Das Verpackungs-Unternehmen „PACKSERVICE GmbH“ schrieb Jobs zur Mitarbeit bei der „Versorgung der Nation“ aus. In Wahrheit waren das aber ganz normale Verpackungs-Aufträge. Mit dem Krisen-Argument schreibt das Unternehmen einen Netto-Stundenlohn von nur 3,56€ in die Stellenanzeige. Währenddessen vergrößert die „Packservice GmbH“ mit den Zusatzaufträgen ihren Profit. Nach einer Anfrage der Neuen Zeit löscht das Unternehmen plötzlich die Stellenausschreibungen und sagt: Das angebotene Gehalt war ein „Tippfehler“, bezahlt wurde mehr.
Österreich in der Krise: Arbeitslosigkeit und Hilfsbereitschaft sind groß
Die Corona-Krise ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Mitte April erreichte die Arbeitslosigkeit in Österreich einen vorläufigen Höchststand: 588.000 Menschen waren ohne Job. Die aktuellen Zahlen des Arbeitsmarktservice weisen immer noch 370.000 Personen als arbeitslos aus. Das ist um ein Drittel mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Gleichzeitig war vor allem im Frühling eine Welle der Hilfsbereitschaft zu spüren. Nachbarschaftshilfen wurden gegründet, um die sogenannte Risikogruppe bei Einkäufen oder anderen Erledigungen zu unterstützen. Rund 2.500 junge Menschen meldeten sich für den freiwilligen Zivildienst – sie halfen in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen aus und unterstützten das Land in der Krise.
An diese große Hilfsbereitschaft gepaart mit der hohen Arbeitslosigkeit hat ein Verpackungs-Unternehmen in einer umstrittenen Stellenanzeige appelliert.
Unternehmen sucht Mitarbeiter zur „Versorgung der Nation“
Die österreichische „PACKSERVICE GmbH“, eine Verpackungs-Gesellschaft mit Verbindung zum deutschen Mutterunternehmen „Packservice PS Marketing„, schreibt im März 2020 Jobs in Oberösterreich aus. In Linz und Wels werden Aushilfsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gesucht, die „das Land Österreich in den kommenden Wochen kräftig in der Versorgung“ unterstützen, heißt es in der Stellenanzeige. Und weiter: „Es würde uns freuen, wenn Sie ein Teil unseres Teams werden und gemeinsam mit uns die Versorgung der Nation sichern.“
Für diese verantwortungsvolle Aufgabe der „Sicherung der Versorgung“ wird ein Brutto-Monatsgehalt von 726€ angeboten – für 40 Stunden. Das ergibt einen Netto-Stundenlohn von 3,56€. Das Unternehmen behauptet später gegenüber der Neuen Zeit: Das beim Arbeitsmarktservice AMS angegebene Gehalt war ein „Tippfehler“. Es habe sich seit März auch niemand über das AMS für die Stelle beworben – daher wurde auch niemand zum Billig-Stundenlohn von 3,56€ eingestellt. „Wir würden zu diesem Gehalt auch niemanden beschäftigen“, heißt es aus der Geschäftsführung. Die Ausschreibung ist mittlerweile gelöscht.
Zusatzaufträge für Unternehmen, Niedrig-Lohn für Mitarbeiter
Bei der Packservice GmbH handelt es sich aber um keine gemeinnützige Hilfsorganisation, sondern um ein gewinnorientiertes Unternehmen mit internationalen Standorten. Der Betrieb erhält während der Krise „viele zusätzliche Verpackungs-Aufträge“, wie der Neuen Zeit aus dem Unternehmen bestätigt wird, und will diese offensichtlich mit billigen Lohnkosten möglichst gewinnbringend abarbeiten.
Die Bewerber, die großspurig für die Mithilfe bei der „Versorgung der Nation“ gesucht werden, werden mit einem Niedrig-Lohn abgespeist, während sich das Unternehmen über profitable Zusatzaufträge in der Krise freut.
Kein Kollektivvertrag: Unternehmen zahlt unter Armutsgrenze
Die „Packservice PS Marketing GmbH“ hat ihren Sitz in Karlsruhe, Deutschland, und ist ein internationales Dienstleistungs-Unternehmen, das seinen Kunden alle Formen von Verpackungstätigkeiten anbietet. Das Unternehmen hat rund 30 Standorte und etwa 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für die österreichischen Standorte ist die eigene heimische „Packservice GmbH“ zuständig. Das Unternehmen ist vor allem in der Lebensmittelbranche tätig. Die erhöhte Nachfrage nach Lebensmitteln während der Corona-Krise führt zu gewinnbringenden Zusatzaufträgen für die „Packservice GmbH“.
Die Tätigkeit des sogenannten „Co-Packing“ fällt in den kollektivvertragsfreien Raum, es gibt hierzulande kein gesetzliches Mindestgehalt. Der Unternehmen kann in Österreich also zahlen, was es will. Um trotz des Niedrig-Lohns Mitarbeiter zu finden, wird in der Stellenanzeige an die Hilfsbereitschaft der Menschen appelliert. Gesucht werden gezielt „Studenten*innen, Lehrer*innen, Arbeitssuchende, sowie jeder der helfen kann und möchte“.
Nach Anfrage: Unternehmen löscht Stellenanzeige
Die Anfrage der Neuen Zeit wird in der deutschen Unternehmenszentrale zunächst abgewimmelt: „Ihre Anfrage ist nicht interessant für uns“, lässt die Marketing-Abteilung ausrichten. Nach der nochmaligen Konfrontation mit dem Vorwurf, das Unternehmen nutze die Krisen-Hilfsbereitschaft der Bevölkerung für profitorientierte Aufträge aus, schaltet sich plötzlich die Rechtsabteilung der „Packservice GmbH“ in Deutschland ein. Dort muss der Vorwurf aber noch mit „der Geschäftsführung in Österreich“ abgeklärt werden, das Unternehmen spielt auf Zeit.
In der Zwischenzeit passiert folgendes: Das Unternehmen löscht die umstrittenen Stellenanzeigen sowohl von der eigenen Website als auch vom Jobportal des Arbeitsmarktservices AMS. Dort war die Stelle mit dem Billiglohn seit März ausgeschrieben gewesen.
Am nächsten Tag meldet sich der Geschäftsführer der österreichischen Packservice Gesellschaft. Die Stellenanzeige beim AMS sei ein „Tippfehler“ gewesen. Das angegebene Gehalt von 726,60€ brutto sei für Teilzeitarbeit (für 23,8 Wochenstunden) gedacht gewesen. Für 40 Stunden bezahle das Unternehmen branchenübliche 1.211€ brutto für Hilfstätigkeiten. Diesen Lohn habe man auch schon vor der Krise angeboten. Deshalb sei auch die Schlussfolgerung falsch, das Unternehmen habe die Krisen-Hilfsbereitschaft für Billig-Löhne ausgenutzt. Beide Gehaltsangaben liegen jedenfalls unter der Armutsgrenze.
Laut Packservice-Geschäftsführer waren die Aufträge auch sehr wohl wichtig für die Versorgung Österreichs, weil es ansonsten zu Lebensmittel-Engpässen in der Krise gekommen wäre.
Und: Nach dem Bericht der Neuen Zeit will sich das Unternehmen jetzt die eigenen Löhne „genauer ansehen“. Der Österreich-Geschäftsführer will prüfen, die Gehälter künftig über die Armutsgrenze anzuheben.