Thomas Stelzer übernahm den Landeshauptmann-Sessel vor vier Jahren im April 2017. In seiner Amtszeit kürzte er Wohnbeihilfe, Mindestsicherung und Sozialhilfe. Weniger sparsam war Stelzer anderswo: Der Sportwagenhersteller KTM, dessen Chef Stefan Pierer zu den größten ÖVP-Spendern zählt, bekommt Millionen-Förderungen aus dem Kulturbudget. Eine Bilanz zu vier Jahren Stelzer.
Was hat Thomas Stelzer in 4 Jahren als Landeshauptmann für OÖ gemacht?
Im April 2017 wurde Thomas Stelzer (ÖVP) als Landeshauptmann angelobt. Er folgte Josef Pühringer nach und regiert seitdem gemeinsam mit seinem Koalitionspartner FPÖ. Die NeueZeit unternimmt einen Rückblick abseits des beherrschenden Corona-Themas: Was hat Thomas Stelzer in seinen vier Jahren als Landeshauptmann für Oberösterreich gemacht?
113 Millionen Euro Einsparungen im Sozialbereich
Nur ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt setzte Stelzer neue Prioritäten im Sozialbereich: Mit seiner ersten Budget-Vorlage im Herbst 2017 strich er dem Sozialressort 113 zugesagte Millionen wieder weg. Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) hatte mit Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer einen Budgetpfad mit jährlichen Erhöhungen vereinbart, um etwa die steigenden Gehaltskosten im Sozialbereich auszugleichen.
Mit dieser Vereinbarung brach Stelzer. Dadurch gingen allein 2018 insgesamt 18 Millionen Euro für Pflege, Wohnungslosenhilfe oder Sozialberatung verloren. Bis 2021 summiert sich die Stelzer-Kürzung auf 113 Millionen Euro, rechnete Landesrätin Gerstorfer.
ÖVP & FPÖ kürzen Mindestsicherung
Der Sparstift im Sozialbereich setzt sich auch bei der Mindestsicherung fort. ÖVP und FPÖ kürzten die Bedarfsorientierte Mindestsicherung für befristet Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte um 360 Euro – übrig blieben nur 560 Euro pro Monat. Damit mussten die Bezieher Wohnen und Essen zahlen. Die schwarz-blaue Regelung hielt nur zwei Jahre: 2018 kippte der Europäische Gerichtshof die Mindestsicherungs-Kürzung: Anerkannte Flüchtlinge müssen dieselben Mindest-Leistung erhalten wie Staatsbürger.
Schwarz-Blau blockiert „Aktion 20.000“ für Oberösterreich
Für Verwunderung sorgte die schwarz-blaue Landhaus-Koalition 2017 mit ihrer Arbeitsmarkt-Politik. Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Christian Kern rief die sogenannte „Aktion 20.000“ ins Leben. Damit erhielten Langzeit-Arbeitslose über 50 für zwei Jahre einen aus Steuergeld finanzierten Job, um wieder Fuß am Arbeitsmarkt zu fassen. Nach der Aktion fand ein Drittel der Teilnehmer tatsächlich einen neuen Arbeitsplatz.
Nicht in Oberösterreich: Stelzer und sein Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) blockierten die Aktion in einer Ausschusssitzung des Landtages. Sie argumentierten, nicht der Staat solle Jobs schaffen, sondern die Wirtschaft. Eine verwunderliche Aussage, schließlich kommt aktuell auf neun Jobsuchende nur eine freie Stelle.
400 Wohnplätze für Menschen mit Beeinträchtigung
Schon kurz nach seinem Amtsantritt als Landeshauptmann versprach Stelzer 400 dringend benötigte zusätzliche Wohnplätze für Menschen mit Beeinträchtigung. Viele Betroffene warten jahrelang auf einen Platz in einer betreuten Wohneinrichtung. Die Zusatz-Plätze sind immer noch in Arbeit, sollen aber heuer fertiggestellt werden.
Stelzer kürzt die Sozialhilfe
Weniger Geld für Alleinerziehende und kinderreiche Familien – das beschloss die Landesregierung 2019. Stelzer und Co kürzten die Sozialhilfe für Alleinstehende von 921,30 auf 885 Euro. Familien bekommen ab dem dritten Kind nur mehr 44 statt bisher 216,20 Euro pro Kind.
Außerdem schafften ÖVP und FPÖ mit ihrem Beschluss die Zuverdienstgrenze zur Sozialhilfe de facto ab. Davor durften Bezieherinnen und Bezieher bis zu 130€ monatliche dazu verdienen. Seit der schwarz-blauen Reform sind sie quasi zum Nichtstun verdonnert. Sozialhilfe-Beziehern, die etwa tageweise im beliebten Trödlerladen der Arge für Obdachlose mitarbeiten, wird ihr Zusatz-Verdienst zur Gänze von der Sozialhilfe abgezogen. Grundlage der Reform war ein von der Bundesregierung vorgegebenes neues Sozialhilfe-Gesetz. Andere Bundesländer aber verweigerten die Kürzung vorerst.
„Dieses Gesetz wird die Lebenssituation jener Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher weiter verschlechtern, die schon jetzt von Armut bedroht sind und oftmals an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden“, kritisierte Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer damals. SPÖ und Grüne hatten gegen die Kürzung gestimmt.
Tatsächlich waren im vergangenen Jahr 153.000 Menschen im Bundesland armutsgefährdet. Auch die Kürzung für kinderreiche Familien macht sich bemerkbar: 10% der oberösterreichischen Kinder leben in armutsgefährdeten Verhältnissen.
Schwarz-Blaue Wohnbeihilfe ist gesetzeswidrig
In einer anderen Angelegenheit gehen der Landesregierung ihre Sozial-Kürzungen nicht so einfach durch. 2018 krempelten Stelzer und FPÖ-Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner die Wohnbeihilfe um. Ihr Ziel: Drittstaatsangehörige sollen keine Unterstützung fürs Wohnen erhalten. Dazu koppelten sie die Beihilfe an den Nachweis von Deutschkenntnissen.
Die Praxis-Untauglichkeit der Regelung zeigt der Fall eines Oberösterreichers mit türkischer Staatsbürgerschaft. Er lebt seit 24 Jahren in Oberösterreich und spricht Deutsch auf dem geforderten Niveau. Einzig der offizielle Nachweis für seine Deutschkenntnisse – etwa ein Sprachen-Zertifikat – fehlt. Deshalb strich ihm Schwarz-Blau die Wohnbeihilfe.
Mit der krummen Regelung könnte bald Schluss sein. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes entschied: Die oberösterreichische Wohnbeihilfe verstößt gegen EU-Recht.
Bau der Regional-Stadtbahn bis 2030
Land Oberösterreich, Bund und Stadt Linz einigten sich auf die Finanzierung der 500 Millionen Euro schweren „Regional-Stadtbahn“. Die Hälfte des Geldes kommt vom Bund, den Rest teilen sich Land (85% vom Restbetrag) und Stadt (15%) auf. Von der neuen Bahn sollen vor allem die 300.000 Pendlerinnen und Pendler profitieren, die täglich die Linzer Stadtgrenze passieren. Außerdem erhalten Studierende der Kepleruni eine direkte Anbindung zum Linzer Hauptbahnhof. Bis 2030 soll alles fertig sein.
Stelzer führt Kindergarten-Gebühren ein
Seit 1. Februar 2018 müssen Eltern in Oberösterreich Gebühren für die Nachmittagsbetreuung in Kindergärten hinblättern. Sie betragen zwischen 42 und 110 Euro pro Monat, je nach Einkommen der Eltern, Anzahl der besuchten Nachmittage und der Geschwister in Kinderbetreuung.
Die Stelzer-Gebühren hatten schon ein halbes Jahr nach ihrer Einführung drastische Auswirkungen: 1.806 Kinder wurden von der Nachmittagsbetreuung abgemeldet (11,4%) und 8,6% kommen seither an weniger Nachmittagen in den Kindergarten. Damit schränkte der Landeshauptmann die Betreuung von rund 20% der oberösterreichischen Kinder ein.
Dabei zählt Oberösterreich in Sachen Kinderbetreuung ohnehin zu den Schlusslichtern im Bundesländer-Vergleich. Nicht zuletzt deshalb kann in Oberösterreich nur jede zweite Frau Vollzeit arbeiten.
4,5 Mio. Förderung für die KTM von Kurz-Spender Stefan Pierer
Während die Landesregierung im Sozialbereich an allen Ecken und Enden kürzt und die Eltern zur Kasse bittet, ist man anderswo weniger sparsam. Der Motorrad- und Sportwagenhersteller KTM erhält von Stelzer und Co insgesamt 4,5 Millionen Euro an Förderungen.
Besonders umstritten ist, dass 1,8 Millionen davon aus dem Kulturbudget stammen. Viele heimische Kulturinitiativen mussten 2018 Kürzungen zwischen 10% und 20% ihrer Jahressubventionen hinnehmen, darunter Frauenvereine oder Theatergruppen. Der Konzern KTM hingegen wird für den Bau einer „Motohall“ mit Millionen aus den Kulturförderungen begünstigt.
Pikantes Detail: KTM-Chef Stefan Pierer spendete für den Wahlkampf von Sebastian Kurz 2017 mehr als 430.000 Euro an die ÖVP.