Gesellschaft

Intransparent & unfair: Weshalb Musikförderungen in Österreich ungerecht verteilt sind

Album-Verkäufe, ausgebuchte Tourneen, große Werbedeals: Um von der Musik leben zu können, müssen für Musiker schon einige Faktoren richtig gut laufen. Es gibt verschiedene Angebote der Musikförderung in Österreich, die vor allem jungen Künstlern unter die Arme greifen sollen. Die Ausschüttung dieser Förderungen ist aber nicht immer gerecht verteilt.

Welche Musik wird in Österreich wie gefördert?

Von der Musik kann man umso eher leben, je mehr Geld und Zeit man investieren kann. Menschen aus reicheren Haushalten haben es somit einfacher, als jene aus ärmeren. Zumindest politisch ist man sich in Österreich dieses Verhältnisses bewusst. So wurde 2005 der Österreichische Musikfonds (ÖMF) gegründet, mit dem Ziel die “Rahmenbedingungen für den Musikstandort Österreich” zu fördern.

Dabei gelten fern der künstlerischen Qualität zwei grundsätzliche Fördervoraussetzungen:

  1. Das eingereichte Projekt ist ohne finanzielle Zuschüsse nicht realisierbar.
  2. Das eingereichte Projekt muss ein gewisses “Marktpotenzial” haben.

Voraussetzungen für Musikförderung in Österreich

Über die Erfüllung der genannten und weiterer Voraussetzungen entscheidet eine vermeintlich unabhängige Fachjury. Was in den Statuten des des Musikfonds ÖMF gerecht erscheint, wirft im Lichte der Praxis einige Schatten von sich:

1) Unterdotierung: Während klassische Musik mit 105 Mio. Euro jährlich gefördert wird, steht populärer Musik ein Fördervolumen von nur 5 Millionen (inkl. Gelder für Veranstaltungen, Labels, Agenturen) zu. Dies führt dazu, dass sich allein im Corona-Jahr 2020 insgesamt 666 Projekte um 1,62 Mio. Euro bewarben, aber nur 99 Zusagen erteilt werden konnten. 567 Musiker konnten somit ihr Album nicht realisieren.

2) Der Musik-Förderverein ÖMF schreibt in seinen Statuten fest, dass Förderungen nur fließen, wenn die Produktion ansonsten “unfinanzierbar” ist. So ernst nimmt der Verein seine eigenen Statuten aber offenbar nicht: Die Band “Die Seer” etwa bekam im Jahr 2008 eine Finanzspritze, obwohl ihre Alben bereits seit vielen Jahren Millionen-Umsätze einspielen. Ähnliches gilt für Künstler wie “Julian LePlay” oder “Cafe Drechsler” – auch sie erhalten Förderungen, während viele kleine Musiker durch die Finger schauen.

3) Außerdem herrscht völlige Intransparenz. Obwohl die Bewerbung auf Grund der notwendigen Unterlagen äußerst zeitaufwendig ist, gibt es keine Begründungen für Zu- oder Absagen. Dies liegt lediglich im gut geglaubten Ermessen der Jury. Darüber hinaus herrscht auch Intransparenz im Entscheidungsprozess: Es gibt keinen Einblick, wie die Jury über die Zukunft potenzieller Musikerkarrieren entscheidet.

4) Laut den Richtlinien sind nur Projekte zu fördern, die ohne Zuschüsse nicht realisierbar sind. Dabei werden bei der Antragstellung aber gar keine Finanzdaten abgefragt. Ebenso findet keine Kooperation mit den Finanzämtern oder anderen behördlichen Stellen statt, um die sozialen Ansprüche zu prüfen.

5) Gerade bei intransparenten Verfahren und unbegründeten Entscheidungen ist es unumgänglich, größtmögliche Objektivität in der Jury zu gewährleisten. Das klappt im Falle des Musikfonds ÖMF nicht wirklich. Bei den Jurymitgliedern handelt es sich um ein immergleiches Konsortium aus österreichischen Musikern, Redakteuren und Geschäftsleuten.

Objektive Entscheidungen sehen anders aus

Trotz der grundsätzlichen Intention des ÖMF, die Schere zwischen Arm und Reich am heimischen Musikmarkt zu schmälern, ist es für Musiker aus einkommensschwächeren Verhältnissen nicht nur härter, den Traum vom Musiker-Leben zu erfüllen, es wird ihnen sogar noch zusätzlich erschwert. Denn jede statutenwidrige Zusage ist eine Absage an neue, zukunftsträchtige Projekte von Menschen, die es sich anders nicht leisten können.

Welche Musikförderungen gibt es in Österreich?

Eine Musikfonds-Absage ist jedoch auch für finanzschwache Musiker noch nicht das Ende einer potenziellen Karriere. So gibt es neben dem für Popularmusik am höchsten dotierten ÖMF-Verein noch weitere Förderstellen, bei denen um Unterstützung angesucht werden kann.

Auf nationaler Ebene vergeben neben dem ÖMF die Sozialen und Kulturellen Einrichtungen der austro mechana (SKE) 15 mal pro Jahr Förderungen für Musik-Produktionen. Der Förderantrag ist vergleichsweise unbürokratisch und schnell zu erledigen. Darüber hinaus gibt im Rahmen der SKE auch noch soziale Leistungen wie Zuschüsse in Notlagen oder zur Sozialversicherung.

Um die hohen Abgaben zu kompensieren, kann man beim Künstler-Sozialversicherungsfonds um finanzielle Hilfe ansuchen.

Doch auch der Blick ins eigene Bundesland lohnt sich: So gibt es von der Stadt Wien mit Cash for Culture eine Förderung für 13-23 jährige Musiker, die relative schnell, unkompliziert und unbürokratisch vergeben wird. In Vorarlberg wiederum stehen Musikern umfangreiche Förderungen für Produktion oder auch Konzerte zur Verfügung. Der Verein mica – music austria (in etwa die “Arbeiterkammer der Musikszene”) hat eine Übersicht über alle Förderungen zusammengestellt und unterstützt auch bei etwaigen Anträgen.

Förderstellen

NeueZeit Redaktion

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