Streik statt Unterricht: An mehr als 150 Schulen in ganz Österreich demonstrierten am Dienstag Schülerinnen und Schüler gegen die Corona-Bildungspolitik von ÖVP und Grünen. Die Jugendlichen fordern wie in den Vorjahren Anpassungen bei der Matura und mehr psychologische Unterstützung an den Schulen. Die NeueZeit war beim Schulstreik in Linz.
Den Schülerinnen und Schülern reichts. Statt in der Klasse zu sitzen, versammeln sie sich am Dienstag an über 150 Standorten in ganz Österreich vor dem Schulgebäude. Corona-Streik! Warum? „Wir wechseln seit zwei Jahren ständig zwischen Lockdown, Schichtbetrieb und Distance-Learning. Wir sind an unserer Belastungsgrenze.“
Gestreikt wird auch vor dem Hamerling-Gymnasium in Linz. Eine Demoteilnehmerin hält ein Schild mit dem grinsenden Gesicht von ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek in die Höhe, auf dem steht: „Wir gehen unter und Sie sehen lächelnd zu“. Eine andere Schülerin ruft ins Mikrofon: „Auch wenn wir von der Politik ignoriert werden, wir lassen uns unsere Stimme nicht nehmen!“ Jubel bricht aus.
Die Jugendlichen fordern wie in den Vorjahren Anpassungen bei der Matura. Die Schülerinnen und Schüler seien nach zwei Jahren Pandemie so schlecht auf die Abschlussprüfung vorbereitet wie noch nie – deshalb soll die mündliche Matura wie in den letzten Corona-Jahrgängen freiwillig sein. Außerdem setzen sich die Jugendlichen für mehr psychologische Unterstützung an den Schulen ein, weil viele von ihnen zunehmend unter Schlafstörungen und Depressionen leiden.
Der türkise Bildungsminister Martin Polaschek hat auf den Hilferuf der Schülerinnen und Schüler nicht einmal reagiert. Daher streiken die Jugendlichen.
Und die „Warnstreiks“ sollen erst der Anfang sein: Wenn sich die Regierung weiter nicht gesprächsbereit zeigt, wollen die Jugendlichen noch mehr Schulen lahmlegen.
„Ich bin ehrlich gesagt verzweifelt, wie ich das alles schaffen soll“, sagt ein Schüler, der anonym bleiben möchte, zur NeuenZeit. „Mir fehlt einiges, vor allem in den Pflichtfächern.“ Damit ist er nicht allein. Die „Aktion kritischer Schüler_innen“ hat in einer Umfrage über 6.000 Schüler befragt. Nur 2,2% von ihnen fühlen sich heuer „sehr gut“ auf die Matura vorbereitet.
Im Hin und Her zwischen Lockdowns und Präsenzunterricht ist viel Schulstoff auf der Strecke geblieben, der den Maturantinnen und Maturanten jetzt fehlt. Die Landesvorsitzende der „Aktion kritischer Schüler_innen Oberösterreich“ (AKS), Mara Mittermayr, gibt ein Beispiel: „Normalerweise haben wir vier Mathe-Schularbeiten pro Jahr, während der Pandemie waren es aber nur zwei. So viele Stoffgebiete wurden wegen Corona nicht abgedeckt.“
Die Forderung der AKS: Schüler sollen heuer zwischen der normalen Matura mit freiwilliger mündlicher Prüfung oder einer sogenannten „Durchschnitts-Matura“ wählen können. Die „Durchschnitts-Matura“ setzt sich ganz einfach aus den Jahresnoten der letzten beiden Schuljahre zusammen, ohne dass eine Extra-Prüfung notwendig ist.
Neben der AKS hatte auch eine Gruppe von 100 Schulsprecherinnen und Schülern zu den Streiks aufgerufen, die in ganz Österreich stattfanden.
In Oberösterreich wurde im Hamerling-Gymnasium und im BRG Solar City gestreikt. Das Gymnasium in Bad Ischl will nächste Woche demonstrieren. Während die türkis-grüne Regierung in Wien schweigt, kommt aus der oberösterreichischen Landespolitik Unterstützung für die Anliegen der Jugendlichen. SPÖ-Klubchef Michael Lindner rät Bildungsminister Polaschek „die berechtigte Kritik der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen – sie beweisen oft mehr Weitblick als die kurzsichtige Regierungspolitik.“ Lindner weiter: „Die Schüler sind lern- und leistungswillig, sie wollen aber nicht ohne Strategie und Plan hin- und hergeschubst werden.“
Vor etwas mehr als zehn Jahren war ein Schulstreik übrigens schon einmal erfolgreich. Damals demonstrierten 60.000 Schüler gegen die Abschaffung von zwei der vier schulautonom freien Tage. Ergebnis des Streiks: Die beiden Tage blieben schulfrei.
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