Je länger die Ermittlerinnen und Ermittler graben, desto tiefer scheint der mutmaßliche türkise Korruptionssumpf zu sein. Diese Woche wurde Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin verhaftet. Einer der neuen Vorwürfe: Karmasin soll sich durch illegale Preisabsprachen mit Steuergeld bereichert haben. In einem anderen Fall soll sie Gelder über das Unternehmen ihres Mannes sogar gewaschen haben.
Je länger die Ermittlungen rund um die ÖVP-Umfragen-Affäre andauern, auf desto mehr mutmaßlich korrupte Vorgänge im türkisen Umfeld scheinen die Ermittlerinnen und Ermittler zu stoßen. Neu ausgewertete Handy-Chats oder Befragungen von Beschuldigten öffnen die Türen zu immer mehr Ermittlungssträngen. Man könnte sich durchaus die Frage stellen: Hat dieses Fass überhaupt einen Boden?
Diese Woche ließ die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die ehemalige ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin verhaften. Durch die 44-seitige Festnahme-Anordnung wurden neue Vorwürfe gegen die Ex-Ministerin bekannt. Karmasin soll nicht nur das „Mastermind“ hinter der türkisen Umfragen-Affäre sein, sondern sich auch durch illegale Preisabsprachen mit Steuergeld bereichert haben.
Es gilt – wie immer – die Unschuldsvermutung.
Die WKStA ermittelt, das geht aus der Festnahme-Anordnung hervor, gleich wegen vier Verdachtsfällen gegen Karmasin: Wegen Untreue, Bestechung, Geldwäscherei sowie wegen „wettbewerbsbeschränkenden Absprachen“ – also illegalen Preisabsprachen.
Vor allem der letzte Vorwurf ist gänzlich neu. Karmasins Unternehmen hat zwischen 2019 und 2021 drei Studien für das Sportministerium um rund 200.000 Euro durchgeführt. Alle drei Aufträge wurden offiziell ausgeschrieben – und jedes Mal bekam Karmasin den Zuschlag. Die WKStA vermutet: Dafür hat die Ex-ÖVP-Ministerin zu illegalen Preisabsprachen gegriffen.
Karmasin soll ihre ehemalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab sowie eine weitere Meinungsforscherin dazu gebracht haben, teurere Angebote für das Sportministerium zu legen. So war sichergestellt, dass das beste Angebot immer von Karmasins Unternehmen kam. Im Gegenzug soll Karmasin dann Sub-Aufträge an die beiden Meinungsforscherinnen vergeben haben, die ihr mit den teuren Fake-Angeboten halfen.
In einem E-Mail von Sophie Karmasin an Sabine Beinschab, aus dem Ö1 zitiert, klingt das so:
„Liebe Sabine, ich bräuchte bitte deine Hilfe für ein Angebot. Habe ein Angebot beim Sportministerium gelegt über 80 qualitative Interviews, bei denen du dann klarerweise auch beteiligt bist. Es sieht gut aus, aber sie bräuchten Vergleichsangebote.“
Neben Beinschab bestätigt später auch die zweite involvierte Meinungsforscherin in einem Geständnis gegenüber den Ermittlern, dass sie Karmasin mit Scheinangeboten geholfen habe, berichtet „Der Standard„. Dabei ging es laut ihrer Aussage nicht nur um die staatlichen Aufträge aus dem Sportministerium, sondern auch um zwei Angebote für private Auftraggeber. Diese hätten aus formellen Gründen weitere Angebote benötigt, obwohl im Vorhinein schon klar war, das Karmasins Unternehmen den Zuschlag erhält.
Neu ist auch das Ausmaß, in dem Ex-Ministerin Karmasin laut WKStA an der Umfragen-Affäre beteiligt sein soll. Die Justiz ermittelt seit Herbst 2021, der Verdacht: Eine Truppe in der ÖVP soll Studien für die eigene Partei bei Meinungsforscherin Sabine Beinschab beauftragt haben, dann aber vom Finanzministerium mit Steuergeld bezahlt haben lassen. Die Studienergebnisse sollen in weiten Teilen gefälscht gewesen und dann in der Zeitung „Österreich“ veröffentlicht worden sein.
Die Staatsanwaltschaft vermutet jetzt: Karmasin sei die Urheberin dieses „Beinschab-Österreich-Tools“ gewesen.
Und die türkise Ex-Ministerin dürfte davon auch finanziell kräftig profitiert haben. Meinungsforscherin Beinschab gestand, dass Karmasin für jede vermittelte Umfrage 20% Provision kassierte. Das Geld sei an das Unternehmen von Karmasins Mann überwiesen worden – auf Basis von Scheinrechnungen. Das würde den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllen.
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