Gesundheit

Vertrauen im Sinkflug: Was ist los mit unserem Gesundheitssystem?

Die Österreicherinnen und Österreicher vertrauen ihrem Gesundheitssystem immer weniger. Was früher als stabile Säule des Sozialstaats galt, wirkt heute brüchig: zu wenig Personal, überfüllte Spitäler, lange Wartezeiten. Immer häufiger machen tragische Fälle wie zuletzt in Rohrbach deutlich, dass das System nicht mehr einfach überlastet ist, sondern stellenweise versagt.

Die wachsende Skepsis zeigt sich inzwischen auch deutlich in den Zahlen. Fast die Hälfte der Befragten einer aktuellen Umfrage des Gallup Instituts meint, die Gesundheitsversorgung habe sich im vergangenen Jahr verschlechtert. Laut dem Austrian Health Report 2025 rechnen mehr als acht von zehn Menschen mit Leistungskürzungen durch die Krankenkassen, ebenso viele erwarten neue Sparmaßnahmen der Politik. Drei Viertel halten eine private Zusatzversicherung künftig für notwendig. Ein alarmierendes Signal in einem Land, das sich einst auf die solidarische Gesundheitsversorgung als Herzstück seiner sozialen Sicherheit berief.

Tragischer Fall in Rohrbach

Wie dramatisch die Lage ist, zeigen die jüngsten Ereignisse in Oberösterreich. Im Klinikum Rohrbach starb eine Mühlviertlerin mit einem Riss in ihrer Hauptschlagader. Weil spezialisierte Kliniken keine Kapazität hatten — weder in Oberösterreich noch in angrenzenden Ländern – konnte sie nicht rechtzeitig operiert werden. Der Fall löste landesweite Bestürzung aus und wurde zum Symbol einer Notfallversorgung, die zunehmend an ihre Grenzen stößt.

Kepler-Klinikum: 150 Operationen weniger pro Monat

150 Operationen weniger pro Monat im Kepler Klinikum. © KUK

Nur wenige Tage vor dem tragischen Fall in Rohrbach kündigte das Kepler Universitätsklinikum in Linz an, monatlich rund 150 planbare Operationen zu streichen, weil Pflegekräfte und Anästhesist:innen fehlen. Beides sind keine Zufälle, sondern Symptome eines Systems, das permanent am Limit läuft. Jedes fehlende Teammitglied, jedes ausgefallene Bett, jede unbesetzte Kassenstelle wird sofort spürbar.

Steiermark: Proteste gegen Plan B der Landesregierung

Auch in der Steiermark wächst die Verunsicherung. In Bad Aussee oder Bruck an der Mur fühlen sich viele Menschen im Stich gelassen, weil Abteilungen oder Ambulanzen reduziert oder zusammengelegt werden. Besonders im LKH Bad Aussee regt sich Widerstand. Die blau-schwarze Landesregierung plant, den Standort künftig zu verkleinern. Das stößt in der Region auf heftige Kritik. Das Forum Pro LKH Bad Aussee – ein Zusammenschluss aus Bürgermeister:innen, Ärzt:innen und Bürger:innen – fordert den Erhalt einer vollwertigen Internen Abteilung, der Unfallchirurgie, Orthopädie und einer durchgehenden Notarztversorgung. Versprochen wurden Verbesserungen, tatsächlich erleben die Betroffenen das Gegenteil und sprechen von weniger Versorgung, weniger Nähe, weniger Vertrauen. Besonders die FPÖ, die sich im Wahlkampf noch als Verteidigerin der Regionalspitäler präsentierte, steht nun in der Kritik, leere Versprechen abgegeben zu haben.

Gesundheitsregion Ost: Wien stemmt 610 Millionen Euro für Gastpatient:innen

Zwischen Wien und Niederösterreich zeigt sich, wie schwer gemeinsame Planung im föderalen System fällt. Die Stadt Wien meldet allein für die Behandlung von Patient:innen aus anderen Bundesländern Kosten von rund 610 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Nachdem Wien den Druck erhöht hat, laufen nun endlich Gespräche mit Niederösterreich über eine bessere Abstimmung und faire Kostenteilung in einer Gesundheitsregion Ost. Der Fall steht exemplarisch für ein Land, in dem Gesundheitspolitik zu oft an Ländergrenzen scheitert.

Was von der Patientenmilliarde übrig blieb

Die aktuelle Vertrauenskrise ist auch das Ergebnis politischer Fehlentscheidungen. In der Ära Kurz wurde das Gesundheitssystem auf Effizienz getrimmt – auf dem Papier. Mit der Fusion der Krankenkassen versprach die türkis-blaue Regierung damals Einsparungen von einer „Patientenmilliarde“, die den Versicherten zugutekommen sollte. Doch von dieser Milliarde hat niemand etwas gesehen, wie auch der Rechnungshof bestätigte.

Weder die Versorgung wurde besser, noch die Verwaltung schlanker. Im Gegenteil, die Zusammenlegung schuf neue Strukturen, ohne alte Probleme zu lösen. Heute gilt das Projekt als Beispiel dafür, wie groß die Lücke zwischen Ankündigung und Realität geworden ist und warum das Vertrauen in das System weiter erodiert.

Zukunft bitte warten!

Das österreichische Gesundheitswesen funktioniert, aber immer öfter am Limit. Und verliert etwas, das schwerer wiegt als Strukturen oder Zahlen: seine Selbstverständlichkeit. Wenn Behandlungen verschoben werden, Kapazitäten fehlen und in manchen Regionen ganze Abteilungen reduziert werden, zeigt sich, wie sehr das System unter Druck steht.

Wer dieses Vertrauen zurückgewinnen will, braucht keinen „Plan B“. Sondern endlich den Mut, das System neu zu denken, bevor aus der Krise Gewohnheit wird.

NeueZeit Redaktion

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Tags: Bad Aussee Gesundheitsregion Ost Gesundheitssystem Kepler Klinikum Linz Patientenmilliarde Plan B Rohrbach Spital Spitäler spitalskürzungen

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