Immer wieder haben die großen Fußball-Klubs mit der Gründung einer eigenen europäischen Liga gedroht und so Reformen zu ihren Gunsten durchgesetzt. Nun wird es ernst: Die „European Super League“ soll kommen. Gastkommentar von Nicole Selmer, stv. Chefredakteurin des Fußballmagazins ballesterer.
Zwölf europäische Top-Klubs wollen eine eigene Fußball-Liga gründen: die „Super League“ mit 15 fixen Teilnehmern und nur fünf Gastvereinen, die sich jährlich qualifizieren können. In der derzeitigen Champions League müssen sich alle 32 Vereine zuerst sportlich qualifizieren.
Die Idee ist nicht neu, die Motive dahinter ebenso wenig. Die Klubs wollen mehr Geld, und sie wollen die Sicherheit, dass dieses Geld unabhängig von möglichen sportlichen Durchhängern fließt. Die Champions League löste 1992 aus genau diesen Gründen den alten Landesmeistercup ab: Statt K.-o.-Runden von Anfang an gibt es seitdem Gruppenphasen mit einer garantierten Anzahl von Spielen.
Das Modell ist in den vergangenen drei Jahrzehnten immer mehr auf die Bedürfnisse der großen Klubs der großen Ligen – Deutschland, England, Italien, Spanien – zugeschnitten worden. Für sie ist das notwendige Übel der sportlichen Qualifikation über die heimische Liga aufgeweicht, aber bislang nicht komplett über Bord geworfen worden. Mit solchen Hemmnissen für eine zuverlässige Kalkulationen macht die „European Super League“, wie die Klubs sie nennen, Schluss: Dort gibt es 15 fixe Teilnehmer und fünf Gäste, die 15 Premiumpartner sind vor Ärgernissen wie Schwächephasen oder gar Abstiegen sicher.
Das Schreckgespenst eines solchen Bewerbs dient den beteiligten Klubs – allen voran Juventus Turin unter seinem Präsidenten Andrea Agnelli – schon lange als Drohkulisse, um weitere Reformen der Champions League in ihrem Sinne durchzusetzen. Jetzt machen sie anscheinend ernst.
Was sich geändert hat, schreiben die Klubs in ihrem Statement: Die Pandemie habe das bestehende Wirtschaftsmodell destabilisiert. Oder anders gesagt: Den Vereinen geht’s dreckig. Barcelona, Juventus und Real sind hoch verschuldet. Die neuen Eigentümer der italienischen Klubs AC Milan und Inter Mailand haben heuer viel Geld investiert. Und in England ist die heimische Liga mittlerweile so stark, dass selbst bei den gigantischen Summen aus den TV-Rechten nicht genug übrigbleibt, um alle zu befriedigen. Arsenal, Milan und Tottenham waren für die heurige Champions League nicht einmal qualifiziert, Inter und Manchester United schieden in der Gruppenphase aus – der sportliche Wettbewerb ist ein Hund.
Der Zeitpunkt für die Gründung ist strategisch klug gewählt, denn der Gegner – der europäische Fußballverband UEFA – hat gerade einige Brände zu löschen. Sie muss ihre Klubbewerbe noch über die Bühne bringen, und vor allem wollte sie genau jetzt endlich entscheiden, wie und wo die aus dem Vorjahr mitgeschleppte Europameisterschaft, die größte Cash Cow des Verbands, gespielt wird.
Die zwölf Klubs schlagen mit ihrer Super League also genau dann zu, wenn ihr Gegner, der bis vor einigen Stunden noch ihr Partner war, es am wenigsten brauchen kann. In einer ersten Reaktion kündigte die UEFA gemeinsam mit den beteiligten Ligen die Maximalstrafe an: den Ausschluss der Klubs aus den bestehenden Bewerben. Die Super League sei ein zynisches Projekt, das zu einer Zeit komme, da die Gesellschaft mehr denn je Solidarität brauche.
Um die Solidarität mit kleineren Klubs und Ligen allerdings hat sich auch die UEFA in ihren Reformplänen herzlich wenig geschert. Und genau das verursacht den besonders schalen Beigeschmack der Super-League-Gründung: Sie ist ein zynisches neues Projekt, das ein zynisches altes Projekt ablösen möchte.
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