Die österreichische Bundesregierung hat sich offenbar entweder über den Tisch ziehen lassen oder ganz einfach schlampig gearbeitet. In jedem Fall ist das Ergebnis klar – und teuer: Österreich bezahlt um 27 Millionen Euro zu viel für seine Corona-Massentests. Das liegt wohl am überhasteten Ausschreibungsverfahren der Regierung, das jetzt auch ein rechtliches Nachspiel hat und die Republik weitere Millionen kosten könnte. Und: Die Beschaffung der Massentests ist nicht die einzige Ungereimtheit bei den Corona-Auftragsvergaben.
Regierung beschafft Corona-Massentests in einer Nacht- und Nebelaktion
Die Überraschung war groß, als der Bundeskanzler am 15. November Corona-Massentests für das ganze Land ankündigte. Nicht einmal der zuständige Fachminister für Gesundheit, Rudolf Anschober, war in die Aktion eingeweiht. Dabei wurde die Massentestung bereits in den Tagen zuvor vorbereitet – wie es scheint in einer Nacht- und Nebelaktion.
Die staatliche Gesellschaft für Bundesbeschaffung (BBG) stellte am 9. November um 23:16 Uhr Anfragen an Anbieter von Corona-Schnelltests. Diese hatten nur wenige Stunden Zeit zu antworten, bis 14 Uhr des Folgetages. Das Ergebnis der übereilten Beschaffungsaktion kommt den österreichischen Steuerzahlen teuer zu stehen.
Drei Unternehmen erhalten den Zuschlag für den Auftrag. Die Firma IFMS Med liefert eine Million Tests zum Stückpreis von 4,86 Euro. Siemens verkauft dem Staat fünf Millionen Tests zu je 6,24 Euro und das Schweizer Unternehmen Roche verlangt 7,80 Euro pro Stück für insgesamt vier Millionen Schnelltests. Das ergibt ein Auftragsvolumen von rund 67 Millionen Euro für 10 Millionen Antigen-Tests. Recherchen von ORF und Kurier zeigen jetzt: Das ist viel zu teuer, Österreich kauft die Massentests zu einem überteuerten Stückpreis.
Corona-Massentests kosten in Österreich 68% mehr als in der Slowakei
Die Slowakei – das Land, von dem sich Kanzler Kurz die Idee der Corona-Massentests abschaute – bezahlt für dieselbe Menge an Schnelltests nur 40 Millionen Euro. Während die slowakische Regierung die Tests um einen Stückpreis von 4,00 Euro anschafft, bezahlt Österreich im Schnitt 6,70 Euro pro Antigen-Test. Das ist um satte 68% mehr.
Die österreichischen Steuerzahler müssen damit um 27 Millionen Euro zu viel für die Corona-Massentests bezahlen. Zum Vergleich: Die Abschaffung der Hacklerregelung, mit der die Regierung erst kürzlich die Pensionen der betroffenen Hackler um 300€ kürzte, kostet jährlich 26 Millionen Euro.
Rechtliches Nachspiel könnte die Republik weitere Millionen kosten
Die überteuerte Beschaffung hat nun auch ein rechtliches Nachspiel. Die Anwaltskanzlei Baker McKenzie beantragt beim Verwaltungsgerichtshof eine Nachprüfung des staatlichen Auftrags. Die Corona-Massentests seien durch ein intransparentes Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben worden, lautet der Vorwurf. Wird dem Antrag stattgegeben, muss die Regierung den Auftrag rückgängig machen oder 20 Prozent der Auftragssumme als Strafe zahlen – das wären weitere 13,4 Millionen Euro zulasten der Steuerzahler.
Auch die Opposition fordert Aufklärung. Für SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried sind die Mehrkosten eine Folge „der PR-Show des Kanzlers, der mit einer überhasteten Ankündigung zu den Massentests aus den Negativ-Schlagzeilen kommen wollte“. Die Sozialdemokraten wollen eine parlamentarische Anfrage an die Regierung stellen, um die Vorgänge rund um den Test-Ankauf aufzuklären.
Andere Anbieter hätten die Tests viel billiger verkauft. Das deutsche Unternehmen concile etwa bietet Antigen-Tests zum Stückpreis von 3,40 Euro an. Das Bundesland Vorarlberg kaufte beim US-Unternehmen Abbott Tests um 4,34 pro Stück. Und selbst Privatpersonen kommen günstiger zu Antigen-Tests als die Regierung: Ein Chirurg berichtet der Tageszeitung Kurier, dass er für seine Praxis kleine Mengen an Schnelltests zum Stückpreis von 6,30 kaufte – ab 500.000 Stück verlangt dieselbe Firma 4,20 pro Test.
Niederösterreich vergibt Auftrag für Corona-Tests an ÖVP-Mandatar
Im Rahmen von Corona-Auftragsvergaben kam es bereits zu mehreren Ungereimtheiten. Im Frühling deckte das Online-Magazin Kontrast auf, dass ein ÖVP-Berater Millionen mit OP-Kitteln, Schutzmasken und Handschuhen verdiente. Die türkis-blaue Landesregierung in Oberösterreich bezahlte dem ÖVP-nahen Unternehmer den sechsfachen Preis für seine Corona-Schutzausrüstung. Sein Unternehmen hatte der ÖVP-Mann erst wenige Wochen zuvor gegründet.
Auch in Niederösterreich gibt es heftige Kritik an der Vergabe von Corona-Tests an Schulen. Schüler sollen nach Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts getestet werden, dafür werden Teststationen an den Schulstandorten eingerichtet. Die ÖVP-Alleinregierung in Niederösterreich machte sich dabei offenbar keine große Mühe: Der Auftrag für die Schultests wird an ein Unternehmen vergeben, das zu 20% einem ÖVP-Mandatar gehört.