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Kein Platz für Antisemitismus: Salzburger Schülerinnen und Schüler besuchen kostenlos die Gedenkstätte Mauthausen

Salzburger Schülerinnen und Schüler besuchen kostenlos die Gedenkstätte Mauthausen. Bild: Mauthausen Komitee

Angriffe mit Baseballschlägern und Messern: 2020 gab es deutlich mehr antisemitische Übergriffe als die Jahre zuvor. Die Stadt Salzburg verstärkt deshalb die Aufklärungsarbeit in der Schulen. Kostenlose Exkursionen in die Gedenkstätte Mauthausen sollen die Jugendlichen sensibilisieren.

Erst letzten November wurde ein Rabbiner in Wien mit einem Messer bedroht und beschimpft. Er kam mit dem Schrecken davon. Zuvor attackierte ein Mann den Präsidenten der jüdischen Gemeinde Graz mit einem Baseballschläger. Der Attacke waren mehrere Vandalismusdelikte vorangegangen.

Mehr Übergriffe auf Jüdinnen und Juden

Doch diese Taten sind nur die Spitze des Eisbergs. Mit den zahlreichen Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie wird auch der Antisemitismus in Österreich ein noch größeres Problem.

Das spiegelt sich auch in den Zahlen der Übergriffe auf Jüdinnen und Juden wider. Die IKG (Israelitische Kultusgemeinde) meldete im Jahr 2019 insgesamt 550 antisemitische Vorfälle. Nach Ende der Lockdowns kam es im Juni zu deutlich mehr Angriffen auf Juden, Jüdinnen und jüdische Einrichtungen als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Die Zahlen fürs zweite Halbjahr 2020 werden aktuell aufbereitet und erst in einigen Wochen präsentiert. So viel kann die IKG allerdings jetzt schon sagen: Der Trend vom Juni setzt sich fort. 2020 gab es noch mehr antisemitische Vorfälle als in den letzten Jahren.

Holocaust-Überlebende fehlen, Gedenkstätten müssen die Lücke füllen

Es herrscht also dringender Handlungsbedarf. Für Schulkinder ist die Zeit des Holocaust weit weg. Meist haben sie nicht einmal ihre Großeltern selbst miterlebt. Und immer weniger Holocaust-Überlebende können von den Verbrechen der Nationalsozialisten berichten – erzählen, wozu Menschen fähig sind, aber auch wie all das begann. Vor allem aber: Dass es keine außerirdischen Monster waren, sondern scheinbar ganz normale Menschen. Der Nachbar, der Lehrer, der Schulfreund – vielleicht sogar man selbst – beteiligten sich an Verbrechen. Was bleibt, sind Geschichtsbücher, Filme und Mahnmale. Am ehesten vermitteln Gedenkstätten in ehemaligen Konzentrationslagern ein Echo der Gräuel von damals. Sie werden die Lücke füllen müssen, die durch den Tod der Überlebenden entsteht.

Einer von ihnen war Marko Feingold, er überlebte vier Konzentrationslager und verstarb 2019 im Alter von 106 Jahren. Er hat „unschätzbare bewusstseinsbildende Vermittlungstätigkeiten geleistet und als Holocaustüberlebender seine persönlichen Erfahrungen mit unzähligen Schülerinnen und Schülern geteilt.“ Dem für Bildung zuständigen Salzburger Vizebürgermeister Bernhard Auinger ist bewusst, wie schwer es wird, sein Wirken auch nur annähernd fortzuführen.

Projekt von Stadt Salzburg und Mauthausen-Komitee

Die Arbeit mit Kindern war Feingold sein Leben lang ein Herzensanliegen. Denn für ihn war klar: Kinder, die erfahren haben, wozu Menschen fähig sind, werden nicht zulassen, dass ihre Generation die Verbrechen wiederholt. Die Stadt Salzburg will dieses Vermächtnis weiterleben lassen. Auinger hat deshalb nach Gesprächen mit der Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold – Marko Feingolds Witwe – mit dem Mauthausen Komitee Österreich ein Programm für Schülerinnen und Schüler ins Leben gerufen.

Alle Schülerinnen und Schüler der 4. Klassen der städtischen Mittelschulen sollen kostenlos die Gedenkstätte Mauthausen besuchen können. Die Stadt Salzburg übernimmt dafür die Kosten für die Busreisen. Das Interesse ist groß, schon jetzt haben sich 20 Schulklassen angemeldet.

Gedenken mit Bezug zum Leben der Jugendlichen

Das Mauthausenkomitee unterstützt das Projekt mit kostenlosen Führungen durch die Gedenkstätte für die Schülerinnen und Schüler. Vorsitzender Willi Mernyi ist froh über die Initiative und Kooperation mit der Stadt Salzburg. Das Komitee entwickelte seine Führungen in enger Zusammenarbeit mit Holocaust-Überlebenden. Mernyi legt viel Wert darauf, Geschichte nicht als vergangen und abgeschlossen darzustellen: „Bei unserer Vermittlungsarbeit ist es uns besonders wichtig einen Bezug zur Lebensrealität der Jugendlichen zu schaffen“, erklärt er. Denn nur so kann aus dem Bekenntnis „Nie wieder!“ auch gelebte Praxis werden.

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