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Hier leben Frauen länger: Kärnten ist Österreichs erste Modellregion für geschlechtsspezifische Medizin

Beinahe 70 Prozent der Frauen, die einen Herzinfarkt erleiden, sterben an den Folgen. Bei den Männern sind es „nur“ knapp über 55 Prozent. Das liegt daran, dass die Symptome geschlechtsspezifisch unterschiedlich sind und bei Männern schneller erkannt werden

Krankheitsverläufe zwischen Frauen und Männern unterscheiden sich enorm. Seit vergangenem November gibt es deswegen in Kärnten die erste Modellregion für “Gendermedizin”. Dort will man weibliche Krankeitsbilder so intensiv wie in keinem anderen Bundesland erforschen und damit vor allem: Frauenleben retten.

Wenn Männer einen Herzinfarkt erleiden, dann strahlen die Schmerzen vom Brustraum in den linken Arm aus. Das weiß fast jedes Kind oder zumindest jede Person, die schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat. In kurzer Zeit werden die Symptome bei Männern als Herzinfarkt erkannt und diese zügig ins Krankenhaus eingeliefert. Die medizinische Versorgung ist adäquat und viele kommen gerade noch mit dem Schrecken davon.

Symptome bei Frauen zu spät als Herzinfarkt erkannt

Wenn Frauen einen Herzinfarkt erleiden, werden sie später ärztlich versorgt als Männer. Außerdem sterben sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit (68 Prozent bei Frauen, hingegen 57 Prozent der Männer) an den Folgen des Infarkts. Warum ist das so? Weil die Symptome bei einem Herzinfarkt zwischen den Geschlechtern stark voneinander abweichen.

Nur wenige Menschen – nicht einmal alle Ärztinnen und Ärzte – wissen, dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen durch andere Symptome äußert als bei Männern, erklärt Gendermedizinerin Miriam Hufgard-Leitner: Frauen mit Herzinfarkt berichten oft von Übelkeit, Schmerzen zwischen den Schulterblättern oder Stechen in den Kiefer, Kopf und Nacken. Sie klagen über Schwindel und Oberbauchschmerzen. Symptome, die vom medizinischen Personal und der Zivilgesellschaft bisher selten mit einem so schwerwiegenden Notfall in Verbindung gebracht werden. Nun gibt es in Kärnten die erste Modellregion, die sich solchen medizinischen Versäumnissen widmet und damit vor allem eines will:

Frauenleben retten: Kärnten ist Modellregion für Gendermedizin

Der Fachbereich, der sich mit geschlechtsspezifischen Krankheitsbildern auseinandersetzt, nennt sich Gendermedizin. Forscherinnen und Forscher schauen sich dabei genau an, wie und warum es bei manchen Krankheiten große Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Das heißt, man prüft alle bisherigen Erkenntnisse der Medizinforschung nochmal auf ihre Richtigkeit für beide Geschlechter.

Fünf Ärzt:innen werden seit November 2021 in Kärnten in drei- bis viersemestrigen Fachschulungen auf diese geschlechtsbezogenen Abweichungen geschult. Dadurch sollen bald alle Menschen eine gute Behandlung erhalten. Nämlich eine, die auf ihr Geschlecht entsprechend abgestimmt ist. Außerdem wird die Gendermedizin in der Ausbildung der Pflegeberufe verankert. Beispielsweise die FH Kärnten, aber auch die übrigen Gesundheits- und Krankenpflegeschulen sollen sich vermehrt jenem Bereich der Humanmedizin widmen, der geschlechtsspezifische Gesichtspunkte in seine Forschungen miteinbezieht. Das soll langfristig zu einer männer- und frauengerechten optimierten Behandlung führen.

Warum sind Frauen in der Medizin eigentlich so schlecht erforscht?

Lange Zeit dachte man, dass es zwischen den Geschlechtern kaum medizinische Unterschiede gibt. Männer wurden, weil sie keinen Monatszyklus haben und somit als „leichter“ erforschbar galten, als „medizinische Norm“ angesehen. Das bedeutet, dass jegliche Testungen ausschließlich mit männlichen Versuchstieren (z.B. Mäusen) durchgeführt wurden. Ob die Menge von Medikamenten oder die Symptome von Krankheiten: Lange Zeit dachte man, dass für alle Geschlechter dieselben medizinischen Maßnahmen wirken würden.

Dass das ein Fehlschluss ist, zeigt der Fachbereich Gendermedizin mehr und mehr auf. Frauen entwickeln nicht nur verschiedene Krankheits-Symptome als Männer, sie brauchen meistens auch eine viel geringere Dosis an Medikamenten zur Behandlung. Um dieses Wissen langfristig zu fördern und Frauenleben zu retten, wäre es auch für andere Bundesländer ratsam, der Gendermedizin mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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