Kommentar

ORF: Wir brauchen Medien, die nicht Superreichen oder internationalen Konzernen gehören!

Seit einigen Jahren hagelt es Kritik am ORF und seiner öffentlich-rechtlichen Struktur. Mit der Ankündigung einer Haushaltsabgabe statt der GIS-Gebühr kam die Debatte kürzlich wieder ins Rollen. Und zugegeben: Ein Großteil der Kritik am ORF ist berechtigt. Quotendruck und politischer Einfluss sind zu groß, Reformen bitter nötig. Die Grundidee eines öffentlich finanzierten Rundfunks sollten wir deshalb aber nicht ad acta legen. Denn freie und öffentlich finanzierte Medien sind für unsere Demokratie unerlässlich. 

Wenn man wissen will, wie eine Demokratie mit rein marktwirtschaftlich organisierter Medienlandschaft aussehen würde, muss man nur in die USA blicken: Dort ist nahezu jeder TV-Sender und jedes Medienunternehmen auf Kommerz ausgerichtet. Reiche Geschäftsleute können sich einkaufen und die Berichterstattung zu ihren Gunsten beeinflussen.

Aber nicht nur das: Jeder TV-Sender lässt sich zudem einer der beiden großen Parteien zuordnen. Überparteiliche Berichterstattung findet in den USA kaum statt. Die Folge ist eine zutiefst gespaltene Gesellschaft. Um die Demokratie in den USA muss man sich deshalb mittlerweile ernsthafte Sorgen machen. Bei uns ist das zumindest bisher noch nicht der Fall.

Was ist überhaupt der Zweck des ORF – eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Ebenso wie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen gehört unabhängige Berichterstattung zur staatsbürgerlichen Grundversorgung. Wer diese Grundversorgung den Kräften des Marktes überlassen will, unterwirft sie Profitinteressen, und gefährdet damit ihre Qualität. Das Beispiel der USA zeigt eindrücklich, wohin eine von Profitmaximierung getriebene Medienlandschaft führt.

Aber auch im ORF gibt es einige Baustellen. Die GIS war eine davon. Ihre Umstellung auf eine Haushaltsabgabe für alle – nicht nur für Besitzer:innen von TV- oder Radiogeräten – war nötig. Denn ein Großteil der Menschen in Österreich nutzt zumindest eines der ORF-Angebote.

Natürlich gibt es auch Menschen, die niemals ORF-Angebote konsumieren. Doch es gibt auch Menschen, die niemals ins Theater, in die Oper oder ins Museum gehen. Trotzdem finanzieren alle Menschen diese Institutionen mit ihren Steuern mit. Und zwar, weil wir als Gesellschaft entschieden haben, dass Kultureinrichtungen wichtig und erhaltenswert sind. Das Gleiche gilt für den ORF als öffentlich rechtlichen Rundfunk.

Profitinteressen untergraben die Meinungsvielfalt eines Mediums

Es gibt zweifellos auch private Medien, die qualitativ hochwertigen Journalismus bereitstellen. Allerdings sind diese Zeitungen, TV-Sender und sozialen Medien primär ihren Aktionärinnen und Aktionären verpflichtet. Und denen geht es in erster Linie eben nicht um Qualität, sondern um größtmöglichen Gewinn. Oder, noch schlimmer, sie nutzen ihre Macht, um die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Wohin das im schlimmsten Fall führen kann, zeigte 2021 die Inseratenaffäre.

Abgesehen davon finanzieren wir als Bürgerinnen und Bürger auch private Medien mit, und zwar nicht nur über den Kaufpreis, sondern über unsere Steuern. Nahezu jede große Tages- und Wochenzeitung erhält nämlich Presseförderung. Das meiste davon geht an kommerziell ohnehin erfolgreiche Zeitungen, wie die Kronen Zeitung, heute und Österreich. Zusätzlich generieren private Medien auch noch Einnahmen aus politischen Inseraten, die ebenfalls mit unserem Steuergeld bezahlt werden.

Wir brauchen Medien, die allen gehören und von Politik und Profitinteressen unabhängig sind

Schön und gut, aber wieso braucht es für den ORF dann eine extra Haushaltsabgabe? Wieso kann der ORF nicht genauso wie die Presseförderung über unsere Steuern finanziert werden? Zum einen würde sich dadurch für die Bürger:innen wenig ändern. Ob Haushaltsabgabe oder Steuern, sie zahlen so oder so. Was sich aber dadurch ändern würde, wäre der Einfluss der Politik. Denn über die Verteilung von Steuergeld entscheidet der Finanzminister. Dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Staatsbudget ausgeklammert ist, gewährleistet seine Unabhängigkeit von der jeweils amtierenden Regierung.

Allerdings ist der politische Einfluss auf den ORF auch jetzt schon sehr hoch. Mit Stiftungsrat und Publikumsrat werden zwei wesentliche Entscheidungsgremien mehrheitlich politisch besetzt. Das schlägt sich in Teilen auch auf das Programm nieder. Experten fordern daher schon seit Jahren, den politischen Einfluss in diesen Gremien zurückzudrängen und diese Ämter stattdessen mit Wissenschaftlern und Vertretern von Medien-NGOs zu besetzen.

Unhinterfragte Regierungspropaganda, das ist das, was in Ländern wie Ungarn oder teilweise in den USA stattfindet. Kritische Berichterstattung ist für eine Demokratie unerlässlich. Damit freie Meinungsbildung weiterhin möglich ist, brauchen wir starke öffentlich finanzierte Medien.

Victor Strauch

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Victor Strauch
Tags: featured GIS Haushaltsabgabe Inserate Inseraten-Affäre Medien Medienfreiheit Medienpolitik Öffentlich-rechtlich orf Presse presseförderung

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