Ein halbes Jahr vor dem Start der Digitaluniversität (IDSA) in Linz gibt es weder Lehrpläne, noch Lehrpersonal – nicht einmal Unterrichtsräume. Deshalb solle die ÖVP/FPÖ-Landesregierung den Studienstart der IDSA verschieben, fordert die SPÖ. Doch Schwarz-Blau beharrt darauf den Start des Projekts – das einer Idee von Ex-Kanzler Kurz entspringt – für Herbst 2023 durchzuboxen. Das würde wohl ordentlich Chaos bedeuten und auch den „Innovationsstandort“ Oberösterrreich blamieren.
Die Gründung der Digital-Universität in Linz (Institute of Digital Sciences Austria – IDSA) sorgt wenige Monate vor dem geplanten Start erneut für Aufregung: Lehrpersonal fehlt, Raumkonzepte sind nicht vorhanden und die Studienanwärterinnen und Studienanwärter wissen noch nicht einmal, wie die Lehrpläne im Herbst aussehen sollen. Die oberösterreichische Landesregierung aus ÖVP und FPÖ will den Studienstart für das Studienjahr 2023/2024 trotz massiver Turbulenzen durchboxen.
Qualität vor Tempo: Image des Innovationsstandorts Oberösterreich am Spiel
Je näher der Studienstart im Herbst rückt, umso mehr Widerstand regt sich. Zuerst legte der Rektor der Universität für Angewandte Kunst, Gerald Bast, sein Mandat im Gründungskonvent für die neue Digitaluni zurück. Die Begründung: Mehrere Mitglieder des Gründungskomitees seien befangen. Dann sorgte die Wahl zur neuen Gründungspräsidentin für Schlagzeilen. Und nun wird auch die Kritik am Gebäudestandort lauter.
“Das IDSA droht zu einem Lehrbeispiel dafür zu werden, wie man es nicht macht. Es drängt sich die Frage auf: Geht es mittlerweile mehr um Marketing im Auftrag politisch Verantwortlicher und um ein stures Festhalten an unrealistischen Zeitplänen, als um seriöse Gründungsarbeit?”
Den Start der Digital-Universität zu verschieben, hält auch SPÖ-OÖ-Vorsitzender Michael Lindner für sinnvoll. Er erwarte sich außerdem eine Gründungs-Enquete, in der alle Unterstützerinnen und Unterstützer eingebunden sind und man noch einmal in Ruhe planen könne. Außerdem brauche es laut ihm mehr finanzielle Mittel für die Forschung zu Künstlicher Intelligenz.
Johannes Kepler Uni und neue Digitaluni – Verwirrung um Zuständigkeiten
Auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger empfindet das Vorgehen als gewagt. Er meint, dass ein verfrühter Start des IDSA eher den Ruf der Johannes-Kepler-Universität sowie der Ars Electronica als renommierte Institutionen schmälern könnte. Der Anspruch sei immerhin gewesen auch internationales Lehrpersronal nach Linz zu holen – davon ist man bei der Digitaluni noch weit entfernt.
Luger sparte auch nicht mit Kritik an Bildungsminister Martin Polaschek: Diesem seien gravierende “handwerkliche Fehler” bei der Zusage für die IDSA passiert. Und auch wenn man mit Institutsleitern und Professorinnen an der JKU spricht, herrscht auch dort Unklarheit – verschwinden die Informatikschwerpunkte der JKU nun an die IDSA?
Die Kritik der Bevölkerung, die durch die IDSA aufgekommen ist, nehme Luger jedenfalls ernst: Er will für die Zukunft Klarheit schaffen. Er verstehe, dass die Bevölkerung wissen wolle, wie sich das Uni-Viertel und die Stadtplanung entwickeln und dass nicht Stück für Stück umgewidmet werden soll. Außerdem will er die Bevölkerung in diese Widmungsverfahren stärker einbinden.
Leuchtturmprojekt statt unklare Positionierung der Digitaluni
Realistische Zeitpläne forderte auch Sozialsprecherin Doris Magereiter (SPÖ) in der letzten Landtagssitzung. Sie konfrontierte als Mitglied des Ausschusses für Bildung, Kultur, Jugend und Sport Landeshauptmann Thomas Stelzer mit der Frage, wie ein sinnvoller Studienbetrieb des IDSA in wenigen Monaten möglich sein solle. Am Zeitplan festzuhalten, stufe auch sie als äußerst fragwürdig ein. Als Vertragspartner des Bundes müsse er sich für einen seriösen Zeitplan einsetzen.
Derweil setzt Stelzer aufs Prinzip Hoffnung: Die etablierten Netzwerke von Johannes-Kepler-Universität und Ars Electronica würde gemeinsam mit Partneruniversitäten und Unternehmen schon richten, was die Landesregierung verschlafen hat. Bei der SPÖ OÖ sieht man diesen – ziemlich optimistischen – Plan skeptisch.
Der Endausbau der neuen Digitaluniversität soll 2036/2037 mit 6.300 Studierenden erreicht sein. Für die Finanzierung sind für die Gründungsphase 2022 und 2023 vorerst 18,4 Millionen Euro vorgesehen. Können OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) das Projekt noch zeitnah über die Bühne bringen?