Der Staat Österreich unterstützt unabhängige Medien mit der Presseförderung. Das Problem: Sie ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Bundesregierung und Co. geben 20 Mal mehr für Inserate aus als für die Förderung kritischer Medien. Dadurch werden Zeitungen immer abhängiger von Parteien. Besonders perfide „Message Control“ betreibt ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz.
Da sind sich wohl alle einig: Medien sind wichtige Elemente einer Demokratie. Sie informieren, helfen beim Einordnen von politischen Diskussionen, sie sind eine Plattform für Debatten und können der Politik kritisch auf die Finger schauen. Das wissen auch die Politikerinnen und Politiker selbst. Sie versuchen deshalb immer offensichtlicher, Medien zu beeinflussen. Am einfachsten geht das mit einem Haufen Geld durch Inserate. Ist eine Zeitung finanziell zunehmend von Inseratengeldern abhängig, muss sie eher wohlwollend über die Inseraten-Geber berichten – sonst läuft sie Gefahr, keine Werbegelder abzustauben.
Dabei sollte es eigentlich anders laufen. Um Medien bei ihrer Finanzierung zu unterstützen, vergibt der Staat jährlich eine Presseförderung an Tages- und Wochenzeitungen. Sie soll, so steht es im Presse Fördergesetz von 2004, „die Vielfalt der Presse in Österreich“ unterstützen. Um finanzielle Zuschüsse zu erhalten, müssen die Zeitungen laut Gesetz „der politischen, allgemein wirtschaftlichen und kulturellen Information und Meinungsbildung dienen“. Die Presseförderung soll kritischen Journalismus und unabhängige Medien unterstützen. Es gibt nur ein Problem: Die Förderung ist mittlerweile nur mehr ein Tropfen auf den heißen Stein.
Im Jahr 2019 vergab der Staat 9 Millionen Euro an Presseförderung. Für Inserate nahmen öffentliche Stellen aber 20 Mal so viel Geld in die Hand: Insgesamt flossen 178 Millionen Euro Inseratengelder an die Medien. Dieses Ungleichgewicht vergrößerte sich in den letzten Jahren immer weiter. Auf der einen Seite schrumpft die staatliche Presseförderung, sie betrug 2004 noch 13,5 Millionen Euro. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben für Inserate an. Mit anderen Worten: Medien werden immer abhängiger von Inseraten und damit von Regierungen und Parteien.
Die 178 Millionen Euro an Inseratengeldern flossen von öffentlichen Stellen, also etwa der Bundesregierung oder Landesregierungen, direkt an Medien. Das spendabelste Ministerium war 2019 das Finanzministerium mit Inseraten-Ausgaben von 7,4 Millionen Euro. Qualität ist offensichtlich kein Kriterium bei der Inseratenvergabe – abgecasht haben vor allem die Boulevardmedien. Die Kronen Zeitung erhielt Inserate im Wert von 20,4 Millionen Euro, die Gratis-Zeitungen Heute und Österreich bekamen 12,2 und 11 Millionen.
Eine Partei beherrscht das Spiel mit den Medien besonders: Die ÖVP unter Kanzler Sebastian Kurz. Unter dem Schlagwort „Message Control“ versucht die Volkspartei gezielt, Medien zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Der ehemalige Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstetter berichtet in seinem Buch „Kurz & Kickl“ über die direkte Einflussnahme von Kurz. Dieser rufe auch persönlich in Zeitungsredaktionen an, wenn ihm ein Bericht missfällt.
Auch die Vergabe von Inseratengeldern diene zur Steuerung der Medien: „Eine Boulevardzeitung, die besonders liebedienerisch geschrieben hat, wurde besonders stark mit Inseraten verwöhnt“, schreibt der Ex-Chefredakteur. Darüber berichten auch andere Medien: Regierungskritische Zeitungen bekamen von Kurz weniger Geld aus den Inseratentöpfen. So kürzte die ÖVP-FPÖ Regierung 2018 die Inserate für die kritische Wochenzeitung Falter um 80 Prozent. Im Jahr davor hatte der Falter mit dem „Projekt Ballhausplatz“ besonders heikle Unterlagen über Sebastian Kurz veröffentlicht.
Das Geschäft „wohlwollende Berichterstattung gegen Inseratengelder“ wird umso gefährlicher, je abhängiger die Medien von der Finanzierung durch Inserate werden. Die öffentliche Hand lässt sich Inserate 20 Mal so viel kosten wie die Presseförderung für kritische Medien. Diese Schieflage ist auch international bemerkenswert – die österreichische Bundesregierung gibt neun Mal mehr für Inserate aus als die deutsche Regierung.
Das Tauschgeschäft ist auch gefährlich für die Demokratie. Denn nur Regierungsparteien können öffentliche Inserate in Millionenhöhe vergeben. Dadurch werden jene Parteien, die ohnehin schon an den Schalthebeln der Macht sitzen, noch mächtiger.
Die „Message Control“ von Kurz und seiner türkisen Bande geht über die Inseratenvergabe hinaus. In Erinnerung ist etwa ein Kurz-Interview mit dem Fernsehsender Puls4, als der Kanzler der Journalistin auf eine unangenehme Frage entgegnete: „Ja, aber Sie haben ja ein eigenes Hirn“. Diese Aussage war dem Bundeskanzler offenbar so peinlich, dass seine Gefolgschaft so lange Druck auf den Fernsehsender ausübte, bis die Passage aus dem Interview geschnitten wurde.
Sebastian Kurz verspürt bei seinen Medien-Methoden offensichtlich wenig Scham. Mitten in der Corona-Krise hat er sein Budget für Repräsentations-Zwecke vervierfacht. Während hunderttausende Menschen in Österreich ihre Arbeit verloren haben, hat der Kanzler jetzt eine Million Euro mehr zur Verfügung, um sich selbst darzustellen.
Julia Herr, Nationalratsabgeordnete für die SPÖ, zerlegte jüngst die Message-Control der ÖVP:
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