Lebensmittel, Kleidung oder andere Produkte noch einmal eine Steuer bezahlen: die Mehrwertssteuer. Doppelte Besteuerungen treffen also alle, nicht nur Superreiche im Falle einer Vermögenssteuer.

Im obersten Prozent der Bevölkerung besitzen die Reichen durchschnittlich 14 Millionen Euro pro Person. Währenddessen leben 1,5 Millionen Menschen in Österreich unter oder an der Armutsgrenze. Diese Ungleichheit zu verringern und den Wohlstand fairer zu verteilen, ist dringend notwendig. Deshalb ist die Vermögenssteuer gerecht.

vermögenssteuer pro kontra

So sind die Positionen der Parteien zur Vermögenssteuer

Von den fünf im Nationalrat vertretenen Parteien sind drei strikt gegen eine Vermögenssteuer. ÖVP, FPÖ und NEOS wollen Superreiche nicht stärker zur Kasse bitten. Von den Grünen kommt ein „ja, aber“ – sie sind grundsätzlich für Besteuerung von Vermögen, aber erst später, in ein paar Jahren oder nach der Corona-Krise. Als einzige Partei klar für die sofortige Einführung einer Vermögenssteuer ist die SPÖ.

Das sagen die Parteien zu Vermögenssteuer Pro Kontra.
Das sagen die Parteien zur Vermögenssteuer.

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