Foto von Brian Matangelo auf Unsplash
Nächste Saison werden unzählige Freibäder in Niederösterreich ihre Preise drastisch erhöhen müssen – um 15-20 Prozent. Das bestätigt Harald Gölles, Sprecher der niederösterreichischen Bäderbetriebe in der Wirtschaftskammer NÖ. Ob in Aggsbach, Himberg, Mödling oder Tulln: Droht vielerorts der Badeschluss? Wir haben nachgefragt.
// Diese Recherche entstand in einer Kooperation mit der Crowdfunding-Plattform Kollektor. //
Niederösterreichs Freibäder kämpfen um’s Überleben. Öffentliche Bäder sind naturgemäß Verlustgeschäfte, momentan ist es aber besonders schlecht um das Budget der 573 Gemeinden in Niederösterreich bestellt. Um die 130 Freibäder ist deshalb eine Spardebatte entflammt. Rettungsreifen scheint keiner in Sicht.
Schon in dieser Saison musste das Bergbad in Hainburg (Personalmangel) und das Freibad in Schönberg am Kamp (Hochwasserschäden) geschlossen bleiben. Auch das in die Jahre gekommene Mandlgupfbad in Pöggstall sperrt nie wieder auf. In Zukunft droht es, weitere Freibäder zu treffen.
“Seit Jahren haben nahezu alle Freibäder einen Personalmangel. In der Wirtschaftskrise spitzt sich der immer mehr zu. Die Energiekosten sind auch enorm gestiegen. Und dann wird die Finanzierung über die Eintrittspreise immer schwieriger”, erzählt Harald Gölles, Sprecher der Bäderbetriebe in der Wirtschaftskammer NÖ.
Ein gemeinsamer Hilferuf der Bürgermeisterinnen aus Mödling (SPÖ) und Perchtoldsdorf (ÖVP) zeigt drastische Zahlen: Mehr als 4,5 Millionen Euro müssen die beiden Gemeinden insgesamt jährlich zuschießen, um ihre Freibäder zu erhalten.
Der Hauptgrund für diese Entwicklung: Niederösterreichs Gemeinden trifft ein österreichweiter Trend. Laut einer Untersuchung des Zentrums für Verwaltungsforschung ist jede zweite österreichische Gemeinde defizitär.
“Die Prognose zeigt, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren weiter verschärft“, sagt Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ. Die Bundesregierung erwartet im Finanzplan daher von Gemeinden, dass diese ihre Ausgaben deutlich reduzieren. Weil Freibäder ein Loch in die Gemeindebudgets reißen und es sich um keine kritische Infrastruktur handelt, liegt der Verdacht nahe, dass viele Gemeinden dort als Erstes sparen werden. Es dürfte also weiter eng werden für Niederösterreichs Freibäder.
Als erste Konsequenz erhöhen viele Freibäder die Ticketpreise.
“Ich habe gehört, dass manche Bäder in der nächsten Saison die Preise zwischen 15 und 20 Prozent erhöhen werden”, sagt Harald Gölles.
Eine Anfrage beim Aubad in Tulln bestätigt die Aussage: “Die Stadtgemeinde Tulln befindet sich wie fast alle Gemeinden mitten in einem Budgetkonsolidierungsprozess. Eine von vielen Auswirkungen ist, dass die Eintrittspreise mit 2026 um 25 Prozent erhöht werden”, sagt Christian Holzschuh, Abteilungsleiter Sport, Freizeitbetriebe und Veranstaltungsmanagement der Gemeinde Tulln. Doch diese Entwicklung ist kritisch: Mit höheren Ticketpreisen geben die Freibäder den Kostendruck einfach an die Gemeindebevölkerung weiter. Das ist mindestens ungerecht und löst vielleicht auch gar nicht das Problem: Gehen wegen der höheren Ticketpreise weniger Leute ins Freibad, fehlt wieder das Geld.
In Tulln rechnet man aber nicht damit. “Wie sich die höheren Ticketpreise auswirken werden, lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht sagen. Wir rechnen aber mit annähernd gleichbleibenden Besucherzahlen”, meint Christian Holzschuh.
Eine Preisanalyse der Niederösterreichischen Arbeiterkammer zeigt: Ein Tag in einem niederösterreichischen Freibad kostet zwischen 3 Euro und 21,50 Euro. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden sind also groß. Wer in Aggsbach, Els oder Weiten ins Freibad geht, zahlt bei einer Preiserhöhung um 20 Prozent also verschmerzbare 60 Cent mehr. Im Solebad Göstling würde ein Ticket dann aber 4,30 Euro mehr kosten als bisher. Auch diese starken Unterschiede je nach Wohnort sind nicht fair für die Bevölkerung.
Dass höhere Ticketpreise keine gute Lösung sind, zeigt außerdem ein Gespräch mit Mehmed Alajbeg, Leiter des Stadtbades Mödling: “Wenn wir bei einem Preis von 10 Euro um 20 Prozent erhöhen und gleich viele Leute kommen, nehmen wir vielleicht 100.000 Euro mehr in der Saison ein und haben dann 900.000 Euro Umsatz. Wir haben dann aber trotzdem noch einen Abgang von 2,5 Millionen Euro, also ein Minus von 1,6 Millionen Euro. Das bringt nichts.”
Wie schwierig das Bäder-Business ist, zeigen auch die Zahlen aus Himberg: 28.000 Gäste kommen pro Saison ins kleine Waldbad und trotzdem macht die Gemeinde damit ein Minus von 150.000 Euro. Und gleichzeitig steigen die Kosten jedes Jahr um 10 Prozent. Für Mehmed Alajbeg, der auch für die SPÖ im Mödlinger Gemeinderat sitzt, ist trotzdem klar: Dieses Verlustgeschäft muss sich eine Gesellschaft leisten:
„Die Leute, die Bäder zusperren möchten, haben Pools zuhause oder können sich Urlaube leisten. Für die ohne Balkon zuhause ist das Freibad aber ein ganz wichtiger sozialer Ort. Sollen Kinder aus diesen Familien dann im Bach schwimmen lernen?”
Fehlende Schwimmkenntnisse bei Kindern und Jugendlichen sind tatsächlich jetzt schon ein Problem. Laut der aktuellen Schwimmstudie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit können 10 Prozent der 5- bis 19-Jährigen in Österreich nicht schwimmen. Hinzu kommen rund 76.000 Kinder und Jugendliche, die nur unsicher schwimmen können. Der Grund: fehlende Infrastruktur.
Amalie Pölzer: Wer war die Namensgeberin des Amalienbads?
Doch wenn höhere Ticketpreise keine Lösung für die angespannte Lage sind: Was braucht es dann? “Ich bin niemand, der politische Maßnahmen fordert. Doch eine öffentliche Förderung für die hohen Energiepreise oder Steuererleichterungen finde ich natürlich gut. Im Übrigen auch für die Hallenbäder, die haben ja noch mehr Energieaufwand”, ergänzt Harald Gölles.
Worum Niederösterreich gerade ringt, hat Tirol 2024 umgesetzt. Auf eine Bäderstudie folgte ein Bädertopf in der Höhe von 75 Millionen Euro – wovon 25 Millionen Euro Gemeinden und Tourismusverbände übernehmen. Das Geld steht für Sanierungen und den laufenden Betrieb zur Verfügung, aber auch für Neubauten. Zentral dabei: Eine Förderung für Schwimmkurse von Schulen und Kindergärten.
Fest steht: Die Politik ist zum Handeln gezwungen. Die Frage ist nur, wie sie handelt. Die Diskussion ist alt, doch der Überlebenskampf der niederösterreichischen Freibäder spitzt sich in der Wirtschaftskrise immer mehr zu. Ohne politische Hilfe droht Niederösterreich bald ein großflächiges Bädersterben.
E-Bus statt Privatjet: Seit Anfang Mai düsen neue, nachhaltige E-Busse durch Steyr. In den nächsten…
Von 2014 bis 2020 bekam Kärnten knapp 1 Milliarde Euro an EU-Förderungen. Damit konnte das…
Werft Korneuburg: Menschen sitzen am Ufer, die Füße im Wasser, Kinder lassen kleine Boote treiben,…
Wenn man die Bundeshauptstadt Wien ausklammert und alle übrigen acht Bundesländer vergleicht, hat Niederösterreich den…
Reichraming: Als Kind liest Michael Schwarzlmüller Karl May-Romane und schaut Westernfilme. Als Erwachsener bietet er…
Hätten Sie gewusst, dass das Amalienbad am Reumannplatz nach der 1. weiblichen Gemeinderätin von Favoriten…