Lengenfeld/Krems: 1980 stellte die Künstlerin Christa Hauer gemeinsam mit Kindern und Dorfbewohner:innen von Lengenfeld unzählige Vogelscheuchen auf einem Feld auf. Das Ziel: Protest gegen den Einsatz von Gift und Schussapparaten in der Landwirtschaft. Heuer hätte Christa Hauer (1925-2013) ihren 100. Geburtstag. Die Landesgalerie Niederösterreich in Krems würdigt ihr vielseitiges Schaffen als Künstlerin und Kunstmäzenin mit einer Ausstellung.
Christa Hauer war vieles zugleich: Malerin, Galeristin, Aktivistin, Gastgeberin. Vor allem aber war sie eine Frau, die Räume öffnete – für die Kunst, für Diskussionen, für Zusammenleben.
„Sie war ein Mensch mit einem sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und einer Vision, wie diese Welt sein könnte“, erinnert sich Künstlerin Doris Reitter-Braun.
Die Retrospektive „Christa Hauer. Künstlerin. Galeristin. Aktivistin“ in der Landesgalerie Niederösterreich (12. April 2025 bis 1. März 2026) lässt diese Vielschichtigkeit lebendig werden. Kunstwerke, Zeitungsausschnitte und multimediale Aspekte erwecken die Atmosphäre von Orten, die Hauer geprägt hat, noch einmal zum Leben.
Die Künstlerin
Christa Hauer war ihr Leben lang mit Kunst konfrontiert: Ihr Großvater, Inhaber des Griechenbeisl, war Kunstmäzen und -sammler, ihr Vater Maler und Programmdirektor des Künstlerhauskinos in Wien. Dadurch begann sie schon früh mit der künstlerischen Ausbildung: Mit 14 Jahren besuchte sie die Kunstgewerbeschule, später dann die Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie zunächst als Werbegrafikerin.

Ein Wendepunkt war ihr Aufenthalt in den USA in den 1950er-Jahren. In Chicago entdeckte sie die abstrakte Kunst neu für sich, heiratete den Maler Johann Fruhmann und ließ sich vom Action Painting inspirieren. Später entwickelte sie ihre meditativen Kreisbilder. Diese wurden ab Mitte der 1960er-Jahre charakteristisch für ihren Stil und gelten noch heute als ihr künstlerisches Markenzeichen.
Die Galeristin im Griechenbeisl
1960 eröffnete Christa Hauer gemeinsam mit ihrem Mann Johann Fruhmann eine Galerie in Wien. Nach ihrer Rückkehr aus den USA wollten sie Wiens Kunstszene verändern und mehr Ausstellungsmöglichkeiten schaffen. Über Wiens ältestem Gasthaus, dem Griechenbeisl, stellte Hauers Vater ihnen für diesen Traum Räume zur Verfügung.
Im Kontrast zu den alten Räumlichkeiten präsentierten sie zeitgenössische, konzeptuelle Arbeiten. Viele Künstler:innen stellten dort zum ersten Mal aus. Hauer füllte damit nicht nur eine Lücke im Wiener Kulturbetrieb der 1960er-Jahre, sondern öffnete ein Fenster zur Welt. Denn lange bevor Globalität selbstverständlich war, zeigte sie Werke aus dem Ostblock, aus Indien und Japan.

Als einzige Frau unter männlichen Galeristen konnte sich Christa Hauer durchsetzen und gewann an Prestige und Presseecho. Doch nach 11 Jahren und 122 Ausstellungen musste Hauer die Galerie aus finanziellen Gründen schließen.
Schloss Lengenfeld: Ein offenes Haus
1971 zog Christa Hauer weiter – ins Schloss Lengenfeld unweit von Krems. Dort entstand ein Kulturzentrum, das weit über Niederösterreich hinausstrahlte. Ausstellungen, Konzerte, Symposien, Literaturabende: das Schloss wurde zu einem lebendigen Treffpunkt. Mithilfe von virtuellen Rundgängen gewinnen Besucher:innen der Landesgalerie Niederösterreich einen Einblick ins Schloss Lengenfeld. Feste, bei denen Jazzbands spielten, diskutiert und getanzt wurde, dürfen wieder aufleben.
„Ganz Lengenfeld hat gestaunt. Jeder war eingeladen. Sie hatte ein offenes Haus“, erzählt Melitta Scheutz, Bewohnerin von Lengenfeld.
Viele Projekte, die Hauer in Lengenfeld realisierte, hatten eine gesellschaftspolitische Dimension. Die Aktion „Schönes Lengenfeld – Anatomie eines Ortes“ etwa widmete sich der Gestaltung des Dorfes, um rücksichtsloser Modernisierung entgegenzuwirken. 1980 folgte die Vogelscheuchen-Aktion, bei der Hauer Fantasie-Vogelscheuchen auf einem Feld aufstellen ließ – ein Protest gegen den Einsatz von Gift und Schussapparaten in der Landwirtschaft. Die Aktionen waren partizipativ: Dorfbewohner:innen und Kinder sollten sich genauso einbringen, wie Künstler:innen aus Hauers Umfeld.
Die Aktivistin
Christa Hauer wurde zu einer Pionierin des feministischen Engagements in der Kunst. 1977 gehörte sie zu den Gründerinnen von IntAkt, der Internationalen Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen, und übernahm als erste Vorsitzende eine Schlüsselrolle. Der Zusammenschluss entstand aus Protest gegen die Ungleichbehandlung von Künstlerinnen in Ausstellungen, bei Juryentscheidungen und in Institutionen. Hauer und ihre Mitstreiterinnen machten diese Missstände öffentlich.
Ein frühes, aufsehenerregendes Projekt war zum Beispiel die Leintücher-Aktion (1978) im Schloss Lengenfeld. Gemeinsam mit Künstlerinnen von IntAkt griff Hauer Tabuthemen wie Geburt, Menstruation, Sexualität und Tod auf. Weiße Leintücher wurden im Rahmen dieser Themen gestaltet und im öffentlichen Raum gezeigt. Die Reaktionen waren heftig: Manche Arbeiten wurden zerstört oder von Amts wegen entfernt.

Einige der Leintücher der IntAkt-Künstler:innen sind Teil der Ausstellung in der Landesgalerie Krems. // Credits: Kunstmeile Krems, Foto: Walter Skokanitsch
Was von Christa Hauer bleibt
Christa Hauer prägte nicht nur die Kunstszene Wiens, sondern auch die Kulturlandschaft Niederösterreichs. Das Schloss Lengenfeld vermachte sie samt ihrer Kunstsammlung dem Land.
Freund:innen und Bekannte erinnern sich in der Ausstellung an eine charismatische Frau:
„Sie war sehr intelligent. Sie war intellektuell. Sie war fröhlich und stark“, führt Künstlerin Margot Pilz aus.