Alois Stockinger ist schwerkrank und wurde nach Hause entlassen, damit er die verbleibende Zeit mit seiner Familie verbringen kann. In diesem Moment meldet er sich bei der Neuen Zeit: Die politische Entwicklung lässt dem ehemaligen Betriebsrat aus Oberösterreich keine Ruhe – er möchte „ein letztes Statement abgeben“. Nach einem Leben voller Arbeit und Einsatz für seine Mitmenschen fühlt er sich vom System im Stich gelassen: „Die, die hinter dem Kapital und dem großen Geld stehen, arbeiten sich nach oben. Für alle anderen geht´s nach unten. Das ist unerträglich.“ Ungerechtigkeit schmerzt ihn mehr als seine eigene Krankheit. Dabei hätten die Menschen gemeinsam die Macht, Dinge zu verändern, sagt er. Die folgenden Gedanken gehören Alois Stockinger, in Worten aufgeschrieben hat sie für ihn die Neue Zeit.
Mein Name ist Alois Stockinger und ich stehe am Ende meines Lebens.
Ich wurde 1952 in Oberösterreich geboren und habe immer versucht, mich nicht nur für mein eigenes Wohlergehen, sondern für das aller meiner Mitmenschen einzusetzen. Als Betriebsrat und als Mensch. Dabei habe ich mich aber stets im Stich gelassen gefühlt von einem System, in dem Leute, die ihr Geld für sich arbeiten lassen können, immer mehr haben als wir, die wir mit unseren Händen arbeiten.
Ich fühle eine große Ungerechtigkeit und beobachte die politische Entwicklung mit Sorge. Das hat mich veranlasst, ein letztes Statement abzugeben.
Ich kann den Neoliberalismus nicht mehr ertragen. Die, die hinter dem Kapital und dem großen Geld stehen, arbeiten sich nach oben. Für alle anderen geht´s nach unten. Das ist unerträglich.
Deutlich wird das zum Beispiel bei den verschiedenen Kategorien von Arbeitern, die wir immer noch haben. Arbeiter und Angestellte sind rechtlich immer noch nicht gleichgestellt. Es sind Beschäftigte unterschiedlicher Klasse. Dass man diesem System des Spaltens der arbeitenden Bevölkerung auch im dritten Jahrtausend noch nachhängt, ist nicht angemessen.
Ungleichheit gibt es auch bei den Pensionen. Meine Frau etwa hat eine Pension von 630 Euro – und das, obwohl sie ihr Leben lang hart gearbeitet hat. Sie tat das nur nicht immer in einem Angestellten-Verhältnis. Wir haben Kinder, denen wir alles ermöglicht haben. Das war viel Arbeit und die ist im Wesentlichen von meiner Frau geleistet worden. Zum Dank erhält sie jetzt 630 Euro Pension.
Während bei den Pensionen im untersten Segment immer nur kleine prozentuelle Anpassungen vorgenommen werden, haben andere Renten von monatlich 30.000 Euro und aufwärts. Das ist nicht von selbst gewachsen, sondern war politisch gestützt. Das alles sind Missstände, die mir wehtun.
Und es wird von Wahl zu Wahl schlimmer, Verbesserungen sehe ich kaum. Bereits 1989 haben wir in der Gewerkschaft beschlossen, die 35-Stunden-Arbeitswoche zu fordern. Heute müssen wir immer noch 40 Stunden oder mehr arbeiten.
Wir hatten auch bereits vor 20 Jahren 1,5 Millionen Menschen in Österreich, die an der Armutsgrenze leben – und die gibt es auch heute noch. Wo sind die Maßnahmen geblieben? Wo sind die finanziellen Mittel, um Armut zu beenden?
Ich will keine Neid-Diskussion, ich will Gerechtigkeit. Dazu gehört auch, jenen etwas zu nehmen, die sich auf unsere Kosten bereichern. Auf der Welt leben Milliardäre, die ihr Kapital für sich arbeiten und dann ihr Geld verschwinden lassen. Bei denen müssen wir zugreifen. Spekulantentum, Panama-Papers, Steueroasen – was muss denn noch alles passieren, dass man da endlich aktiv wird?
Das System aber lässt uns im Stich. Wir müssen rennen, wir müssen unser Inneres nach Außen stülpen, um irgendwie durchzukommen. Wir sind alle kleine Mosaik-Steinchen und jeder schaut, sich halt irgendwie durchs Leben zu schlingern. Dabei hätten wir gemeinsam die Macht, Dinge zu verändern. Das ist mein finales Anliegen an die Politik und an uns alle: Dass wir einmal allen Mut und alle Kraft zusammennehmen und handeln.
So stelle ich mir das am Ende meines Lebens vor – und ich denke nicht, dass das eine naive Annahme ist. Ich glaube daran, dass viele Menschen ähnlich denken und diese Lücken im System erkennen.
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