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Crowdfunding für Genossenschaften: Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele!

Welche Arten von Crowdfunding gibt es für eine Genossenschaft?

Seit 2015 haben Finanzierungen über die sogenannte „Crowd“ an Beliebtheit gewonnen. Ob Crowdfunding, Crowdlending, Crowdinvesting oder Crowdfinancing. Die Begriffe sind vielfältig. Dabei ist die Idee selbst eigentlich gar nicht so neu. „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele!“ Davon waren schon Friedrich-Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch vor 170 Jahren überzeugt. Hier erfährst du alles darüber, welche Arten von Crowdfunding es gibt und wie sich die Genossenschaft als Instrument für Crowdfunding eignet.

Weiterlesen: Was ist eine Genossenschaft?


Salon Cooperativ – Genossenschaften erklärt
Die Kolumne von Christian Pomper

Als Überbegriff kann „Crowdsourcing“ herangezogen werden, was die Einbeziehung einer meist großen Gruppe von Menschen in Entscheidungsprozesse bedeutet. Crowdsourcing wiederum kann unterteilt werden in „Crowdwisdom“, „Crowdcreation“, „Crowdvoting“ und „Crowdfunding“. Letzteres ist eine Möglichkeit, um verschiedenste Projekte über breite Bevölkerungskreise zu finanzieren.

Welche Arten von Crowdfunding gibt es?

Beim Crowdfunding unterscheiden wir in

  • equity-based (auch Crowdfinancing bzw. Crowdinvesting genannt, betrifft die Vermittlung von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichem Finanzierungsinstrumenten gegen zB Gewinnbeteiligung)
  • lending-based (Vermittlung von Fremdkapital, also Darlehen gegen Zinsen)
  • reward-based (Vermittlung von Geld gegen kleine Präsente, wie zB CDs von gesponserten Musikgruppen)
  • donation-based (in dessen Rahmen Spenden getätigt werden).

Welche Arten von Crowdfunding gibt es und welche sind für eine Genossenschaft geeignet?

Beim spendenbasierten Crowdfunding geht es vor allem um das altbewährte Sammeln von Spendengeldern. Neu ist nur die Methode mit den potentiellen Spendern etwa via Internet-Plattform in Kontakt zu treten. Spendenbasiertes Crowdfunding ist ein ausgesprochen positives und unterstützenswertes Phänomen.

Beim kreditbasierten Crowdfunding oder Crowdlending kommt es zu einer über die Online-Plattform vermittelten direkten Kreditvergabe von Bürgerinnen und Bürgern an die jeweiligen Projektbetreiber. Wie bei jedem Kredit erwarten sich die Geldgeber hier die Rückzahlung des Kapitals samt Zinsen. Ein solches Crowdlending birgt jedoch erhebliche Gefahren für die Geldgeber, wenn die Plattformbetreiber ihre Provisionserträge optimieren und selbst keinerlei Risiko aus schlechten Projekten tragen müssen. Dementsprechend gibt es hochregulierte Einheiten namens “Kreditinstitute”, die das Kreditgeschäft als Hauptgeschäftsfeld betreiben.

In Österreich gibt es viele Weidegenossenschaften. Welche Arten von Crowdfunding es gibt und welche sich für eine Genossenschaft eignen, wird im Artikel erklärt.
Von Schlangenfänger-Genossenschaften in Südamerika, Taxifahrer-Genossenschaften in Nordamerika, Handwerker-Genossenschaften in Afrika, landwirtschaftlichen Produzenten- und Konsumenten-Genossenschaften in Asien, den typischen Kredit-Genossenschaften in Europa bis hin zu Weide-Genossenschaften in Österreich. Die Vielfalt von Genossenschaften ist unbegrenzt.

Crowdinvesting – eigenkapitalbasiertes Crowdfunding für eine Genossenschaft?

Beim eigenkapitalbasierten Crowdfunding oder Crowdinvesting wird Eigenkapital durch Beteiligung breiter Bevölkerungskreise aufgebracht. Das ist volkswirtschaftlich grundsätzlich positiv einzuschätzen. Es handelt sich jedoch auch um Risikokapital, das heißt der Erwerb eines solchen Finanzinstruments beinhaltet auch das Risiko des Verlustes des gesamten investierten Kapitals.

Einerseits gibt es zur Deckung von Kapitalanlageinteressen ein dividendenorientiertes Crowdinvesting, wo das Dividenden- und Kurssteigerungsinteresse im Vordergrund steht. Andererseits gibt es für jene Fälle, in denen die Kapitalgeber das von ihnen finanzierte Projekt selbst nutzen wollen, das nutzenorientierte Crowdinvesting. Dies entspricht dem Grundgedanken der Genossenschaft.

Nutzenorientiertes Crowdinvesting

Die Genossenschaft ist vor allem gekennzeichnet durch den „Förderungsauftrag“. Kern dieses Förderungsauftrages der Genossenschaft ist es, für ihre Mitglieder dadurch Nutzen zu stiften, dass sie Leistungen erbringt und Geschäfte mit ihnen schließt. Deshalb ist die Genossenschaft die ideale Rechtsform für das sogenannte nutzenorientierte Crowdinvesting.

Gerade für lokale Selbsthilfeaktivitäten bietet die Genossenschaft mit demokratischer Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger sowohl Entfaltungsmöglichkeiten als auch ein größeres Maß an Investitionssicherheit als andere Rechtsformen. Der rechtliche Vorteil liegt auch darin, dass es eine Prospektpflicht bei einer klassischen Genossenschaft, bei der die Mitglieder sich beteiligen, um die Leistungen der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen, von vornherein nicht gibt.

Selbst bei stärkerer Dividendenorientierung, die manchmal notwendig sein kann, weil eine Nutzung der Leistungen der Genossenschaft nur indirekt und dividendengestützt möglich ist, gibt es zu Recht höhere Freigrenzen für die Prospektpflicht. Dies hängt damit zusammen, dass die Mitglieder schon bei der Gründung durch die professionelle Wirtschaftlichkeitsprüfung des Projekts seitens des zuständigen Revisionsverbandes und in der Folge durch eine regelmäßige Wirtschaftlichkeitsprüfung der laufenden Gebarung geschützt werden.

Rein dividendenorientiertes Crowdinvesting

Wenn die Selbstnutzung der gemeinsam finanzierten Investition nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich ein Dividenden- und Kurssteigerungsinteresse, stehen verschiedenste Kapitalinstrumente zur Verfügung. Klassische gesellschaftsrechtliche Instrumente eines solchen dividendenorientierten Crowdinvestings sind die Aktiengesellschaft als Rechtsform des Kapitalmarkts, die sich als Kapitalsammelbecken für Großinvestitionen eignet, und die Publikumskommanditgesellschaft oder die Stille Gesellschaft als mögliche Rechtsformen des grauen Kapitalmarktes. Für kleinere und mittlere Unternehmen können sich Instrumente gemäß Alternativfinanzierungsgesetz zur Stärkung der Eigenkapitalbasis eignen. Der Vertrieb letzterer erfolgt meist über Internetplattformen oder direkt an die Kunden.

Demgegenüber steigen auch die Gefahren eines Missbrauchs, insbesondere durch Fehlinformation der potentiellen Anleger. Vor diesem Hintergrund wurde auch die Prospektpflicht für Großinvestitionen samt der Verpflichtung, den Prospekt prüfen zu lassen und samt der Haftung aller Beteiligten für die Richtigkeit des Prospekts eingeführt. Im Falle von Crowdinvesting-Kampagnen via Internetplattformen finanzierten Projekten wurden Mindest-Informationspflichten gemäß Alternativfinanzierungsgesetz eingeführt, um Anlegertäuschungen durch geschönte Projektbeschreibungen zu vermeiden.

Crowdfunding für eine Genossenschaft: Das Resümee

Das berühmte Dach des Guggenheim-Museums in Spanien wurde von der Genossenschaft Modragon erbaut.
Das berühmte Dach des Guggenheim-Museums in Spanien wurde von der Genossenschaft Modragon erbaut.

Wie jede andere Unternehmung auch, muss auch eine Genossenschaft – insbesondere bei der Gründung – neben ihren geplanten Investitionen – also die Mittelverwendung – die Finanzierungsseite – also die Mittelherkunft – beachten.

Die Genossenschaft ist grundsätzlich über ihren Förderauftrag nutzerorientiert ausgerichtet. Als Beispiele für erfolgreiches genossenschaftliches nutzenorientiertes Crowdinvesting ließen sich nicht nur zahlreiche historische Genossenschaftsgründungen anführen (die Geschichte des Crowdfundings gemeinsam zu nutzenden Investitionen reicht oft bis ins 19. Jahrhundert zurück). Vielmehr gibt es auch zahlreiche aktuelle Projekte im In- und Ausland. Die Palette aktueller Genossenschaftsgründungen in Österreich reicht etwa von der genossenschaftlichen Rettung eines Dorfgasthauses über die Gründung von Hackschnitzel- oder Energiegenossenschaften bis hin zu Tourismusverbänden, die unter Einbindung aller Betroffenen genossenschaftlich finanziert und organisiert werden.

Zwar ist auch bei Genossenschaften eine stärkere Dividendenorientierung im Rahmen von sogenannten investierenden Mitgliedern gemäß Genossenschaftsgesetz möglich, wobei dies jedoch nicht im Sinne des Erfinders ist. Es gilt, dass je mehr eine Genossenschaft eine Investorenorientierung anstrebt, desto mehr werden auch entsprechende Informationspflichten notwendig sein. Im Rahmen einer entsprechenden Investorenneigung könnte eine Genossenschaft auch Crowdfunding-Kampagnen zur Finanzierung und Stärkung der erweiterten Eigenkapitalbasis durchführen. Um Missbrauchsgefahren hintanzuhalten sind dementsprechende Informationspflichten bei der Durchführung einzuhalten. So hängt der Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne immer von der sorgfältigen rechtlichen Aufbereitung wie auch von einer transparenten Kommunikation gegenüber den potentiellen Investoren ab.

Aus Sicht eines potentiellen Investors oder einer potentiellen Investorin sollte jedenfalls folgendes beachtet werden: „Don´t put all your eggs in one basket“, also investiere nicht dein ganzes Geld in ein Projekt und „Kaufe nur solche Finanzierungsinstrumente, die du auch verstehst“.

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