Frauen

Amalie Pölzer: Wer war die Namensgeberin des Amalienbads?

Hätten Sie gewusst, dass das Amalienbad am Reumannplatz nach der 1. weiblichen Gemeinderätin von Favoriten und einer der ersten gewählten österreichischen Politikerinnen benannt ist? Die NeueZeit traf den Ur-Ur-Enkel von Amalie Pölzer, Adrian Dorfmeister-Pölzer, zum Gespräch. Warum ist eigentlich so wenig über die BezirksmutterAmalie Pölzer bekannt?– haben wir ihn gefragt und uns bei einem Eis im stadtbekannten Tichy auf gemeinsame Spurensuche begeben.

Von den männlichen Nachfahren in der Familie findet man ohne Herausforderung genug – Danksagungen, Abzeichnen, Urkunden und vieles mehr, aber von meiner Ur-Ur-Großmutter beziehungsweise den Frauen in der Familie findet man vergleichsweise wenig. Dabei hatte sie richtig Pfeffer! Hier sieht man ein kleines ausgebleichtes Foto von ihr, aber außer ein paar weiteren Privatfotos und das offizielle Abgeordneten-Foto als Abgeordnete, ist von ihr wenig abgebildet.

Bildcredits: Schwimmschule Steiner, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons // Bildcredits: Buchhändler, Public domain, via Wikimedia Commons

Wer war Amalie Pölzer?

Wir sitzen mit Adrian Dorfmeister-Pölzer im Eissalon Tichy am Reumannplatz. Vor ihm am Tisch steht ein Eisbecher mit drei Sorten – Joghurt-Himbeere, Erdbeere und Fiocco, daneben liegt ein großes dunkles Fotoalbum. Mit einem ehrlichen und durchaus stolzen Lächeln im Gesicht blättert er die Seiten um und erzählt uns von seiner Vorfahrin und der Pölzer-Familie.

Amalie Pölzer, geborene Baron, kommt am 27. Juni 1871 zur Welt. Sie will Köchin werden, doch die Mutter schickt sie in die Lehre – wie es damals durchaus üblich war, der eigene Berufswunsch wurde nicht erfragt. Amalie Pölzer wird Weißnäherin– ein Beruf der damals angesehen, heute nahezu ausgestorben ist.

1898 heiratet Amalie, Johann Pölzer (sen.) auch bekannt als Schani. Mit ihm bekommt sie drei Kinder: Alois, Amalie (jun.) und Johann (jun.) bekannt als Schani junior(Ur-Großvater von Adrian, welcher heute – am 5. August – seinen 122. Geburtstag feiern würde). Johann Pölzer (jun.) ist auch kein Unbekannter in der sozialdemokratischen Geschichte Österreichs, wenn man an die Februarkämpfe 1934 denkt. Bis hierher klingt Amalies Leben wie ein ganz normaler Lebenslauf. Doch Amalie Pölzers Leben war mehr als eine Aneinanderreihung klischeehafter Lebensstationen. Sie war eine der ersten gewählten Politikerinnen Österreichs nach inkrafttreten des allgemeinen Frauenwahlrechts 1918 und eine Frau, die für alle gekämpft hat.

Die Eingangshalle des Amalienbads. Unter dem Schild „Schwimmhalle“ bekommt man die Schlüssel für die Umkleide-Kästchen. // Bildcredits: Kandschwar, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons
Die Geschichte des Amalienbads:
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Zeit keine einfache. 1910 zählt Wien mehr als zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Die Wohn- und Hygienebedinungen sind teilweise katastrophal. Deshalb beschließt die Stadt 1919 im Wiener Gemeinderat 20 städtische Badeanstalten zu bauen – und katapultiert sich damit zur Bäder-Metropole Europas. Das Wahrzeichen und wichtigste „Monument der Arbeiterkultur im Roten Wien“ ist das Amalienbad. 2026 feiert das im Art Déco-Stil erbaute Gebäude sein 100-Jahr-Jubiläum.

Die 1. weibliche Gemeinderätin aus Favoriten und eine der ersten Politikerinnen Österreichs

Amalie, von vielen im Bezirk auch Maltschi, Malioder in der Familie Lilligenannt, fungierte als so etwas wie eine Bezirksmutter, erzählt uns Adrian Dorfmeister-Pölzer. Eine, die auf alle geschaut und für jede:n ein offenes Ohr hatte.

Das Frauenreichskommitee und der Niederösterreichische Landesausschuss 1917. 1. Reihe: Marie Schuller, Anna Boschek, Therese Schlesinger (geb. Eckstein), Amalie Seidel, Adelheid Popp, Gabriele Proft; 2. Reihe: Josefine Deutsch, Marie Münzker, Amalie Pölzer, Marie Bock, Emmy Freundlich, Anna Kaff, Olga Hönigsmann, Mathilde Eisler // Bildcredits: Buchhändler, Public domain, via Wikimedia Commons

Und das wohlgemerkt mit drei Kindern, einer Berufung und einem Haushalt on top. Das gehört schon hervorgehoben, in Zeiten, wo einer (!) das weibliche Leben vordergründig diktiert wurde – sei es Familie und/ oder Berufswahl”“, betont er ausdrücklich.

Gemeinsam mit Adelheid Popp gründet sie den Lese- und Diskutierklub Libertas. Sie setzt sich für das allgemeine Frauenwahlrecht ein – welches 1918 inkraft tritt. Sie gründet den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen und leitet zwischen 1902 und 1920 die niederösterreichische Frauenorganisation der Sozialdemokratinnen. 1919 wird sie zur 1. weiblichen Gemeinderätin gewählt, 1920 bis zu ihrem unerwarteten Tod 1924 ist sie Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat. Im Gedenkbuch 20 Jahre österreichische Arbeiterinnenbewegung findet man folgende Erinnerungen aus ihrem Leben. Amalie Pölzer selbst schreibt:

Ich kam in die Lehre. Meine Lehrzeit war so wie die vieler anderer Proletarierkinder. Anfang früh – Ende nie. Um 9 bis halb 10 Uhr kam ich oft erst aus dem Geschäft () Kein Sonntagvormittag war frei, es fiel mir aber nicht ein, zu klagen, denn ich kannte das ​​Sprichwort: Lehrbub und Besen ist ein Wesen.

Ob als junges Lehrmädchen, als Mutter, als Frauenaktivistin oder später als Gemeinderätin und Wiener Landtagsabgeordnete: Aufgewachsen und gelebt in einer Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit sind Arbeit, Fleiß und gesellschaftliche Partizipation zentral in Amalie Pölzers Leben.

Ein großes Vermächtnis

Adrian Dorfmeister-Pölzer ist derjenige in der Familie, der sich vor einigen Jahren den sozialdemokratischen Spuren seiner Vorfahren angenommen hat. Er verwaltet den politischen Nachlass. Urkunden, Dokumente, Kriegskorrespondenzen, Zeitungsartikel, Protokollbücher, Ehrenzeichen und vieles mehr. Und immer wieder stellt er sich dabei eine Frage:

Ur-Ur-Großmutter was hättest du gern in deinem Leben anders gemacht – weil du wolltest, nicht weil du musstest?

Diese Frage wird unbeantwortet bleiben, doch die Errungenschaften unserer Eltern-, Ur- oder eben auch Ururgroßeltern bleiben bestehen. Wir sollten das heute alles nicht als selbstverständlich ansehen,findet er, während er die letzten Reste aus dem Eisbecher löffelt.

Als studierter Ballettänzer, mit einigen Zwischenstopps in der freien Künstler:innenszene, landete Adrian Dorfmeister-Pölzer in der Kommunikation und – spät, aber doch, durfte er 2025 auf Bezirksebene in Wien zur Wahl stehen. Eine große Ehre und Freude, wie er sagt. Sein politisches Engagement hat 2015 so richtig begonnen. Häupl gegen Strache – hier wollte er einen bewussten Schritt setzen. Wie seine Ur-Ur-Großmutter auch, will er sich dort engagieren, wo ich lebe – in Wien. Seine politische und tatsächliche Heimat ist der 2. Bezirk, die schöne Leopoldstadt. Trotzdem kommt er ab und an gern ins Amalienbad zurück:

Was vor 100 Jahren erkämpft wurde, erfreut mich auch heute noch und unzählige ​​Badegäste – darauf bin ich stolz. Und das Schöne daran ist: das Angebot besteht für alle, die herkommen – ​​ob waschechte:r Wiener:in, zugezogen, jung oder alt, Tourist:in oder wer auch immer eine Runde schwimmen gehen mag. Das ist das Wien auf welches wir stolz sein konnten, sind und weiterhin sein werden.


Kommen Sie, Kommen Sie:

Wasser gibts im Amalienbad mehr als genug, als kostbare Ressource ist es aber nicht selbstverständlich. Darauf machen Adrian Dorfmeister-Pölzer und Simeon Ohlsen am 29.8. im Rahmen des Europäischen Kulturprojekts Turning the Tideder Wiener Bildungsakademie in der Seestadt Aspern mit einer Tanz-Performance aufmerksam.

Wasserals Ressource, als Spiegel, als Organismus?

Was, wenn Wasser eine eigene Stimme hätte würden wir ihr zuhören?

Welche Erinnerungen, welche unsichtbaren Geschichten trägt es in sich?

Diese Tanz-Performance fragt nicht nach Besitz, sondern nach Beziehung. Nicht nach Antworten, sondern nach Resonanz.

Freitag, 29.8. um 15:30 Uhr im Seepark (Seestadt Aspern)

Tanz & Choreografie: Adrian Dorfmeister-Pölzer und Simeon Ohlsen

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

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