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Lehrlinge versus Akademiker: Die österreichische Bildungspolitik schießt Eigentore

Kommentar von Dr. Kurt Oktabetz

Seit zwei Jahrzehnten beklagt die österreichische Politik die niedrige Akademikerquote. Dabei vergleicht man diese mit Ländern, in denen Kindergärtnerinnen, Krankenpfleger und ähnlichen Berufe mit einem akademischen Grad ausgezeichnet waren. In Österreich vermittelte man die Botschaft, dass nur die Matura oder eine dieser ähnlichen Berufsausbildung die Chancen für einen Aufstieg in ein gutes, einkommensadäquates Leben ermöglichen.

Die Eltern folgen diesem Aufruf und bemühen sich oder zwingen ihre Kinder in das Schulsystem, welches unnötigerweise und missverständlich geändert und nun statt Hauptschule in „Neue Mittelschule“ (NMS) umgetauft wurde. Soweit die – begabteren oder lernwilligeren – Kinder nicht eine gymnasiale Langform (AHS) wählen, versuchen sie, nach der NMS in eine fortführende Oberstufenform zu wechseln, um dort zu maturieren.

Abgesehen von immer mehr Migrantenkindern, deren Deutschkenntnisse in vielen Fällen noch schlechter sind als jene (zu) vieler `österreichischen`, sank das Niveau sowohl in den NMS, wie dann auch in den Oberstufen. Da das Bildungsprogramm jedoch nach Matura gierte, die Eltern den Druck auf ihre Kinder und auf die Lehrer verstärkten sowie in unzähligen Fällen bei Schulbehörden intervenierten (Noteneinsprüche etc), führte dies zur weiteren Niveausenkung: Selbst mit drei „Nichtgenügend“ können Schüler in die nächste Klasse aufsteigen oder – nach nicht bestandenen Nachprüfungen – mehrfach eine Klasse wiederholen und dann oft mit einem Alter von 19 bis 21 Jahren (gewaltsam) die `Reifeprüfung` ablegen. Unter den Bedingungen der Corona-Epidemie werden die Lehrer vom Bildungsministerium aufgefordert, noch mehr Milde bei der Benotung walten zu lassen. Damit ist auch der Vorwurf an die Lehrer, rechtzeitig die notwendigen Grenzen zu ziehen und der Jugend unnütze Jahre zu ersparen, obsolet.

Die Bildungspolitik als gesellschaftliches Eigentor

Die Wirtschaft sieht sich einem wachsenden Lehrlingsmangel – vor allem für technische Berufe . ausgesetzt und das Gesundheits- und Sozialsystem leidet unter fehlenden Pflegekräften.

Der bildungspolitische Effekt ist einerseits, dass es im Gegensatz zu früheren Jahren kaum Schulabbrecher gibt, die als Alternative eine Lehre absolvieren oder sich anderweitig in den Arbeitsprozess einbringen und anderseits, dass auch mit Matura allein kaum Chancen am Arbeitsmarkt bestehen. Die an sich gute Kombination von Matura und Lehre wird zu wenig in Anspruch genommen.

Zudem beklagt die Wirtschaft mangelndes Grundwissen (in Deutsch, in Mathematik und bei Fremdsprachen) und die Universitäten generell das tiefe Niveau der Neu-Inskribierten. Die Drop-Out-Quote ist bei fast allen Studienrichtungen hoch und das Frustpotenzial bei den Studienabbrechern ist noch höher als bei den Maturanten, deren Chancenversprechen sich als Irrweg erweist.

Gesellschaftspolitisch bedeuten solche Entwicklungen eine eklatante Gefahr, weil die Gruppe der enttäuschten Halbgebildeten mit der steigenden Anzahl frustrierter Arbeitslosen eine Sprengkraft entwickeln kann.

Die Bildungspolitik der letzten Dekaden hat sich als gesellschaftspolitisches Eigentor herausgestellt.

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