Martin Grubinger über Gerechtigkeit
Gerechtigkeit. Ein Wort, dass allzu oft völlig widerspruchslos für unterschiedlichste Interessen und politische Intentionen herhalten musste. In Umfragen beteuert eine grosse Mehrheit in unserem Land, dass dies für uns Bürgerinnen und Bürger persönlich wichtig ist. Dass es gerecht zugeht.
Gerechtigkeit im täglichen Leben
Aber was bedeutet dieser Begriff für unser tägliches Leben eigentlich? Der Philosoph Avishai Margalit beschreibt das im Umgang der Institutionen mit seinen Bürgern so: „Eine Gesellschaft ist dann anständig, wenn deren Institutionen die Menschen nicht demütigen.“ Dies kennzeichnet für mich den übergeordneten Begriff von Gerechtigkeit. Anstand, Würde und Freiheit. Der Umgang des Staates mit seinen Bürgern. Gerechte Löhne, ausbalancierte Lasten, Bildungschancen, Meinungs und Pressefreiheit. Dazu der liberale Gedanke der freien Entfaltung eigener Lebensentwürfe.
Der Weg zu mehr Gerechtigkeit
Die jetzige Krise wird all das in Frage stellen. Zu lange wurde der Begriff der Würde, des Anstands, der Gerechtigkeit und Freiheit von Politikern gekapert, die eine illiberale, autoritäre Gesellschaft wollen. Auf der anderen Seite klingt es bei jenen, deren Bewegung diese Begriffe über Jahrzehnte definiert hat, wie eine hohle, starre und ausgezerrte Phrase. Wenn wir endlich unsere Stimme wiederfinden und den langen Weg zu neu gewonnener Glaubwürdigkeit antreten, ist eine neue, freie und gerechtere Gesellschaft möglich. Dass es diese Stimme mehr denn je brauchen wird, ist völlig unbestritten.