Beim ersten Stimmungstest nach dem Bekanntwerden der Kurz-Affäre muss die ÖVP eine herbe Niederlage einstecken: Sie verlor bei der Bürgermeister-Stichwahl in OÖ jeden dritten Ortschef.
Wie wirken sich die ÖVP-Inseraten-Affäre und die Ermittlungen gegen Sebastian Kurz und Co auf die Wählerinnen und Wähler aus? Besser als jede Umfrage ist da wohl die Probe aufs Exempel. Am Sonntag wählten 72 oberösterreichische Gemeinden bei der Bürgermeister-Stichwahl einen neuen Ortschef.
Die Wählerinnen und Wähler haben offenbar genug von Kurz und seinen Machenschaften: Jeder dritte ÖVP-Bürgermeister wurde abgewählt. Darunter sind schmerzliche Niederlagen – die Volkspartei verlor gleich vier Bezirkshauptstädte an die SPÖ.
Minus 12 Prozent für ÖVP-Kandidaten in Linz
Besonders deutlich fiel das Ergebnis in der Landeshauptstadt Linz aus. ÖVP-Kandidat Bernhard Baier verlor 12 Prozent im Vergleich zur letzten Stichwahl vor sechs Jahren. Baier kommt nur mehr auf 26,9 Prozent, 2015 waren es noch 39 Prozent. Linzer Bürgermeister bleibt der mit 73,1 Prozent wiedergewählte Klaus Luger (SPÖ).
In den Bezirkshauptstädten Vöcklabruck, Freistadt, Schärding und Eferding mussten die ÖVP-Ortschefs ihre Bürgermeister-Sessel für die SPÖ-Herausforderer räumen.
Bürgermeister-Stichwahl Ergebnisse in OÖ: ÖVP verliert Freistadt nach 48 Jahren
Eine schwere Niederlage musste die Volkspartei in Freistadt einstecken. Die Gemeinde im ländlichen Mühlviertel gilt als „tief schwarz“, die ÖVP regierte Freistadt 48 Jahre lang – bis Sonntag. Die türkise Amtsinhaberin Elisabeth Teufer wurde überraschend abgewählt. Neuer Bürgermeister wird der Sozialdemokrat Christian Gratzl.
Im ersten Wahldurchgang erreichte ÖVP-Kandidatin Teufer noch 36,25 Prozent der Stimmen, SPÖ-Herausforderer Gratzl kam auf 32,65 Prozent. Bei der Stichwahl zwei Wochen später setzte sich nun der rote Kandidat mit fast 60 Prozent der Wählerstimmen klar durch.
Zwischen erstem und zweitem Wahldurchgang fand die Groß-Razzia bei der ÖVP-Bundespartei und im Bundeskanzleramt statt. Gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und neun weitere Beschuldigte wird wegen mutmaßlicher Inseraten-Korruption ermittelt (es gilt die Unschuldsvermutung). Auch wenn bei den Bürgermeister-Wahlen kommunale Themen im Vordergrund stehen: Für SPÖ-Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer sind die Ergebnisse ein „Denkzettel gegen das System Kurz“.
„Oberösterreichs Gemeinden sagen `Nein´ zu türkisen Korruption. Mit den öffentlich gewordenen Chats, in denen klar wird, dass ÖVP-Kanzler Kurz sein persönliches Fortkommen wichtiger ist als 1,2 Milliarden Euro in Nachmittagsbetreuung für Kinder zu investieren, wird endgültig klar: Macht, Intrigen und persönliche Interessen sind dem System-Kurz wichtiger als das Wohl der Bevölkerung“, sagt Brockmeyer.
Erster grüner Bürgermeister in OÖ
Während die ÖVP ein Drittel ihrer Bürgermeister verlor, konnte die SPÖ 14 Gemeinden neu gewinnen. Auch die FPÖ stellt künftig neue Ortschefs. Erstmals gibt es in Oberösterreich einen grünen Bürgermeister: Rudolf Hemetsberger wurde für die Grünen in Attersee gewählt.
Besonders knapp war es in Kirchdorf: Vera Pramberger (SPÖ) wurde mit nur drei Stimmen Vorsprung auf ÖVP-Kandidaten Alexander Hauser zur Bürgermeisterin gewählt.