Steiermark

Unwetter-Katastrophe in Graz: Verbauter Boden konnte Regen nicht aufnehmen

Einen wahren Unwetterhorror erlebte die Grazer Bevölkerung letzten Freitag. Gewaltige Rekord-Regenschauer erschütterten weite Teile der Stadt. Innerhalb von wenigen Minuten standen zahlreiche Straßen unter Wasser. Die Katastrophe wird durch die Bodenversiegelung verschlimmert. In den letzten Jahren verbaute Graz eine Fläche, die größer ist als die Vatikanstadt.

Überschwemmungen in weiten Teilen von Graz

Letzten Freitag, kurz nach 17 Uhr, entlud sich die gewaltige Hitze der vorhergehenden Tage in einem gewaltigen Unwetter. In nur drei Stunden regnete es so viel wie sonst im gesamten Juli. 114 Liter Regen pro Quadratmeter meldete die offiziellen Messstelle der Uni-Graz.  An anderen Orten gingen bis zu 160 Liter nieder. Die stundenlangen Regenschauer führten zu Überschwemmungen in weiten Teilen der Stadt. Vor allem im Norden und Osten von Graz standen Straßen und Keller unter Wasser. Zusätzlich durchzogen Orkanböen mit einer Windstärke von mehr als 100 km/h sowie Hagel die Stadt. Im Bezirk Lend entwuzelte der Sturm einen Baum, der danach auf ein Mehrparteienhaus fiel. Das Gebäude erlitt dabei schwere Schäden. Teile des Dachs stürzten auf die Straße. Wie durch ein Wunder gab es keine verletzten Menschen.

Verbauung von Graz verschlimmerte die Unwetter-Katastrophe

Es steht natürlich außer Frage, dass die Unwetter-Katastrophe von Graz in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Sie reiht sich in die schweren Überschwemmungen ein, die Deutschland und Österreich heuer heimsuchten. Ein spezifisch Grazer Aspekt trug aber maßgeblich dazu bei, das Ausmaß der Katastrophe zu vergrößern. Die Überflutungen wurden an vielen Stellen nämlich erst durch massive Bodenversiegelung möglich. In Graz wird ja bekanntlich trotz bis zu 38.000 leer stehender Wohnungen fleißig weitergebaut. Alleine seit dem Jahr 2012 fielen unglaubliche 68 Hektar der ungehemmten Bauwut privater Immobilienkonzerne zum Opfer. Diese Fläche ist größer als die Vatikanstadt.

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und die schwarz-blaue Stadtregierung weigern sich dennoch beharrlich, eine von der SPÖ seit langer Zeit geforderte Leerstandserhebung durchzuführen. Einen von der Sozialdemokratie geforderten Baustopp lehnte die Rathauskoalition ebenfalls ab. Vielfach trafen die Wassermassen daher jetzt auf Beton und konnten dadurch nicht einsickern. Die Kanalisation war darüber hinaus in weiten Teilen der Stadt überlastet. Große Sachschäden sind jetzt die schmerzliche Folge dieser Verfehlungen.

Stopp der Bodenversiegelung soll Auswirkungen einer weiteren Unwetter-Katastrophe mildern

Angesichts der gewaltigen Überschwemmungen stellt sich für die Grazer Stadtpolitik die Frage, wie solche schweren unwetterbedingten und immer häufiger vorkommenden Katastrophen in Zukunft verhindert werden könnten. Darüber, wie genau man der Herausforderung begegnen soll, herrscht jedoch unter den Grazer Parteien keine Einigkeit. Während Bürgermeister Nagl nach jahrelanger Untätigkeit erst pünktlich zu Wahlkampfbeginn ankündigte, das Bautempo bremsen zu wollen, sind andere Parteien bereits um einige Schritt weiter.

So fordert die Grazer Sozialdemokratie schon lange einen sofortigen Baustopp, die Durchführung einer Leerstandserhebung sowie die Einführung einer Leerstandsabgabe. „Wir wollen nicht warten bis die letzten Grünflächen hässlichen Betonklötzen weichen“, so SPÖ-Chef Michael Ehmann. Zusätzlich möchte die rote Stadtpartei das Ausmaß der Bodenversiegelung rückgängig machen. Sie fordert daher die Einführung einer städtischen Prämie für die Entsiegelung von Flächen. So könnte bereits verbautes Gelände wieder zu Grünfläche werden.

Wie notwendig rasche Maßnahmen gegen die Bodenversiegelung sind, hat die Unwetter-Katastrophe von Graz gezeigt. Im Hinblick auf den rasant voranschreitenden Klimawandel darf keine Zeit mehr verloren werden. Sollte die Stadtpolitik nicht schnell handeln, könnten Überschwemmungen wie jene am letzten Freitag bald zur traurigen Gewohnheit werden.

Martin Amschl

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