Politik

Türkis-Grüne Prioritäten: 80% Lockdown-Entschädigung für Unternehmen. Nur 55% für Arbeitslose.

Betroffene Unternehmen erhalten im zweiten Lockdown 80% Entschädigung. Arbeitslose können davon nur träumen. Das Arbeitslosengeld liegt mit 55% vom letzten Netto weit unter dem anderer EU-Staaten.

Ab 3. November, 0:00 Uhr, gilt der neue Lockdown. Wenn Unternehmen schließen müssen, erhalten sie dieses Mal 80% des Umsatzes vom November des Vorjahres. Viele Betriebe verdienen damit mehr als im Vorjahr. Denn die Personalkosten sind durch die Kurzarbeit deutlich niedriger und es müssen weniger  Waren eingekauft werden. Vor allem: Erträge aus dem Take-Away-Geschäft werden nicht gegengerechnet. Das Momentum-Institut spricht von Überförderung.

Bereits im Vorfeld hatte die Wirtschaftskammer eine „maximale Entschädigung“ für die Unternehmen gefordert. „Die Wirtschaftskammer“, das heißt in diesem Fall: Harald Mahrer, WKO-Chef, Wirtschaftsbund-Chef, vieles mehr und vor allem Vertrauter von Sebastian Kurz.

Lockdown: Keine Entschädigung für Corona-Arbeitslose?

Ob diese politische und persönliche Nähe geholfen hat, bleibt Spekulation. Auffällig ist jedenfalls: Im Gegensatz zu Unternehmen, denen 80% ihres Umsatzes im Lockdown ersetzt wird, erhalten Arbeitslose nur 55% des letzten Netto-Verdienstes. Dabei haben sie vorher Arbeitslosenversicherung eingezahlt – für genau diesen Fall. Im europäischen Vergleich hinkt Österreich damit hinterher. In Belgien beträgt das Arbeitslosengeld 90% des letzten Netto-Einkommens, in Lettland 80% und in Portugal 75%. Im Frühjahr hatte die Bundesregierung das Motto „Koste es, was es wolle!“ ausgegeben. Für Arbeitslose gilt das scheinbar nicht. Sehr deutlich formulierte es die türkise Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. In einer weiteren Einmalzahlung für Corona-Arbeitslose sah sie einen Plan, um „strukturierte Langzeitarbeitslose in der Hängematte auch noch etwas zusätzlich zu verwöhnen.“

Grüne gegen mehr Arbeitslosengeld

Die Grünen, forderten zwar im ersten Lockdown vereinzelt eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Zuletzt hat aber die grüne Clubchefin Sigi Maurer die Debatte abgedreht: Eine Reform des Arbeitslosengeldes würde erst nach der Krise Sinn ergeben. Ob das die Arbeitslosen auch so sehen, darf bezweifelt werden. Die Armutsgrenze liegt bei 12 Mal 1.259 € pro Jahr, der Einkommensmedian lag 2018 bei netto 21.402 pro Jahr. Das bedeutet etwa 1500 monatliches Netto-Einkommen. Davon bleibt ein Arbeitslosengeld von etwa 825 € übrig, Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt es natürlich nicht. Die Einmalzahlungen der Bundesregierung sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn überhaupt: Denn viele Arbeitslose erhalten sie gar nicht.

Nachhaltige Unterstützung statt Almosen

Josef Muchitsch, Sozialsprecher der SPÖ, ärgert das zunehmend. Für ihn sind die Einmalzahlungen nichts als „Almosen“. Deshalb forderte er bereits vor dem neuerlichen Lockdown mehr Geld für Arbeitslose: 70% des letzten Netto-Einkommens. Denn nur so lassen sich die laufenden Kosten weiter decken. „Eine zweite Pleitewelle zeichnet sich immer deutlicher ab, die Arbeitslosigkeit verfestigt sich, immer mehr Menschen sind immer länger arbeitslos“, so Muchitsch. Denn denen, die jetzt durch Corona ihren Job verloren haben, hilft kein „System von Einmalzahlungen, bei dem noch dazu viele arbeitslose Menschen durch die Finger schauen, sondern rasche und nachhaltige Unterstützung.“

Sonst steht zu befürchten, dass nach dem Lockdown auf die Unternehmenspleiten auch eine Welle Privatkonkurse Corona-Arbeitsloser folgt. Was das dann bedeutet, hat Kurz schon einmal in einem anderen Zusammenhang treffend formuliert und billigend in Kauf genommen: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“

 

NeueZeit Redaktion

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