Straßenbahn-Ausbau oder U-Bahn-Neubau? Vor dieser „Jahrhundertentscheidung“ des öffentlichen Verkehrs steht Graz. Während die Politik darüber streitet – Bürgermeister Siegfried Nagl und die Graz-Holding arbeiten an der UBahn, das Verkehrsressort von Elke Kahr an der Straßenbahn – will die SPÖ die Bürger befragen: Sie sollen in einer Volksbefragung entscheiden, wie ihr Öffi-Netz in Zukunft aussehen soll.
Graz steht vor einer „Jahrhundertentscheidung“. Die Stadt wächst jährlich um 3.600 Bewohnerinnen und Bewohner. Gemeinsam mit den rund 100.000 Menschen, die täglich in die Landeshauptstadt pendeln, sind dadurch Staus und Verkehrsüberlastungen vorprogrammiert. Die Stadt arbeitet an neuen Verkehrskonzepten – aber an unterschiedlichen, die sich gegenseitig ausschließen.
Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) entwickelt einen „nachhaltigen Mobilitätsplan“, der Schwerpunkt: Ein Ausbau der Straßenbahnlinien. Das Tochterunternehmen der stadteigenen Holding, die MUM, prüft die Idee von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), eine U-Bahn durch Graz zu bauen. Straßenbahnausbau oder U-Bahn – das ist eine Entweder-Oder-Frage, beides ist nicht möglich.
Während die Politik darüber streitet, bleiben die Grazerinnen und Grazer außen vor. Die SPÖ will deshalb die Bürger befragen: Sie sollen in einer Volksbefragung entscheiden, wie ihr Öffi-Netz in Zukunft aussehen soll.
Graz-Holding plant UBahn, Verkehrsabteilung Ausbau der Straßenbahn
„Diese Systementscheidung wird eine Jahrhundertentscheidung sein – mit Investitionen von vielen hundert Millionen Euro, die auch noch die kommenden Generationen betrifft“, sagt SPÖ Graz Vorsitzender Michael Ehmann. Die Sozialdemokraten fordern, die Vor- und Nachteile der beiden Öffi-Möglichkeiten transparent auf den Tisch zu legen. Experten sollen einen für alle nachvollziehbaren Vergleich ausarbeiten, der als Entscheidungsgrundlage dient.
Bisher prüft die Holding-Tochter MUM das U-Bahn-Vorhaben aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst im Dezember soll Bericht erstattet werden. Die Kleine Zeitung veröffentlichte nun eine geheime Zwischenbilanz. Sie sieht zwei Korridore für das Grazer UBahn-Kreuz vor. Die Ost-West-Achse der neuen unterirdischen Bahn führt laut Plänen von Ragnitz und dem LKH über den Bahnhof bis zum LKH-West, Die Nord-Süd-Achse verläuft von Gösting über die Innenstadt bis zum Weblinger Stumpf.
Während die Holding-Tochter intensiv an der U-Bahn plant, arbeitet die städtische Abteilung für Verkehrsplanung weiter am Ausbau der Straßenbahn. Die Südwestlinie soll in Zukunft bis zur Hummelkaserne und weiter bis zur Grottenhofstraße fahren, die Linie 2 zur Uni und der 9er nach Gösting.
Nur eine Gruppe wird beim verkehrspolitischen Hin und Her bisher vergessen: die Bürgerinnen und Bürger, die täglich mit den Öffis fahren.
“Diese Entscheidung kann nur in einer Volksbefragung fallen”
Für Aufregung sorgt zudem die Kritik des Verkehrsplaners Willi Hüsler. Für ihn ist die Grazer UBahn-Idee nicht weit genug gedacht: Eine U-Bahn sei vier bis fünf Mal so teuer wie die Straßenbahn. Bevor die Stadt so viel Geld investiert, sollte das Potenzial der bestehenden Verkehrsmittel besser ausgenutzt werden. Der Verkehrsexperte schlägt einen Ausbau der vorhandenen S-Bahn vor.
Für SPÖ-Vorsitzenden Michael Ehmann ist jedenfalls klar: „Das ist eine Frage, die alle Grazerinnen und Grazer betrifft. Diese Entscheidung kann nur in einer Volksbefragung fallen“. Einen dringlichen Antrag, einen sachlichen Diskussionsprozess zu den beiden Öffi-Systemen zu starten, lehnten ÖVP und FPÖ im Gemeinderat zuletzt aber ab.