Interview: Wir haben mit Ökonom Lukas Lehner und Uni-Professor Jörg Flecker über das Jobgarantie-Projekt in Marienthal gesprochen. Als wissenschaftliche Begleiter haben sie an dem Projekt mitgearbeitet. Das Ziel: 150 Langzeitarbeitslosen einen Job ermöglichen und so die Menschen langfristig aus der Arbeitslosigkeit rausholen. 2020 vom damaligen AMS-Chef Sven Hergovich gestartet, entwickelte es sich zu einem internationalen Erfolg und Vorzeigemodell. Die schwarz-blaue Landesregierung ließ es jetzt auslaufen.
Erik Mehrle: Das AMS Niederösterreich hat ein weltweit erstes Job-Experiment gewagt und Langzeitarbeitslosen in Gramatneusiedl eine „Jobgarantie“ verschafft. Wie bewerten Sie als Studienleiter das Projekt? Was ist das Besondere daran?
Ökonom Lukas Lehner: Die Ergebnisse der Evaluierungen mit Maximilian Kasy sowie der Studie von Jörg Flecker und Hannah Quinz sind rundum positiv. Das Projekt hat gezeigt, dass arbeitslose Menschen freiwillig arbeiten möchten, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen. Besonders an dem Projekt war, dass es sich um eine tatsächliche Garantie gehandelt hat, in der jede Person in der Gemeinde Gramatneusiedl, die ein Jahr oder länger arbeitslos war, einen garantierten Job angeboten bekommen hat. Dieser war freiwillig und wurde mit einem kollektivvertraglich festgesetzten Lohn bezahlt.
Was sind die Schlussfolgerungen des Projekts? Wie ist es den Menschen damit gegangen wieder in einen Berufsalltag eingegliedert zu sein?
Lukas Lehner: Arbeit hat die wirtschaftliche und soziale Situation der Menschen deutlich verbessert. Zum einen wurde die finanzielle Absicherung deutlich gestärkt. Zum anderen hat sich die psychosoziale Stabilität, die soziale Eingliederung, die Anerkennung und die Lebenszufriedenheit deutlich verbessert. Deutliche Verbesserungen gab es auch darin, dass die Personen mehr Sinn im Leben gesehen haben, ihr Tagesablauf strukturierter war und die Menschen aktiver waren. Marie Jahoda hat diese Eigenschaften als die sogenannten latenten Funktionen der Arbeit beschrieben und vor über 90 Jahren in einer bahnbrechenden Studie am selben Ort, in Marienthal, gemeinsam mit Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel erforscht.
Das Projekt hat auch international sehr gute Resonanz hervorgerufen. Dennoch hat die Schwarz-Blau Landesregierung das Projekt nun beendet. Wie erklären Sie sich das?
Professor Jörg Flecker: MAGMA war ein Pilotprojekt und auf dreieinhalb Jahre befristet. Es wäre zu erwarten gewesen, dass es bei Erfolg breiter umgesetzt wird. Das erfolgt jetzt vorerst nicht. Es gibt von der ÖVP und der FPÖ wohl auch deshalb politischen Widerstand, weil man die arbeitslosen Personen den Arbeitgeber:innen ausgeliefert wissen will – Arbeitgeber:innen, die diese Personen offensichtlich ohnehin nicht einstellen.
Was bedeutet das jetzt für die Menschen, die an dem Projekt teilgenommen haben?
Jörg Flecker: Fast ein Drittel der Teilnehmenden haben über das Projekt oder während des Projekts einen Job anderswo gefunden. Andere stehen nun ohnehin vor der Pension. Aber es bleibt ein Teil, für den eine dauerhafte geförderte Beschäftigung sehr wichtig wäre.
Glauben Sie, dass das Projekt als Vorbild für weitere Arbeitsplatz-Projekte in anderen Ländern dienen kann?
Lukas Lehner: Eine Reihe von Projekten in europäischen Ländern führen ähnliche Programme durch. Dazu gehören Projekte in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Italien. Insbesondere in Frankreich gibt es bereits in etwa jeder zweiten Region ein Projekt, dass arbeitslosen Menschen garantierte Beschäftigung anbietet. Über die europäische Kommission werden derzeit 23 Millionen Euro zur Co-Finanzierung von Jobgarantie Pilotprojekten zur Verfügung gestellt. Das europäische Parlament hat eine Resolution mit Bezug auf die Marienthal Jobgarantie beschlossen, die die Einführung von Jobgarantie Programmen im Rahmen der Green Transition vorschlägt.
Noch einmal in aller Kürze zusammengefasst: Was sind die drei wichtigsten Punkte, die Sie als wissenschaftlicher Studienbegleiter aus dem Marienthal-Projekt ziehen konnten?
Jörg Flecker: 1. Die Wiederbeschäftigung im Rahmen eines geförderten Projekts hat für die meisten Teilnehmenden positive Wirkungen. 2. Bei einer Arbeitsplatzgarantie kommt es stark auf die Art der Umsetzung der Idee an, zu der unter anderem die Freiwilligkeit, die Betreuung, die Durchlässigkeit zu anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und die Einbindung in die Gemeinde gehört. 3. Die Vielfalt unter den Teilnehmenden, die sich im Unterschied zu anderen Beschäftigungsprojekten daraus ergibt, dass man allen Langzeitbeschäftigungslosen das Angebot macht, ist zwar eine Herausforderung (z.B. wenn es um adäquate Tätigkeiten geht), zugleich aber auch ein Vorteil (wegen der erweiterten Möglichkeiten zur gegenseitigen Unterstützung, der Chance auf größere Wertschätzung im Ort etc.).
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