Der amtierende ÖVP-Klubobmann August Wöginger soll 2017 das Finanzministerium zum Amtsmissbrauch angestiftet haben, um den Chefposten eines oberösterreichischen Finanzamtes parteipolitisch zu besetzen. Jetzt hat der Immunitätsausschuss im Parlament die Auslieferung von Wöginger beschlossen – die Ermittlungen gegen ihn können offiziell starten.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wohl bald gegen den nächsten hochrangigen ÖVP-Politiker. Der Immunitätsausschuss im Parlament hat am Mittwoch die „Auslieferung“ des türkisen Klubchefs August Wöginger beschlossen.
Für Nationalratsabgeordnete wie Wöginger gilt grundsätzlich Immunität gegen Strafverfolgung, wenn das mutmaßliche Verbrechen im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit steht. Diese Immunität hat der Parlamentsausschuss jetzt einstimmig aufgehoben, Wöginger also „ausgeliefert“. Am Donnerstag stimmt noch das Nationalrats-Plenum darüber ab – der Beschluss ist aber nur mehr Formsache. Dann können die Ermittlungen gegen ÖVP-Klubobmann Wöginger offiziell starten.
Wöginger, der alle Vorwürfe bestreitet, hatte sich selbst für seine Auslieferung ausgesprochen: „Ich möchte, dass es hier rasch zur Aufklärung kommt“. An einen Rücktritt denkt er trotz der bald laufenden Ermittlungen wegen „Anstiftung zum Amtsmissbrauch“ nicht. Damit ist er in guter Gesellschaft mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz oder Ex-Finanzminister Gernot Blümel. Auch die beiden schlossen einen Rücktritt trotz Ermittlungen lange aus. Bis der Druck zu groß wurde und beide abdanken mussten…
Der Hintergrund der Ermittlungen: 2017 sucht das Finanzamt Braunau-Ried-Schärding einen neuen Vorstand. Als aussichtsreichste Kandidatin gilt Christa Scharf, eine erfahrene Beamtin, die das Finanzamt zur Zeit der Ausschreibung sogar schon interimistisch leitet. Doch statt ihr wird ein Quereinsteiger neuer Chef. Seine vermeintlich beste „Qualifikation“: Er ist ÖVP-Bürgermeister einer kleinen Gemeinde.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet, dass der Oberösterreicher August Wöginger beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, für seinen Parteifreund interveniert hat. Darauf deuten Chats hin. Nach der erfolgreichen Bestellung des ÖVP-Bürgermeisters zum Finanzamt-Chef schreibt Schmid an Wöginger: „Wir haben es geschafft (…) Der Bürgermeister schuldet dir was!“
ÖVP-Klubchef August Wöginger selbst bestreitet, den Bestellvorgang beeinflusst zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Dass bei der Postenbesetzung etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls schon bestätigt. Es urteilte im Sommer 2021, dass die Bestellung diskriminierend war, Christa Scharf sei eigentlich die qualifiziertere Bewerberin gewesen.
Scharf packte später aus und berichtete von unglaublichen Zuständen im Finanzamt Braunau-Ried-Schärding. Der ÖVP-Kandidat sei völlig unqualifiziert gewesen. „Fachlich hat der keine Idee“, sagte Christa Scharf. „Über die Zeit haben ihm die Bediensteten verschiedene Sachen beigebracht. Was macht man bei einem Führungskräftemeeting? Was ist die Arbeitnehmerveranlagung? Das Programm kannte er nicht. Also die Standardsachen waren ihm nicht bekannt.“
Außerdem sei der ÖVP-Mann nur selten in der Arbeit gewesen: „Er war ganz wenig anwesend und dann vielleicht einmal zwischen 10 und 12, wo wir uns manchmal gefragt hatten: `Wie geht das?´“
Zumindest Wögingers Landespartei in Oberösterreich glaubt fest an seine Unschuld. Der türkise Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger hält August Wöginger für einen „gewissenhaften und engagierten Politiker. Er hat mehrmals betont, dass er zu keinem Zeitpunkt auf die Kommission Einfluss genommen hat. Wir gehen davon aus, dass die Ermittlungen ebenso zu diesem Schluss kommen werden.“
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