In England nehmen 70 Unternehmen am bisher größten Versuch zur 4-Tage-Woche teil. 3.300 Beschäftigte müssen für ein halbes Jahr nur 80% ihrer üblichen Arbeitszeit erbringen, bekommen aber weiterhin den vollen Lohn. Erste Befragungen zeigen jetzt: Die Beschäftigten sind durch die kürzere Arbeitszeit glücklicher und gesünder – und in der Arbeit sogar produktiver. In der zusätzlichen Freizeit probieren die Beschäftigten nun neue Hobbys aus, machen Sport oder kümmern sich um Haushalt und Familie.
Es ist der bisher größte Feldversuch zur 4-Tage-Woche: In England haben 70 Unternehmen die Arbeitszeit um ein Fünftel gekürzt. 3.300 Beschäftigte arbeiten jetzt nur mehr 80% der üblichen Arbeitszeit, bekommen aber weiter den vollen Lohn. Der im Juni gestartete Versuch läuft insgesamt sechs Monate.
Erste Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigen aber schon jetzt: Der Großteil der Beschäftigten will die kürzere Arbeitszeit beibehalten. Die Angestellten berichten, sie seien jetzt glücklicher, gesünder und in der Arbeit sogar produktiver.
England testet 4-Tage-Woche mit „100:80:100-Modell“
Die Idee hinter dem großen Feldversuch: Die Beschäftigten sollen nach dem „100 : 80 : 100 Modell“ arbeiten. Sie bekommen 100 Prozent des Lohns für 80 Prozent der Arbeitszeit. Im Gegenzug sollen sie versuchen, 100 Prozent der Produktivität beizubehalten, also ihre Aufgaben weiterhin zu 100 Prozent zu erfüllen.
Die Unis Cambridge, Oxford und Boston College begleiten den Versuch wissenschaftlich. Nach Ende der Testphase im November können die teilnehmenden Unternehmen entscheiden, ob sie die kürzere Arbeitszeit beibehalten oder zur regulären 5-Tage-Woche zurückkehren wollen.
Für Lisa Gilbert, Bankangestellte, steht jetzt schon fest: Die 4-Tage-Woche sei „phänomenal“. „Ich kann mein Wochenende jetzt wirklich genießen, weil ich den Freitag für Hausarbeit und andere Kleinigkeiten nutzen kann“, sagt Gilbert zum Fernsehsender „CNN“, der mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des britischen Versuchs befragt hat.
Bankmitarbeiterin Gilbert muss sich neben ihrem Job um ihren Sohn und ihre beiden Eltern kümmern – das fällt ihr mit der kürzeren Arbeitszeit jetzt deutlich leichter.
Firmen führen Zeiten für ungestörtes Arbeiten ein
Aber nicht überall ist der Wechsel auf die 4-Tage-Woche glatt verlaufen. Die PR-Agentur „Unity“ hatte anfangs Probleme. Die Umstellung sei „chaotisch“ verlaufen und die Beschäftigten seien nicht richtig auf die kürzere Arbeitszeit vorbereitet gewesen. Nach zwei Wochen seien die Startschwierigkeiten aber gemeistert gewesen, berichtet die Direktorin der Agentur.
Die Lösung: Die PR-Agentur hat Besprechungen und Meetings verkürzt. Außerdem haben die Angestellten jetzt eine „Ampel“ an ihrem Arbeitsplatz. Grünes Licht signalisiert den Kolleginnen und Kollegen: „Ich bin bereit für Gespräche oder Fragen“. Schalten die Angestellten aber auf „rot“ um, wollen sie nicht gestört werden. Denn dann arbeiten sie konzentriert an einer Sache.
Auch die Firma „5 Squirrels“, ein Pflegeprodukte-Hersteller, hat solche Konzentrationsphasen eingeführt. Jeden Morgen und jeden Nachmittag ignorieren die Beschäftigten zwei Stunden lang alle E-Mails, Anrufe oder sonstigen Nachrichten, um ungestört an ihren Projekten arbeiten zu können.
„5-Tage-Woche ist ein Konzept aus dem 20. Jahrhundert“
Viele von „CNN“ befragte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Versuchs berichten, sie hätten in der gewonnen Freizeit neue Hobbys wie Kochen oder Klavierspielen angefangen, lange hinausgeschobene Projekte umgesetzt oder einfach mehr Zeit in ihre Beziehungen investiert. Manche engagieren sich an ihrem neuen freien Tag auch ehrenamtlich in Vereinen.
Emily Morrision, Angestellte bei einer PR-Agentur, erzählt, die 4-Tage-Woche habe ihre psychische Gesundheit verbessert. Die längere Auszeit habe ihr geholfen, „meine mentale Gesundheit zu verbessern und die Woche mit einer positiveren Einstellung anzugehen.“
Bankdirektor Mark Howland wiederum nutzt die neu gewonnene Freizeit für Sport. Seine Bank wird die 4-Tage-Woche wohl auch nach Ende der Testphase beibehalten. „Die 5-Tage-Woche ist ein Konzept aus dem 20. Jahrhundert, das nicht mehr ins 21. Jahrhundert passt“, sagt Howland.
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