Kommentar: Die europäische Politik steht gerade vor vielen Herausforderungen: Der Ukraine-Krieg, die massive Teuerung und unzählige Extremwetter-Krisen. Doch statt Lösungen zu suchen, verteidigt die europäische Volkspartei lieber ihre (Macht und) Pöstchen. Dafür bandelt sie auch schon mal mit rechtsextremen Parteien an. Brandgefährlich, wie der Delegationsleiter der SPÖ in Brüssel, Andreas Schieder, findet.
Gastkommentar von Andreas Schieder
Andreas Schieder ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und Leiter der SPÖ-Delegation im EU-Parlament.
Zu Jahresbeginn war die EU-Kommissionspräsidentin mit dem kroatischen Premier Andrej Plenković auf einen Kaffee in Zagreb, den erstmalig ein Euro-Schein gezahlt hat (anlässlich des Beitritts Kroatiens zur Euro-Zone). Eigentlich Good News für die EU, wären da nicht die immensen Herausforderungen wie der Ukraine-Krieg, die damit verbundene Energieunsicherheit und die massiven Preissteigerungen. Kurzfristig muss Europa seine Gasspeicher für den kommenden Winter füllen, aber tunlichst nicht mehr mit Gas von Putin. Mittelfristig muss unser Energiesystem umgestellt werden.
Aber die Energiewende geht zu langsam voran und wird zunehmend von den konservativen Kräften blockiert. Das Reagieren auf den Klimawandel und damit das Umstellen unserer Industrie und Landwirtschaft auf effizientere und nachhaltigere Produktionsweisen läuft in der EU unter dem sogenannten Green Deal. Ein umfassendes Programm, das in alle Bereiche wirkt und so vorantreibt, dass die Europäische Union bis spätesten 2050 klimaneutral wird. Mit dem Social Climate Fund soll der Green Deal auch ein rotes Herz bekommen, denn Klimapolitik wird nur funktionieren, wenn sie auch die soziale Gerechtigkeit berücksichtigt.
Soweit alles klar, wie es lang geht mit der EU. Mit Nichten, denn die europäische Volkspartei fürchtet, dass Europas rechtsextreme Parteien ihnen den Rang ablaufen. Daher rückt sie selbst
Irgendwie kommt uns das aus der österreichischen Innenpolitik bekannt vor: Machtgier lässt die ÖVP in den Ländern (zuletzt in NÖ und Salzburg) mit der FPÖ gemeinsame Sache machen und auch in der – an sich schwarz-grünen Bundesregierung – klingen der Kanzler und der Innenminister eigentlich schon jetzt wie FPÖler. Auf der Strecke bleiben die Interessen der Menschen. Die Inflation in Österreich ist seit Monaten viel höher als in anderen europäischen Ländern. Im sozialdemokratisch regierten Spanien liegt die Inflation inzwischen unter 2%, in Österreich noch immer bei rund 8%.
In der europäischen Politik geht es aber nicht nur um die aktuellen Herausforderungen Ukraine-Krieg und Klimapolitik. Die grundsätzliche Herausforderung ist die zunehmende soziale Spaltung unserer Gesellschaft. Die EU muss zu einer echten Sozialunion werden. Nur ein paar konkrete positive Beispiele aus den letzten Monaten im Europäischen Parlament: Das Lieferketten-Gesetz soll sicherstellen, dass die globalen Konzerne Verantwortung dafür tragen, dass in ihren Liefer- und Produktionsketten soziale Mindeststandards eingehalten werden. Europäischer Mindestlohn, das Recht auf Reparatur und soziale Rechte für Plattformarbeiter:innen (Rad- und Essensboten) sind weitere wichtige Punkte. Denn hinter dem bequemen Online-Bestellen eines warmen Abendessens von der Couch aus, steckt oft brutale Ausbeutung der Essenszusteller:innen. Die müssen arbeitsrechtlich als Unternehmer:innen agieren und sich dadurch schutzlos auf eigenes Risiko abstrampeln. Das Europaparlament hat beschlossen, dass sich das ändern muss und in Zukunft diese sogenannten Plattformarbeiter:innen als Arbeitnehmer:innen mit vollen Rechten gelten sollen.
Für solche Initiativen braucht es engagierte Abgeordnete im Europäischen Parlament, und es braucht gemeinsame, pro-europäische Mehrheiten.
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