Der Chef des Lebensmittel-Konzerns REWE, Marcel Haraszti, fordert im Standard-Interview eine Ausweitung der Geschäfts-Öffnungszeiten, will den Arbeitnehmerschutz einschränken und positioniert sich als fairer Fleischabnehmer gegenüber Landwirten. Und das alles als Boss eines der wenigen Unternehmen, die von der Corona-Pandemie profitieren. Schließlich hatte der Lebensmittelhandel während der Krise durchgehend geöffnet.
Jammern trotz dem umsatzstärksten Jahr
REWE-Chef Marcel Haraszti beschwert sich über die Investitionen, die sein Unternehmen in der Krise tätigen musste: Desinfektionsmittel, Trennwände, Schutzmasken und mehr Personalkosten, weil das Geschäft so gut läuft. Die Lebensmittel-Branche zählt zu den wenigen Wirtschaftszweigen, die das Jahr 2020 mit einem satten Umsatzplus abschließen können. Essen und Trinken wird in der Krise verstärkt gekauft, die Geschäfte der REWE-Gruppe waren von den Schließungen des Handels nie betroffen. Trotzdem beschwert sich ihr Boss.
Zynisch. Viele andere Branchen hatten die gleichen Ausgaben, mussten aber mittlerweile den zweiten Lockdown durchhalten (ohne Kundschaft) und viele Angestellte gar entlassen – nicht zu vergessen: Hotellerie und Gastronomie sind weiterhin geschlossen. Aber der REWE-Chef rühmt sich im Interview mit der Tageszeitung Standard noch der gezeigten Solidarität: Man habe ja im ersten Lockdown aus Solidarität zu den Non-Food-Händlern auf Spielzeug und Co verzichtet. Stimmt…fast. Die kolportierte Solidarität basierte auf einer Verordnung, die es dem Lebensmittelhandel untersagte, Spielzeug zu verkaufen.
Darfs ein bisserl mehr sein?
Selbstverständlich könnte man das umsatzstärkste Jahr inmitten einer Weltwirtschaftskrise mit einem Lächeln und stiller Bescheidenheit abschließen. Oder man fordert aus reiner Profitgier mehr. Wie wär´s denn mit einer kompletten Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten?
Den beklatschten Heldinnen und Helden des ersten Lockdowns würde das bestimmt gefallen. 70 Prozent aller Angestellten im Lebensmittelhandel sind Teilzeitbeschäftigte. Davon sind rund 80 Prozent Frauen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: veraltete Rollenbilder, Kinderbetreuungspflichten und sonstige zu leistende sogenannte Care-Arbeit. Erweiterte Öffnungszeiten würden den Druck somit vor allem auf Frauen erhöhen – gestaltete sich die Suche nach berufsfreundlichen Kinderbetreuungsplätzen schon vor Corona als mehr als schwierig.
Faires Fleisch zu fairen Preisen
Kleine und mittelständische Landwirte haben es in Österreich mehr als schwer. Nicht nur das große Lebensmittelketten Fleisch und andere landwirtschaftliche Produkte zu Dumpingpreisen verschleudern, wirkt der Druck der großen Agrarindustrie und Banken auf Landwirte. Erst Anfang Dezember stand der „Wutbauer“ Christian Bachler kurz davor sprichwörtlich Haus und Hof zu verlieren. Nur aufgrund eines Spendenaufrufs von Falter-Chefredakteur Florian Klenk konnten seine Schulden getilgt werden.
Direkt gemein wirkt da die Aussage Harasztis, die REWE-Gruppe habe einen „korrekten, fairen Umgang mit Landwirten“. Im Billa-Flugblatt von 10.12.-16.12. lässt sich der faire und korrekte Umgang finden: Das Kilo Schweineschopf wird mit 5.99€ verschleudert, bei Penny um gerade einmal € 4.99.
Arbeitszeitverkürzung für ein bisserl mehr als nur ein Radl Extrawurst
Es stimmt, den klassischen „9-to-5 Job“ gibt es immer seltener, oftmals schafft man es nur kurz vor Ladenschluss hinein. Mehr Zeit zum Einkaufen, die Schaffung von mehr Lebensqualität bei gleichzeitiger Senkung der Arbeitslosigkeit kann etwa durch eine Arbeitszeitverkürzung geschaffen werden. Modelle zur 35-Stunden-Woche haben unter anderem die Gewerkschaften vida und GPA bereits vorgelegt.
Gerade Interviews wie jene des REWE-Chefs bekräftigen: Auch in weiterer Zukunft benötigen wir eine starke und schlagkräftige Gewerkschaftsbewegung. Nur eine solidarische Arbeitnehmerschaft kann gemeinsam gegen die Profitgier von Konzern- und Vorstandsbossen auftreten. Dann kann es auch für alle ein bisserl mehr sein als nur ein Radl von da Extrawurst.