Als Zucker in den 1950er Jahren unter Verdacht gerät, schuld an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht zu sein, ist das Image der Zucker-Industrie bedroht – vor allem aber ihr Umsatz. Die Zuckerlobby reagiert: Sie startet skurrile Werbekampagnen und fälscht Forschungsergebnisse, um die Schuld einzig Cholesterin und Fett in die Schuhe zu schieben. Mit Erfolg verwirren Lobbyisten jahrzehntelang die Gesellschaft und vertuschen die Folgen des Konsums. Die Geschichte der Zucker-PR und ihrer Lügen zur Profit-Maximierung.
Wir schreiben die 50er Jahre und die westliche Welt genießt den wirtschaftlichen Aufschwung. Lebensmittel werden günstiger und sind in nie dagewesener Fülle verfügbar. Und vor allem von einem gibt es plötzlich viel: Zucker. Bis vor Kurzem ein Luxusgut, ist er nun zur Massenware geworden. Innerhalb von hundert Jahren hat sich der Zuckerkonsum in Amerika von 6 kg auf 30 kg pro Person und Jahr verfünffacht.
Aber nicht nur der Verzehr von Süßem steigt. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und das Gewicht der Menschen nehmen zu. Als 1955 der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower einen Herzinfarkt erleidet, gerät erstmals öffentlich Zucker unter Verdacht, für die zunehmenden Erkrankungen verantwortlich zu sein.
Die Zucker-Industrie reagiert auf diese Vorwürfe mit weltweiten Werbekampagnen. Neben Schlagzeilen wie „Zucker macht schlank“, „Zucker ist gesund“ oder „Zucker macht die Zähne weiß“ heißt es in einer deutschen Werbung auch „Ach wäre das Leben hässlich, gäbe es keinen Zucker mehr. Schauen Sie: dieses Mädchen, ohne Zucker wäre es dicklich und schwer.“
Was aus heutiger Sicht befremdlich und sogar lächerlich wirken mag, zeigt damals Erfolg: Die Zucker-Industrie wird einer der mächtigsten Wirtschaftszweige.
Eine Gruppe von Zuckerlobbyisten schließt sich zur „Sugar Research Foundation“, kurz SRF, zusammen. Ihr Ziel ist es, wissenschaftliche Ergebnisse zu finden, die von der Schädlichkeit des Zuckers ablenken.
Diese Foundation zahlt 1961 sogar 50.000 US Dollar an drei Forscher der „Harvard University of Public Health“, um Studienergebnisse zu verfälschen. Unter dem Decknamen „Projekt 226“ sucht die Arbeitsgruppe nach Belegen für die Unbedenklichkeit von Zucker und weil man keine findet, muss ein anderer Sündenbock her: tierisches Fett. Dieses sei schuld an Herzinfarkten und Übergewicht, von Zucker ist keine Rede mehr.
Eine andere großangelegte 7-Länder-Studie des Ernährungswissenschaftlers Ancel Benjamin Keys schafft es sogar auf das Titelblatt der „New York Times“. Wie viel dafür gezahlt wurde, ist nicht bekannt. Keys berichtet, in allen Ländern Fett als Ursache für Herzinfarkte gefunden zu haben. Dabei erwähnt er nicht, dass die Studie von der Zuckerlobby finanziert und von 22 untersuchten Ländern nur die 7 mit passenden Ergebnissen veröffentlicht wurden.
Der Wissenschaftler John Yudkin zweifelt diese Geschichte stark an. Er belegt, dass Zucker sehr wohl Auslöser für Herzerkrankungen ist. Eine Hetzjagd der Zuckerlobby gegen ihn beginnt. Im Rahmen des „Projekt 226“ wird an einer Entkräftigung seiner Ergebnisse gearbeitet. In seinem 1972 erschienenen Buch Pure, White, Deadly (Pur, weiß, tödlich) versucht der Wissenschaftler noch einmal, die Wahrheit ans Licht zu bringen und ein Umdenken anzuregen. Allerdings ohne Erfolg. Die Zuckerlobby hat ihn mundtot gemacht. Yudkin verstirbt 1995 als weitgehend vergessener Wissenschaftler, der schon vor 50 Jahren bewies, was wir heute wissen.
Die Lügen der Zuckerindustrie halten sich hartnäckig. Zu Beginn der 80er Jahre sind sogenannte Low-Fat-Diäten und Light-Produkte auf dem Vormarsch. Wer sich gesünder ernähren oder an Gewicht verlieren möchte, greift gern zu diesen Produkten, auch heute noch. Um ihre Umsätze unter einem gesünderen Image weiter zu steigern, schließen sich Zucker- und Margarineindustrie zusammen. Sie ersetzen das tierische Fett durch Zucker und Margarine und schaffen so kalorienreduzierte „Diätprodukte“.
Im aufkommenden Schlankheitswahn der 80er lässt sich so der Zucker unter dem gesunden Deckmantel der Low-Fat-Produkte an die Bevölkerung bringen. Nur wenige wissen, dass das fehlende Fett dabei durch Zucker ausgeglichen wird.
In den folgenden Jahrzehnten kann der negative gesundheitlich Einfluss von Zucker immer wieder wissenschaftlich belegt werden und ist weitestgehend bekannt. Die WHO empfiehlt deshalb, nicht mehr als 25 Gramm Zucker pro Tag zu essen. Das entspricht etwa sechs Teelöffeln. Tatsächlich beträgt der durchschnittliche Konsum in Österreich aber beinahe das Doppelte. Und auch Low-Fat-Diäten halten sich hartnäckig. Obwohl Forschungen zeigen, dass mehr Zucker bei gleichen Kalorien zu Gewichtszunahmen, Verfettung der Zellen und Herzinfarkten führt.
Sprung in die Gegenwart: Es ist kaum mehr zu bestreiten, dass Überzuckerung einer der Gründe für Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Einige Länder wie Mexiko, Frankreich, Norwegen und Großbritannien führen deshalb eine Steuer für zuckerhaltige Getränke ein. Und scheinen damit Erfolg zu haben. So sank in diesen Ländern der Verkauf von zuckerhaltigen Limonaden und ähnlichen Produkten, der Konsum von ungesüßten Drinks nahm hingegen zu.
Die Zuckerlobby reagiert auf diese Entwicklungen weiterhin mit Abwehr. Auf der Internetseite der WVZ (Wissenschaftliche Vereinigung Zucker) wird weiterhin behauptet, es gäbe keine wissenschaftlichen Beweise für den Zusammenhang zwischen Zucker und Übergewicht. Auch eine Besteuerung von zuckerhaltigen Getränken habe sich als nicht wirksam erwiesen, heißt es auf der Website. Günter Tissen, Leiter der WVZ, treibt es noch weiter und sagt, Zucker mache weder krank noch dick.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch klagt die Zuckerlobby deshalb öffentlich an und wirft auch der Politik vor, sich von den Lügen verwirren zu lassen.
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