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Für den eigenen Machterhalt: Die ÖVP missachtet geltende Gesetze an den Grenzen

Bild: Kontrast.at

Die Situation für Schutzsuchende an der bosnisch-kroatischen Grenze ist katastrophal. Die ÖVP arbeitet aktiv daran, dass das so bleibt – und bedient sich dabei illegaler Praktiken.

Kommentar von Paul Stich (Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich),
Rihab Toumi (SJ Wien Vorsitzende),
Felix Schmid (SJ Steiermark Vorsitzender).

Die AutorInnen besuchten die EU-Außengrenze in Bosnien.

Wir wurden in eine Zeit hineingeboren, in der wir Krieg und Vertreibung in und aus Österreich nur aus den Geschichten unserer Großeltern kennen. Vergangene Woche waren wir zu einem Lokalaugenschein an der bosnisch-kroatischen Grenze, der Außengrenze der EU. Wir trafen Menschen, die bei der Geburtenlotterie weniger Glück hatten als wir und ihre Heimat verlassen mussten.

Etwa Raheb, der mit seiner Familie und seinen Kindern vor den Taliban fliehen musste, weil er als Übersetzer für die deutsche Bundeswehr arbeitete. Seit zwei Jahren leben Raheb und seine Familie im bosnischen Grenzgebiet in den Resten einer Hausruine, ohne Wasser und Kanalanschluss, quasi im Dreck.

So müssen die Menschen im bosnischen Grenzgebiet leben, auch wegen der EU-Grenzpolitik der ÖVP.
So müssen die Menschen im bosnischen Grenzgebiet leben. // Foto: David Pichler

Oder Mustafa, der uns durch eine eingestürzte Fabrik führte, in der viele Schutzsuchende Unterschlupf gefunden haben. Unter Bedingungen, die wir zwar auf Fotos gesehen haben, die in der Realität jedoch ein Schock waren.

Und wir trafen Zemira, die die Leiden des Bosnienkrieges am eigenen Leib erfahren musste. Heute sammelt sie alte Kleidung, Medikamente und Essen, das sie verteilt. Es sind Leute wie Zemira, die hinschauen, wo alle anderen – vom bosnischen Staat bis zu den Regierungen der EU – wegschauen. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wer mit den Menschen vor Ort spricht, erkennt sofort ein Muster: Kroatien, Slowenien, Italien, Österreich und die anderen EU-Staaten in Reichweite haben nicht die Absicht, den Schutzsuchenden Asylverfahren zu gewähren.

Wer von der Polizei aufgegriffen wird, dem werden Handys, Geld und oft auch die Kleidung abgenommen. Es folgen meist Schläge und Misshandlungen, bevor die Schutzsuchenden nach Bosnien zurückgebracht werden – man spricht von sogenannten “Pushbacks”. Alleine Raheb erlebte nach eigenen Angaben bereits mehr als zehn solcher Pushbacks. Wir reden hier also von keinen Einzelfällen, sondern von einem System.

Ein dreckiges Zelt - im Grenzgebiet oft das zu Hause für mehrere Monate
Ein dreckiges Zelt – für Menschen im Grenzgebiet oft das zu Hause für mehrere Monate. // Foto: David Pichler

Österreich auf dem Weg in den Orbán-Staat?

Währenddessen in Österreich: Recht muss Recht bleiben, wiederholte der Innenminister wie eine Sprechpuppe, als er im Winter Schülerinnen nach Georgien abschieben ließ, die teilweise ihr gesamtes Leben in Österreich verbracht haben. Dass der Anspruch, nach den Gesetzen zu handeln, bei der ÖVP selbst teilweise eher schwach ausgeprägt ist, zeigte auch die Posse um die Aktenlieferungen von Gernot Blümel an den Ibiza U-Ausschuss.

Doch das ist noch nicht alles. Anfang Juli urteilte das steirische Landesverwaltungsgericht, dass der Pushback einer schutzsuchenden Person an der steirischen Grenze illegal war und stellte fest, dass diese Pushbacks teilweise methodisch Anwendung finden. Kurz und Nehammer missachten also geltende Gesetze.

Wir alle wären gut beraten, die ÖVP daran zu erinnern, dass Gesetze nicht nur dann gelten, wenn es ihr gerade in den Kram passt.

Denn schneller als man oft glauben mag, findet man sich sonst in einem autoritären Staat wieder, der Demokratie und Justiz untergräbt. Fragt nach in Budapest, Warschau oder Ankara.

EU-Grenzpolitik: Der ÖVP geht es nur um die eigene Macht

Das Spiel, das Kurz & Co hier spielen, ist durchsichtig. Der Kanzler verdankt seinen Aufstieg der Hetze gegen schutzsuchende Menschen. Daher hat Kurz auch kein Interesse, diese Herausforderungen wirklich anzugehen. Seit Jahren scheitern die Regierungen der konservativ dominierten EU daran, Fluchtursachen zu bekämpfen und für die Menschen, die Schutz vor Krieg, Hunger oder Verfolgung suchen, eine Lösung zu finden. Stattdessen gibt es leere PR-Floskeln und illegale Pushbacks.

Der Truppe rund um Sebastian Kurz geht es rein um ihre eigene Macht. Wer im Weg steht, wird weggeräumt. Ob dies nun Ex-ÖVP-Parteiobmann Reinhold Mitterlehner, schutzsuchende Familien im Dreck, oder die geltenden Gesetze sind, spielt keine Rolle. Das sollte für ganz Österreich Warnung genug sein. Denn eine Regierung, die Menschenrechte von Schutzsuchenden mit Füßen tritt, ist auch bereit, das mit den Menschenrechten der Österreicher*innen zu machen.

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