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Zuerst ein Zuhause, dann alles andere: So hilft Houston 25.000 Menschen aus der Obdachlosigkeit

In den letzten 10 Jahren ist die Obdachlosigkeit in Houston um 63 % gesunken. Durch das “Housing first” Konzept erhalten obdachlose Menschen eine eigene Wohnung, die an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Dadurch konnte die US-Stadt 25.000 Menschen aus der Obdachlosigkeit helfen. Mehr als drei Viertel der ehemals Obdachlosen finden so wieder zurück in die Gesellschaft.

Eine Reihe von Zelten abseits der Hauptstraße, selbstgebaute Wellblechhütten im Windschatten der großen Supermarktketten und Menschen, die in ihren Autos wohnen. Bilder, die vor allem in den großen amerikanischen Städten keine Seltenheit mehr sind. Was ist da los im Land der unbegrenzten Möglichkeiten?

San Francisco, New York und Los Angeles: Immer mehr Menschen sind obdachlos.

Jeder 14. Amerikaner ist einmal im Leben obdachlos. Viele davon nur ein paar Wochen. Mehr als 40 % der Betroffenen haben ein regelmäßiges Einkommen. Und dennoch gibt es jene, die dauerhaft kein Zuhause haben.

Manchmal stecken traumatische Erfahrungen, psychische Krankheiten oder eine Sucht hinter der dauerhaften Obdachlosigkeit – Gründe dafür gibt es viele. Doch auch der Anstieg an prekären Jobs, der überteuerte Wohnraum und die fehlende soziale Absicherung treibt immer mehr Menschen in die Obdachlosigkeit. Die landesweite Opioid-Krise tut ihr Übriges.  

Texas, Kalifornien, New York, Washington und Florida: 57 % der Obdachlosigkeit fällt auf diese fünf Staaten. Kein Wunder, denn Obdachlosigkeit ist zum großen Teil ein städtisches Problem. 

Im Gegensatz zu Städten wie Los Angeles, New York oder San Francisco gelang Houston jedoch die Trendwende. In den letzten 10 Jahren half die Stadt 25.000 Menschen aus der Obdachlosigkeit. Welches Konzept steckt hinter dem Erfolg?

Houstons Erfolgsrezept heißt “Housing First”: Obdachlose bekommen direkt eine Wohnung – ganz ohne Bedingungen

Im Grunde genommen ist es einfach: Obdachlose Menschen werden direkt von der Straße geholt und bekommen eine eigene Wohnung – ganz ohne Bedingungen. Es müssen keine Suchtprogramme besucht werden und auch die Jobsuche ist zweitrangig. Die Betroffenen bekommen ein neues Zuhause, etwas Sicherheit und eine zweite Chance. In den meisten Fällen reicht das schon aus: Mehr als drei Viertel der ehemals Obdachlosen finden wieder zurück in die Gesellschaft.

Finanziert wird das Programm aus einem Mix von Bundes-, Landes-, Bezirks- und städtischen Mitteln. Bis 2025 sollen weitere 100 Millionen Dollar dafür zur Verfügung gestellt werden. Houstons Bürgermeister Sylvester Turner möchte die Zahl der obdachlosen Menschen bis dahin nochmals halbieren. Die größte Herausforderung sei es, geeignete Wohnungen zu finden, so Turner. Man arbeite aber mit lokalen Organisationen und Unternehmen zusammen. 

Der “Hearth Act” der Obama Regierung verpflichtet Organisationen zur Zusammenarbeit

Vor 10 Jahren war Houston noch unter den Städten mit der höchsten Obdachlosigkeit des Landes. Obdachlose Menschen mussten im Schnitt 760 Tage auf eine Unterkunft warten und sich durch 76 bürokratische Schritte kämpfen. Heute dauert es nur noch knapp einen Monat, bis eine obdachlose Person eine Wohnung zugewiesen bekommt. Einen großen Beitrag dazu leistete der sogenannte “Hearth Act” der Obama Regierung. 

Das Gesetz greift seit 2012. Es bindet die Vergabe von Fördergelder an das “Housing First” Konzept. Weiter verpflichtet es Organisationen zur Zusammenarbeit unter einer federführenden Behörde. In Harris County (Houston) wurde die “Coalition for the Homeless” dazu ernannt. Unter ihrem Dach arbeiten mehr als 100 lokale und regionale Organisationen zusammen. Darunter Dienstleister, gemeinnützige Organisationen und Unternehmen. Auch die Obdachlosen und die Besitzer:innen der Grundstücke, auf dessen diese (über-)leben, werden mit einbezogen. Sie teilen Arbeit, Information und Fördergelder. Gemeinsam, statt in ständiger Konkurrenz. Das trage maßgeblich zum Erfolg bei. 

Das “Housing First” Konzept lindert die Symptome, heilt aber nicht deren Ursachen

Houston hat große Schritte gemacht, dennoch lindert das “Housing First” Konzept nur die Symptome, nicht aber die Ursachen. Denn in den USA führen viele Wege in die Obdachlosigkeit – nicht nur die Armut. Viele Amerikaner:innen sind nur einen winzigen Schritt von der Obdachlosigkeit entfernt: Ein Aufenthalt in der Notaufnahme oder eine plötzliche Rechnung reicht oft aus. Es fehlt ein funktionierender Sozialstaat, Auffangstellen sowie ausreichend Beratungsangebote.

Wer die Armut in Amerika bekämpfen will, muss den strukturellen Rassismus angehen, muss die Familien- und Sozialhilfe reformieren, muss die Löhne anheben und die psychische Gesundheit der Nation heilen. So schreibt es zumindest die New York Times in einer ausführlichen Reportage vor Ort in Houston. 

“Wir sind nicht hier, um das Problem der Armut zu lösen. Oder das Problem des bezahlbaren Wohnraums” sagt Ana Rausch, Vizedirektorin von “Coalition for the Homeless”. “Wir sind hier, um die Menschen von der Straße zu holen.” Zumindest das scheint zu gelingen.

Ingo Geiger

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