Österreich ist im Ranking zur Pressefreiheit 2022 von Reporter ohne Grenzen um 14 Plätze abgestürzt. Fritz Hausjell, Medienwissenschaftler und Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich, fordert im NeueZeit-Gespräch, kritische Medien zu stärken: Mit mehr Presseförderung und weniger Inseraten. Die Förderung soll an Qualitätskriterien geknüpft werden. Gleichzeitig will Hausjell den Einfluss der Politik auf den ORF zurückdrängen.
Österreich landet im Ranking zur Pressefreiheit 2022 von Reporter ohne Grenzen nur mehr auf Platz 31 von 180 Ländern. Damit stürzt Österreich um ganze 14 Plätze im Vergleich zum Vorjahr ab. Wir gehören zu den Schlusslichtern in der EU, wenn es um Freiheit in der Berichterstattung geht. Doch es gäbe einfache Maßnahmen, um das wieder zu ändern.
Im Gespräch mit der NeuenZeit erklärt Fritz Hausjell, Medienwissenschaftler und Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich, welche Maßnahmen es bräuchte, um die Pressefreiheit zu stärken. Als zentral nennt er eine Reform der Presseförderung. Diese müsste deutlich höher ausfallen:
“Wir brauchen eine wesentlich umfangreichere Presseförderung. Weil diese unter 10 Millionen liegende Presseförderung ist im Vergleich zu europäischen Ländern unseres Formats eine Potenz zu niedrig. In nordeuropäischen Ländern haben wir Größenordnungen, die liegen bei 150-200 Millionen pro Jahr.”
Eine höhere Presseförderungen würde Zeitungen unabhängiger von den Inseraten-Millionen der Regierung machen.
Transparente Kriterien statt undurchsichtige Inserate
Medienförderung solle aber nicht einfach bedrucktes Papier fördern, sondern qualitativen Journalismus. Das könnte konkret so aussehen, dass es Fördertöpfe für bestimmte Qualitätsstandards gibt. Ein Qualitätsstandard wäre zum Beispiel, dass eine Redaktion mehrere Nachrichtenagenturen nutzt. Wenn ein Medienunternehmen einen dieser Standards erfüllt, kann es Förderungen beantragen.
Ebenso wichtig sei die personelle Ausstattung der Redaktionen und dass Journalistinnen und Journalisten gut ausgebildet sind. So könnte man Fördermittel daran knüpfen, dass Redaktionen bestimmte Beträge pro Kopf für Weiterbildungen ausgeben. “Ich nehme an, es wird kein Medienunternehmer so dumm sein, dort nicht zuzugreifen”, sagt Hausjell.
Problematisch sei, dass Regierungsinserate gegenüber der Presseförderung ein zu großes Gewicht bekommen haben. Über Inserate könnten Inhalte gesteuert werden, weil diese nicht nach nachprüfbaren Kriterien vergeben werden, sondern “willkürlich”. Zu den laufenden Ermittlungen in der ÖVP-Inseraten-Affäre meint Hausjell: “Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass wir es hier mit massiver Korruption zu tun haben.”
Bürger haben Recht auf Auskunft, wie viel Steuern Spitzenmanager zahlen
Neben einer qualitätsorientierten Presseförderung bräuchte es ein Informationsfreiheitsgesetz. Damit hätten alle Bürger Zugriff auf behördliche Informationen. Das sorge für etwas, “das eine liberale Demokratie unbedingt braucht, und sich dadurch auch von feudalen Systemen unterscheidet, nämlich Transparenz”. Denn wieso sollten die Bürger und Bürgerinnen zum Beispiel nicht wissen, wieviel Steuern ein Universitätsprofessor oder ein Spitzenmanager zahlt?
Im Kern gehe es beim Informationsfreiheitsgesetz darum, Korruption zu erschweren. Klar sei: “Korruption wird es immer geben, doch je mehr ich das erschwere, desto weniger lohnt sich Korruption, weil sie sehr viel aufwendiger wird” Hierzulande gilt das Amtsgeheimnis. Damit ist Österreich das einzige Land in der EU, das im Jahr 2022 noch kein Informationsfreiheitsgesetz hat. Die Türkis-grüne Regierung kündigte ein solches Gesetz schon mehrfach an. Beschlossen wurde es bisher noch nicht.
Kritik an ORF-Politik von türkiser Medienministerin
Der ORF als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen nimmt eine Sonderstellung am österreichischen Medienmarkt ein. Hausjell hält nichts von einer Privatisierung, wie sie zum Beispiel der FPÖ oder den Neos in der Vergangenheit vorschwebte. Der Einfluss der Politik sollte aber stark zurückgedrängt werden. So könnte man festlegen, dass das oberste Gremium des ORF, der Stiftungsrat, mindestens zur Hälfte aus Qualitätsvertretern besteht. Das könnten Wissenschaftlerinnen oder Vertreter von Medien-NGOs sein.
Momentan ist der Stiftungsrat in “politische Freundeskreise” eingeteilt. 32 der 35 Mitglieder werden entweder direkt oder indirekt von der Politik nominiert. Ähnlich sieht es im sogenannten Publikumsrat, dem Aufsichtsgremium des ORF, aus. Hier sucht die Medienministerien 17 der 30 Mitglieder aus.
Hausjell kritisiert auch die jüngste Bestellung der ORF Publikumsräte im Jahr 2022. Hier sei das Gesetz nicht eingehalten worden. Eigentlich dürfte die Medienministerin die Publikumsräte nur aus Dreiervorschlägen von repräsentativen Organisationen auswählen. Im Fall von Markus Hengstschläger gab es aber nur einen einzigen Vorschlag, noch dazu von einer ÖVP-nahen Organisation. Die Entscheidung der Medienministerin nennt Hausjell “extrem provokativ”, sie komme einer “Desavouierung des Rates” gleich. “Das ist demokratiepolitischer Substandard.”