Jetzt ist es fix: 360 Beschäftigte des steirischen Elektromotoren-Herstellers ATB verlieren ihren Job, nur 40 Mitarbeiter verbleiben am Standort in Spielberg. Das bestätigten die Gläubiger des insolventen Unternehmens vor Gericht. Der ATB-Konzern nutzte dabei eine Lücke im Insolvenzrecht aus, um die Produktion ins billigere Ausland verlagern zu können. Der Insolvenz-Trick könnte nun schlechtes Vorbild für weitere Betriebe sein.
Was für die Belegschaft des steirischen Traditionsbetriebs ATB „keine Überraschung“ mehr war, wurde nun auch gerichtlich bestätigt: Die Gläubiger des insolventen Unternehmens stimmten dem Sanierungsplan zu. Damit ist fix, dass 360 der 400 ATB-Beschäftigten ihren Job verlieren. Nur 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbleiben in Spielberg. Sie sollen sich am steirischen Standort weiter um Vertrieb und Logistik kümmern. Das Herzstück des Unternehmens, die Produktion von Elektro-Motoren, wird nach Polen und Serbien ausgelagert.
Das alles ist möglich, weil der Konzern eine Lücke im österreichischen Insolvenzrecht ausnutzt. Der Beschluss der Gläubiger bestätigt diesen Trick nun – und könnte damit schlechtes Vorbild für weitere Unternehmen sein.
Seit 2011 ist die ATB in Besitz der chinesischen Wolong-Gruppe. Betriebsrat Michael Leitner vermutet, dass die Schließung des Werks in der Steiermark von langer Hand geplant war. Denn: Der Wolong-Mutterkonzern in China schreibt Millionen-Gewinne, während der kleine Betrieb in der Steiermark in Konkurs geschickt wird.
Die ATB hat ein sogenanntes „Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung“ beantragt. Durch das Verfahren wird verhindert, dass andere Investoren den Standort in Spielberg übernehmen können. Dabei hätte es mit dem früheren ATB-Eigentümer Mirko Kovats oder der Finanzgruppe HIH Hamburg gleich zwei konkrete Interessenten gegeben. Stattdessen kauft der chinesische Mutterkonzern die steirischen Produktionsmaschinen aus der Konkursmasse der eigenen Tochter-GmbH – um sie an Standorten mit billigeren Lohnkosten wieder aufzustellen. Mit dem Ertrag aus dem Konzern-internen Maschinenverkauf kann die ATB-Steiermark die 30-prozentige Schuldnerquote begleichen.
Dieser Plan des ATB-Managements wurde nun bei Gericht abgesegnet. Es kommt alles genau so, wie es der Konzern geplant hat: Die Gläubiger erhalten 30 Prozent ihrer Forderungen und der Konzern kann die Maschinen nach Polen und Serbien verlagern. All das mit Hilfe von Steuergeld: Der Insolvenzfonds, bei dem sich der Konzern bedient, wird mit öffentlichen Geldern finanziert.
Den Insolvenz-Trick nach Vorbild der ATB könnten weitere Unternehmen ausnutzen und so ihre Produktion ins billigere Ausland verlagern. Um das zu verhindern, will sich die SPÖ im Nationalrat weiter für die Behebung dieser Rechtslücke einsetzen. Ein erster Versuch im September scheiterte an der türkis-grünen Regierung.
Überhaupt kam von der Bundesregierung bisher keine Unterstützung für die steirischen ATB-Arbeiterinnen und Arbeiter. Betriebsrat Michael Leitner bat Bundeskanzler Kurz bereits Ende Juli, als die Kündigungs-Pläne bekannt wurden, um Hilfe. Erst drei Wochen später kam eine erste Antwort: Man habe den Hilfeschrei der 400 Beschäftigten „übersehen“. Nach dem neuerlichen Ansuchen um einen Termin beim Kanzler vergingen weitere drei Wochen, ehe sich wieder jemand aus dem Kurz-Büro meldet: Der Kanzler habe keine Zeit, heißt es, aber ein Gespräch mit der Wirtschafts- oder Arbeitsministerin sei möglich. Betriebsrat Leitner antwortet nur mehr mit: „Wollen Sie mich pflanzen?“ Die Regierung hat bis heute keine Unterstützung für die ATB-Belegschaft angeboten.
In der Steiermark nimmt man die Sache in der Zwischenzeit selbst in die Hand. Als die verbliebenen ATB-Beschäftigten Anfang Oktober plötzlich um bis zu 800 Euro zu wenig Lohn ausbezahlt bekommen, erreichen Betriebsrat und Arbeiterkammer Gehalts-Nachzahlungen. Alle Mitarbeiter werden nun wieder korrekt entlohnt. Und auch den Gekündigten soll geholfen werden: Eine Allianz aus Arbeiterkammer, AMS-Steiermark, Gewerkschaft und Landespolitik will die ATB-Belegschaft in einer sogenannten Arbeitsstiftung auffangen.
Die Idee: Die Entlassenen sollen in der neuen Stiftung angestellt werden, um sich dort weiterbilden, umqualifizieren und für neue Jobs bewerben zu können. Die Gespräche zur neuen Arbeitsstiftung sind in der finalen Phase. Sie soll am 4. November präsentiert werden und ab 1. Dezember bis zu 200 Mitarbeiter auffangen.
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