Niederösterreich

Egon Schiele: Ein Leben zwischen nackten Körpern, Kontrolle und Krisen

Der Niederösterreicher Egon Schiele ist gerade einmal 20 Jahre alt, als seine Kunst öffentliches Aufsehen erregt. Seine Werke zeigen keine perfekte Welt, sondern Menschen, so wie sie sind. Nackte Körper, ungewöhnlichen Posen und ein schockierender Realismus werden trotz seiner kurzen Schaffenszeit zu seinem Markenzeichen. Dass er vor allem junge Mädchen zeichnet, bleibt bis heute nicht ohne Kritik. 

Schiele kommt am 12. Juni 1890 im Bahnhofsgebäude der Stadt Tulln an der Donau zur Welt. Schon früh zeigt er großes zeichnerisches Talent. Weil sein Onkel Leopold Czihaczek ihn fördert, kann er es schon in jungen Jahren ausleben.

Egon Schieles Aufschwung als Künstler

Er geht nach Wien, um Kunst zu studieren, verlässt aber wegen einer Auseinandersetzung mit einem konservativen Lehrenden die Akademie nach zwei Jahren wieder. Schiele geht seinen eigenen Weg – sowohl künstlerisch als auch persönlich.

Bildcredits by Wikimedia Commons

Aber der nächste Umbruch wartet nicht: Wien wird für Schiele nach mehreren Jahren seines Schaffens ein Klotz am Bein. Er beschließt, seinen künstlerischen Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten in Niederösterreich und im heutigen Tschechien, nachzugehen. Immer wieder fällt er durch die Anwerbung, sehr junger Modelle auf. Ein Umstand, den Kunstliebhaber:innen bis heute kontrovers sehen.

1912 wird er wegen seiner erotischen Zeichnungen sogar verhaftet. Obwohl er nach 24 Tagen im Gefängnis freigesprochen wird, prägt der Vorfall sein öffentliches Image. 1915 heiratet er Edith Harms und wird kurz darauf zum Militär eingezogen. Während des Ersten Weltkriegs bleibt er künstlerisch produktiv.

Egon Schieles Bild: „Der ausgestreckte Arm“ – Nähe suchen, Distanz zeigen

Eines der bekanntesten Werke Egon Schieles ist das Selbstporträt „mit ausgestrecktem Arm“. Er blickt direkt in die Augen der Betrachter:innen.

Egon Schiele, „Selbstporträt mit ausgestreckten Armen“, via Wikimedia Commons

Das Bild wirkt unangenehm aber auch auf eine gewisse Weise ehrlich und rein. Es macht sichtbar, wie sehr sich Schiele mit sich selbst und seinem Körper auseinandersetzt. Viele seiner Selbstporträts zeigen ihn nicht als den „starken Künstler“, sondern als verletzlichen Menschen. Vieles erscheint unfertig und verdeutlicht die Verletzlichkeit des Malers.

Egon Schieles Blick auf das Menschliche

Sexualität ist ein zentrales Thema in Schieles Werk. Er zeigt Körper nackt, oft in expliziten Posen. Er interessiert sich dabei weniger für die Schönheit des Körpers an sich, als viel mehr für Fragen von Spannung, Macht und Abhängigkeit. Viele seiner Modelle sind junge Frauen, manche kaum volljährig – ein Umstand, der damals wie heute Kritik auslöst.

Egon Schiele, Public domain, via Wikimedia Commons

Heute wird sein Werk zwar nicht mehr kriminalisiert, kontrovers bleibt es trotzdem. In einer Gegenwart, in der sexuelle Inhalte allgegenwärtig sind, wirkt Schieles schonungslose Offenheit unangenehm. Seine Zeichnungen stellen Fragen nach den Grenzen zwischen Kunst und Übergriff, Ausdruck und Ausbeutung. Wenn man die Kunstwerke Schieles betrachtet, hat man oft den Anschein, dass sie nicht gefallen wollen. Seine Werke sollen nicht als Dekoration, sondern als subversive Auseinandersetzung mit Schönheit und Hässlichkeit gesehen werden. 

Schieles Tod – ein leiser Abschied

Mit nur 28 Jahren stirbt Egon Schiele am 31. Oktober 1918 an der spanischen Grippe. Kurz davor scheidet bereits seine, im sechsten Monat, schwangere Frau Edith Schiele dahin. Sein Tod fällt in eine Zeit der Umbrüche: der erste Weltkrieg endet, das Habsburgerreich zerbricht. Österreich wird zur Republik. Er hinterlässt ein Werk, das nachfolgende Künstlerinnen und Kunstliebhaber bis heute in Spannung versetzt. Ob Ekel, Scham, Wut oder Ohnmacht – sein Werk ruft wirklich bei jedem eine Assoziation hervor.

Wo kann man Egon Schieles Werke sehen?

Die Werke von Egon Schiele werden in Wien unter anderem im Leopold-Museum und der Albertina ausgestellt. Das Leopold-Museum beherbergt 44 Gemälde, über 200 Aquarelle, Zeichnungen und Drucke sowie zahlreiche Schriften. Diese immense Anzahl an Kunstwerken macht das Leopold-Museum zur größten und bedeutendsten Schiele-Sammlung der Welt.

Moritz Hofmann

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