Gerüchte gibt es schon seit letztem Dezember. Nun scheint klar zu sein, dass Amazon im Süden von Graz ein großes Lager errichten will. Der Online-Versandhändler zahlt zwar kaum Steuern in Österreich, soll sich jetzt aber mitten in Steiermark einnisten dürfen. Das bringt Probleme für den Grazer Verkehr und die regionale Wirtschaft.
Noch befindet sich zwischen Liebenauer Gürtel und Esserweg ein großer Acker. Wenn es nach Amazon geht, ist es jedoch bald vorbei mit der Ruhe. Der Online-Riese plant auf einer Fläche von mehr als 20.000 Quadratmetern ein gewaltiges Verteilerzentrum. Neben einer Lagerhalle soll eine Parkgarage mit 960 Stellplätzen entstehen. Weitere Parkplätze sind im Freien geplant. Ganze 900 Transporter würden nach Fertigstellung jeden Tag Lieferungen von Bruck bis Wildon sowie Lannach bis Oberwart durchführen. Die große Masse der Transporte ginge nach beziehungsweise durch Graz.
Die Grazer Oppositionsparteien sowie Experten warnen vor den Auswirkungen eines Amazon-Verteilerzentrums. Sie befürchten eine weitere Belastung für den ohnehin schon strapazierten Öffentlichen Verkehr in der Landeshauptstadt. Graz wächst – und damit auch die Probleme mit überfüllten Bims und Bussen. Umweltbelastungen durch den Autoverkehr sind die Folge. Die Stadt nimmt bereits jetzt einen Spitzenplatz im österreichischen Feinstaubranking ein: In keiner anderen Landeshauptstadt ist die Feinstaub-Belastung für die Bewohner höher als in Graz. Das geplante Amazon-Lager wird wohl zu noch mehr Verkehrsproblemen führen.
Nicht nur für Verkehr und Umwelt, auch für die lokale Wirtschaft könnte die Ansiedelung des Online-Konzerns zum Problem werden. Viele Klein- und Mittelbetriebe ringen in der Corona-Pandemie ums wirtschaftliche Überleben. Schon jetzt kann vor allem in den Grazer Außenbezirken ein regelrechtes Geschäftesterben beobachtet werden. Das neue Amazon-Lager bedeutet zusätzliche Konkurrenz für die in der Krise angeschlagenen heimischen Betriebe.
Kritiker spitzen zu: Der Bau eines Amazon-Lagers bei Graz sei die beste Maßnahme, um die Probleme der Stadt zu verschlimmern.
Der Umgang mit dem Online-Riesen Amazon ist auch abseits des neuen Lagers in der Steiermark von Bedeutung. In seiner Selbstdarstellung ist der Konzern ein fortschrittliches und freundliches Unternehmen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Amazon hat Ausbeutung zu seinem primären Geschäftsmodell gemacht. Darunter leiden weltweit zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine einzige Razzia der Finanzpolizei im Verteilerzentrum Großebersdorf in Niederösterreich hat 987 Beanstandungen nach sich gezogen. Darunter Verstöße gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz oder gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz. In anderen Worten: Wer bei Amazon in Niederösterreich arbeitet, verdient einen gesetzeswidrigen Billig-Lohn und ist nicht einmal ordentlich versichert.
Leiharbeiter machten einen Großteil der Belegschaft im Verteilerzentrum aus. Sie leben in ständiger Angst um ihren Job. Viele Zusteller von Amazon, die jeden Tag die Pakete des Konzern direkt an die Kunden ausliefern, werden in die Scheinselbsständigkeit gedrängt. Der Online-Riese drückt sich so vor Sozialabgaben. Leidtragende sind die Zusteller selbst, die in vielen Fällen nur vier Euro pro Stunde verdienen. Zu allem Überfluss bezahlt der Konzern, dessen Chef Jeff Bezos der reichste Mensch der Welt ist, kaum Steuern in Österreich.
Angesichts der Fakten müssten bei der türkis-blauen Rathauskoalition alle Alarmglocken läuten. Bei Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), einem selbst ernannten Verfechter der Innenstadt-Kaufleute, klingt aber eher Resignation durch: „Die Grazer und Steirer haben mit ihrem Kaufverhalten abgestimmt. Amazon würde kein Logistiklager für den Großraum Graz planen, wenn nicht so viel bei Amazon gekauft werden würde.“ Für seinen Vize Mario Eustaccio (FPÖ) ist die Aussicht auf zusätzliche Arbeitsplätze grundsätzlich erfreulich, auch wenn es „wünschenswerter wäre, würden diese durch heimische Betriebe mit gerechten Löhnen und fairen Steuerabgaben entstehen“. Das Verteilerzentrum solle so verträglich wie möglich in die Stadt integriert werden.
Ein klares Nein zum Verteilerzentrum kommt von der SPÖ. Klubobmann Michael Ehmann stellt klar: „Aus unserer Sicht spricht nichts dafür, dass dieses Projekt seitens der Stadt forciert werden sollte, ganz im Gegenteil.“ Ehmann übt außerdem Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon. KPÖ und Grüne sprechen sich ebenfalls gegen das Verteilerzentrum aus.
Dass ein anderer Umgang mit dem Internet-Konzern möglich ist, zeigt eine Kärntner Initiative. Unter dem Motto „Region statt Amazon“ listet sie online auf, wo im eigenen Ort lokale Produkte erhältlich sind. Mehr und mehr Menschen wollen Waren aus ihrer Region kaufen. Gleichzeitig kämpfen viele kleine Gewerbetreibende in den Ortschaften ums Überleben. Die Kärnter Initiative „Kauf im Ort“ bringt sie zusammen und will so die regionale Wirtschaft stärken.
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