Wer in Wien oder Kärnten im Supermarkt einkauft, bekommt ab 25. November mehr als nur den Beleg: Auf vielen Kassenzetteln stehen Notrufnummern und Unterstützungsangebote für Frauen, die Gewalt erleben. Für Betroffene kann dieser unauffällige Hinweis ein stiller, aber lebenswichtiger Asuweg sein.
Gewalt gegen Frauen ist in Österreich bittere Realität: Mehr als jede dritte Frau hat körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. 14 Prozent berichten von Gewalt in Partnerschaften, 37 Prozent von psychischer Gewalt. Jede fünfte Frau wurde gestalkt, über ein Viertel sexuell am Arbeitsplatz belästigt.
Diese Zahlen zeigen: Der Bedarf an niedrigschwelliger Unterstützung ist enorm. Gerade deshalb ist die Idee so wirksam, Hilfsangebote im Alltag sichtbar zu machen: direkt dort, wo Frauen sich ohnehin aufhalten. Ein Kassabon ist unscheinbar, aber er ist privat. Er kann diskret mitgenommen werden, ohne Verdacht zu wecken.
Internationale Inspiration: Paris und Deutschland als frühe Vorreiter
Bevor Österreich reagierte, gab es erste Bestrebungen in Paris: feministische Kollektive und kommunale Einrichtungen begannen, Hilfsnummern und Schutzangebote im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, teils auch in Kooperation mit Gewerbetreibenden. Kein vollständiges Modell, aber ein Impuls, der international Beachtung fand.
2020 setzte Deutschland einen weiteren Meilenstein: Im Rahmen der BMFSFJ-Initiative „Stärker als Gewalt“ machten über 26.000 Filialen von Aldi, Edeka, Lidl, Netto, Penny, Real und Rewe auf Gewalt und Hilfsangebote aufmerksam, auch auf Kassenzetteln, an Ein- und Ausgängen und im Kassenbereich. Eine der größten Handelskooperationen Europas zu diesem Thema.
Doris Kampus: Die Steiermark machte daraus ein Modell
In Österreich war es die Steiermark, die den internationalen Funken aufgriff und erstmals in ein flächendeckendes, systematisches Modell übersetzte.
Die damalige Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) erkannte früh das Potenzial: 2022 brachte sie gemeinsam mit dem steirischen Handelsverband und großen Ketten die erste österreichweite Kassenbon-Initiative auf Landesebene in die Umsetzung. Die Botschaft: Gewalt darf nicht unsichtbar bleiben, Hilfe muss Menschen dort erreichen, wo sie sind.
Der Erfolg gab ihr recht, die Idee wurde zur Blaupause.
Von der Steiermark zum Bund und heute Standard in mehreren Bundesländern
2023 beschlossen Innenministerium und Handelsverband, die Aktion österreichweit auszudehnen. Große Handelsketten wie REWE, SPAR, BILLA, PENNY oder ADEG beteiligten sich und machten die Initiative erstmals landesweit sichtbar.
2025: Wien und Kärnten als starke Treiber der Aktion
Was einst regional begann, ist heute fest verankerte Praxis. Im Jahr 2025 setzen mehrere Bundesländer die Kassabon-Initiative konsequent um, darunter zwei besonders aktive:

Wien: SPAR, EUROSPAR und INTERSPAR drucken vom 25. November bis 10. Dezember 2025 gemeinsam mit der Stadt Wien Notrufnummern und Hinweise auf den 24-Stunden-Frauennotruf auf die Kassazettel – zusätzlich mit englischem Hinweis. Alle SPAR-Märkte der Stadt machen mit. Die Information ist leicht zugänglich, anonym und unmittelbar.
Kärnten: SPAR, EUROSPAR, INTERSPAR und Hervis beteiligen sich gemeinsam mit dem Land Kärnten an der Kampagne. Auf den Bons stehen u. a. die regionale 24/7-Helpline 0660 244 24 01 sowie weitere Hilfsangebote – gedruckt in großer Reichweite im gesamten Bundesland.
Beide Beispiele zeigen: Die Initiative ist längst kein Projekt mehr, sondern ein österreichweites Sicherheitsnetz, das jährlich weiter wächst.
Hilfsangebote, die jetzt sichtbarer werden
Die Kassenzettel verweisen auf jene Angebote, die schon lange existieren, aber zu wenig bekannt sind:
Frauenhelpline: 0800 222 555
Opfernotruf: 0800 112 112
24-Stunden-Frauennotruf Wien: 01 71 71 9
Kärntner Beratungshotline für Frauen und Mädchen: 0660 244 24 01
Frauenhäuser und Gewaltschutzzentren in allen Bundesländern: https://www.aoef.at/index.php/frauenhaeuser2
Zentrale Übersicht: hilfsangebote-bei-gewalt-gegen-frauen.at
Durch den Kassabon werden diese Nummern zu einer Information, die man einfach einstecken kann. Unauffällig, lebensnah und im Ernstfall entscheidend.
