Niederösterreich

Alfred Riedl muss gehen: ÖVP-Bürgermeister von Grafenwörth und Gemeindebundchef kassierte bei Grundstücksdeals mit

Grafenwörths Bürgermeister Alfred Riedl war sich für nichts zu schade: Für exklusive Luxusimmobilien am Ortsrand ließ er Gemeindeflächen umwidmen. Am Ende kassierte er dabei selbst mindestens eine halbe Million Euro. Im Juli musste Riedl wegen fragwürdiger Grundstücksdeals seine Funktion als Gemeindebundchef ruhend stellen, nun muss er endgültig abdanken.

// Dieser Artikel erschien am 4. Juli 2023 und wurde am 20. Februar 2024 aktualisiert neu veröffentlicht. //

Der ÖVP-Bürgermeister und vormals mächtiger Gemeindebundpräsident verdiente sich an einem Luxus-Wohnresort vor der eigenen Haustür eine goldene Nase. Und zwar auf Kosten aller: An den Ortsgrenzen seiner Heimatgemeinde ließ er für 207 Luxus-Wohnungen mit Privatsee-Zugang wertvollen Boden versiegeln.

Boden, der zum Teil einmal ihm gehörte und der ihm insgesamt rund 476.000 Euro eingebracht hat. Die künstlich geschaffene „Oase“ erinnert nicht nur optisch an ein kleines Dubai. Berichten zufolge soll die Vergabe der Gründe zwar rechtlich korrekt gewesen, moralisch aber höchst fragwürdig sein.

Bis zum bitteren Ende: Riedl bei Gemeindebundsitzung vor Rücktritt?

Der ÖVP-Politiker hat seit Sommer 2023 sämtliche Vorwürfe rund um die Grundstücksdeals zurückgewiesen. Sein Amt als Chef des Gemeindebundes musste er aufgrund öffentlicher Kritik – und schließlich auch durch Druck aus den eigenen Reihen – ruhend stellen. Eine Statutenreform im Gemeindebund machte zuletzt die Abwahl eines Präsidenten möglich. Am 26. Februar findet die nächste Sitzung statt. Fraglich ist, ob Riedl dort selbst zurücktritt oder von den Mitgliedern des Gemeindebundes abgewählt werden muss.

Der Landesrechnungshof hat seit Sommer des Vorjahres die Grundstücksdeals der Gemeinde Grafenwörth zwischen 2008 und 2023 untersucht. 109 An- und Verkäufe und dafür erforderliche Umwidmungen hat der LRH geprüft. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Der Luxus-Bürgermeister: Wer ist Alfred Riedl?

Alfred Riedl ist ein ÖVP-Urgestein. Seit 1990 regiert er die etwas mehr als 3.000-Einwohner-Gemeinde Grafenwörth im niederösterreichischen Bezirk Tulln. 20 Jahre lang war er Landtagsabgeordneter in Niederöterreich. Seit März 2017 ist er Chef der größten Interessensvertretung der österreichischen Gemeinden – dem Gemeindebund. Riedl ist gut vernetzt, hat viel Einfluss. Auch im eigenen Ort ist das kaum zu verkennen.

Im Gemeinderat in Grafenwörth stellt er mit seiner Partei nicht nur den Bürgermeister, auch der Vizebürgermeister-Sessel ist fest in der Hand der ÖVP. Für das Wohnprojekt am Wasser, an dem er ordentlich mitverdiente, dürfte wohl nicht viel Druck von Riedls Seite nötig gewesen sein. Die nötigen Umwidmungen, die Kataster-Änderungen: Mit ÖVP-Mehrheit recht einfach zu erledigen.

Dass beim „Sonnenweiher“ auf große Teile der örtlichen Bevölkerung vergessen wurde, ist daher wohl genau so wie sein fetter „Zuverdienst“ auch nur ein zufälliges Nebenprodukt. Das spiegelt sich dafür – wenn schon nicht in der Wasseroberfläche des mäanderförmigen Kunst-Sees – umso deutlicher in der Größe der öffentlichen Liegewiese wider.

Etwas mehr als 7000 Quadratmeter ist ein Fußballfeld groß. 460 Quadratmeter misst die für alle Grafenwörtherinnen und Grafenwörther zugängliche öffentliche Badewiese am Wohnprojekt „Sonnenweiher“. Damit ist sie nicht einmal so groß wie der Strafraum eines Fußballfeldes. Für 3000 Einwohner:innen in Grafenwörth wohl ein bisschen zu klein geraten.

Riedls Grundstücks-Deal: So kam es zum Wohnprojekt, das keiner braucht

Wie die NeueZeit schon 2021 berichtet hat, war die Fläche, auf der nun das Mega-Bauprojekt entsteht, über viele Jahre als Ackerland gewidmet. Um dort bauen zu können, musste die Gemeinde die Fläche erst umwidmen. Im Jahr 2017 wurde zuerst die Siedlungsgrenze im Osten der Gemeinde aufgehoben. Im Juni 2018 verschob die Gemeinde die Grenze der Kastralgemeinde, die sich durch den heutigen Sonnenweiher zog – und einen Bau verunmöglicht hätte. Der ÖVP-dominierte Gemeinderat segnete die Umwidmung von Acker- in Bauland schließlich problemlos ab.

Doch wem gehörte die Fläche, bevor der Bauträger sie kaufte? Riedl behauptet er hätte Teile der Fläche von seiner Frau geerbt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, wie auch Profil und „Krone“ berichteten.

„Riedl hat den Großteil der vier Gründe, die er 2019 an die Projektentwickler veräußerte, zuvor selbst gekauft oder ersteigert; und nicht geerbt,“ schreibt das Profil schon 2021.

Nach der Umwidmung in Bauland konnte Riedl seine nun wertgesteigerte Fläche um 476.000 Euro an die verantwortlichen Baufirmen verkaufen. Der ÖVP-Bürgermeister machte also fast eine halbe Million Euro Gewinn mit einem Grundstücks-Deal, den er im Namen der Gemeinde Grafenwörth selbst vorangetrieben hat.

Ohne Auto geht nix – Verkehrs- und Raumplaner schütteln den Kopf

Das künstliche „zweite“ Dorf von Grafenwörth ruft nicht nur bei Teilen der Ortsansässigen Unverständnis hervor. Die WienerZeitung sprach mit Verkehrs- und Raumplanern, mit Hydrologen und Klimaschützern. Alle sind der Meinung: zukunftsweisende Wohnprojekte sehen anders aus.

Das Wohnprojekt „Sonnenweiher“ liegt direkt an der Stockerauer Schnellstraße. Ausreichend öffentliche Verbindungen: Fehlanzeige! Auch der künstlich angelegte Folienteich – „der größte Europas“, wirbt der Bauträger – ist alles andere als klimafreundlich. Laut Hydrologen verdunsten im Jahr rund 30.000 Kubikmeter Wasser. Das ist in etwa so viel, wie die Regenschauer, die beispielsweise den Neusiedlersee heuer im Frühling um rund 14 cm anstiegen ließen. Also eine ordentliche Menge. Naturseen haben meist Zuflüsse, die den See mit Wasser speisen. Im Sonnenweiher müsste man dem See Wasser durch einen Brunnen zuführen. Denn der Kunstsee würde durch Regen allein nicht voll bleiben können.

Apropos „voll“. Was beim Sonnweiher ebenfalls fraglich ist: Wird man alle Wohneinheiten voll besetzen können oder bleiben am Ende einige der teuren Immobilien Leerstand? Derzeit sind nicht einmal ein Viertel der Wohnungen vergeben.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

Ähnliche Artikel

  • Politik

20 Jahre Fixstrom-Garantie in Trumau: Über 1.370 Menschen bilden größte Energiegemeinschaft Österreichs

20-jährige Fixstrom-Garantie überzeugte bereits mehr als 600 Mitgliedshaushalte: In Trumau gibt es seit Juli 2024…

2. Dezember 2024
  • Oberösterreich

Tatort Gemeindeamt: Jede 2. Gemeinde in OÖ könnte 2025 vor finanziellem Ruin stehen

Der Krimi um die Gemeindefinanzen in Oberösterreich will einfach nicht enden. Jede zweite Gemeinde könnte…

29. November 2024
  • Wirtschaft

Von Millionenhilfen zu Massenkündigungen: Wie KTM in die Insolvenz fuhr

KTM, Europas größter Motorradhersteller, ist insolvent. Das Unternehmen, geführt von ÖVP-Unterstützer Stefan Pierer, kämpft bereits…

29. November 2024
  • Wissen

Esperanto: Eine Friedenssprache erobert die Welt

Eine Sprache der Hoffnung und für den Frieden: die möchte Ludwik Lejzer Zamenhof den Menschen,…

28. November 2024
  • Steiermark

50 Euro für Muttermal-Vorsorge: Steirische Patient:innen müssen plötzlich zahlen

In der Steiermark verlangen manche Hautärzt:innen seit Juli 50 Euro für die Ganzkörperkontrolle von Muttermalen…

27. November 2024
  • Oberösterreich

Arbeitgeber filmt Sporttrainerin in Umkleide! AK erkämpft 7.000 Euro Schadensersatz für die Betroffene

In Oberösterreich filmt der Betreiber eines Fitnessstudios eine Sporttrainerin heimlich in der Umkleidekabine. Sie bemerkt…

25. November 2024