Das chronische Verkehrschaos in der Stadt Graz soll dank einer neuen U-Bahn bald der Vergangenheit angehören. Von den meisten Medien wird Bürgermeister Siegfried Nagls (ÖVP) neueste Idee gefeiert. Aber Verkehrsexperten zweifeln am 3,3 Milliarden Euro teuren Projekt. Nur ein Kilometer U-Bahn kostet genauso viel wie zehn Kilometer Straßenbahn. Nach der Gondelbahn über die Mur oder den Olympischen Spielen in Graz könnten die Metro-Pläne das nächste von Bürgermeister Nagl groß angekündigte, aber nie umgesetzte Projekt sein.
Neue Grazer U-Bahn: 27 Haltestellen und 25 Kilometer lang
Mit großem Aufwand präsentierte die Stadt Graz ihre U-Bahn-Pläne. Auf einer Länge von mehr als 25 Kilometern sollen zwei neue Linien das Grazer Verkehrssystem revolutionieren. Zwischen Gösting im Norden und Webling im Süden sowie Eggenberg im Westen und der Großsiedlung Berliner Ring im Osten, ist die Errichtung von 27 Haltestellen geplant. Die Macher der U-Bahn-Studie gehen von bis zu 200.000 Fahrgästen pro Tag aus. Das derzeitige Verkehrschaos in der Stadt Graz soll dank Metro in nicht einmal zehn Jahren endgültig der Vergangenheit angehören. Dementsprechend große Hoffnungen setzen viele in das Projekt.
Bürgerinitiativen: Straßenbahn ausbauen statt Metro bauen
„Wenig Sinn“ ergibt die Metro für Hermann Knoflacher. Der an der Technischen Universität Wien tätige Verkehrsexperte kritisiert vor allem die hohen Kosten und die niedrige Fahrgeschwindigkeit. Ebenfalls keine Freude mit den Metro-Plänen haben zwei Organisationen, die sich bereits seit vielen Jahren um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bemühen. Die Initiative „Pro Bim“ sieht das bereits beschlossene Straßenbahnpaket II mit der Südwestlinie, der Nordwestlinie und der Ringlinie durch die Metro bedroht. Außerdem wolle die Stadtregierung mit der U-Bahn nur der Diskussion um eine „Neuverteilung des oberirdischen Raums“ entgehen.
In die gleiche Richtung geht das Statement von „Moveit Graz“. Laut der überparteilichen Plattform müsste die Stadt zur Lösung des Verkehrsproblems lediglich Flächen „vom motorisierten Individualverkehr auf Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr“ umwidmen. In anderen Worten: Die Straßen sollen besser für Radfahrer und Öffis genutzt werden. „Moveit Graz“ betont außerdem, dass die U-Bahn die Verkehrssituation erst in frühestens zehn Jahren verbessern würde.
Die Finanzierung der Metro ist noch gar nicht geklärt
Während die türkis-blauen Rathauskoalition das U-Bahn-Projekt begrüßt, reagiert die Opposition ablehnend. Für SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann ist die Metro schlicht und einfach „keine Lösung für das Verkehrsproblem in Graz“. Die zuständige Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) kann den Plänen ebenfalls nichts abgewinnen. Sie warnt unter anderem vor den negativen Auswirkungen der geplanten langjährigen Bauarbeiten.
Die steirische Landesregierung, mit deren finanzieller Unterstützung Nagl rechnet, gibt sich abwartend. Landeshauptmannstellvertreter und Finanzlandesrat Anton Lang (SPÖ) möchte die Pläne der Stadt Graz „fair und objektiv“ bewerten. Er weist aber auch darauf hin, dass der Großteil des Finanzbedarfs vom Bund gedeckt werden muss. Damit bleibt die so wichtige Finanzierungsfrage ungeklärt. Bürgermeister Nagl hat die U-Bahn groß angekündigt, obwohl die Finanzierung noch gar nicht geklärt ist.
Nagls große Pläne – Viel Lärm um nichts
Siegfried Nagl regiert Graz seit fast 18 Jahren und hat in dieser Zeit mehr als einmal versucht, sich mit Großprojekten ein Denkmal zu setzen. So träumte der Bürgermeister fast zehn Jahre von einer Gondelbahn über die Mur. Später wollte er um jeden Preis die Olympischen Spiele nach Graz holen. Dazwischen lagen Pläne für ein großes Bootsrennen auf der Mur, dass die (wohlgemerkt nicht vorhandenen) Rudermannschaften der Grazer Universitäten gegeneinander austragen sollten.
Geblieben ist von diesen Vorhaben vor allem eine große Menge an medialer Aufmerksamkeit. Ob es Nagl angesichts schlechter Umfragewerte auch diesmal vor allem darum geht, ist durchaus im Bereich des Möglichen. Sollte es so sein, wäre die Metro das bisher größte und auch teuerste Luftschloss des Bürgermeisters.
Ein Kilometer U-Bahn kostet so viel wie zehn Kilometer Bim
Im aktuellen Getöse rund um die U-Bahn geht unter, dass es bereits seit vielen Jahren Pläne zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in Graz gibt. Die Stadt fasste Grundsatzbeschlüsse zur Erweiterung des Straßenbahnnetzes und versprach den massiven Ausbau von Radwegen. Diese Maßnahmen haben laut Verkehrsexpertinnen und Verkehrsexperten den Vorteil, dass sie weitaus kostengünstiger und schneller umzusetzen sind als ein Großprojekt wie die Metro.
Die Kosten für einen Kilometer U-Bahn entsprechen jenen von zehn Kilometern Straßenbahn. Angesichts der aktuellen Verkehrsmisere in der Stadt Graz wird auch bezweifelt, ob der Bau einer Metro schnell genug Abhilfe schafft. Eines hat die Debatte um die U-Bahn mit Sicherheit bewirkt: Der Zustand des öffentlichen Verkehrs in Graz steht im Fokus. Damit bekommt dieses für die Menschen in der Landeshauptstadt so wichtige Thema endlich die nötige Aufmerksamkeit. Damit ist zumindest eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Situation gegeben.