Am 17. Mai 2019 platzte die „Ibiza-Bombe“. Sebastian Kurz beendete die Türkis-Blaue Bundesregierung mit H.C. Strache. Die folgenden Neuwahlen gewann die ÖVP haushoch. Ihr ehemaliger Koalitionspartner FPÖ wurde pulverisiert. Aus heutiger Sicht schaut der Skandal ganz anders aus: Denn 2021 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit. Sebastian Kurz regiert mit ihm weiter.
Im Mai 2019 fand der damalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel klare Worte: „Da geht es um möglichen Machtmissbrauch“, um „mögliche illegale Parteienfinanzierung“ und es sei „klar, dass man nicht einfach zur Tagesordnung übergeht“. Außerdem würden „ein paar Rücktritte nicht reichen“. Damals ging es um das Ibiza-Video und die FPÖ. Heute ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Blümel. Von Rücktritt kann keine Rede sein. Stattdessen greift die ÖVP die unabhängige Justiz an. Die Doppelmoral ist offensichtlich und wirft eine Frage auf: Ging es Kurz beim Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung 2019 um die Republik? Oder schielte er wegen seiner guten Umfragewerte auf Neuwahlen?
Als Sebastian Kurz damals die Bundesregierung sprengte, ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen kein einziges Regierungsmitglied. Es kursierte „lediglich“ ein Video von indiskutablen Gesprächen des Vizekanzlers auf Ibiza, auf denen er mutmaßlich korrupte Geschäfte anbahnen wollte – peinliches Verhalten inklusive. Natürlich war sein Rücktritt unumgänglich. Doch sonst war kein Regierungsmitglied direkt verwickelt, die Staatsanwaltschaft ermittelte noch nicht.
2021 schaut das ganz anders aus: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen den amtierenden Finanzminister der Republik Gernot Blümel. Er soll der Novomatic gegen Spenden Vorteile verschafft haben. Man erinnert sich unweigerlich ans Ibiza-Video, in dem H.C. Strache verkündete: „Die Novomatic zahlt alle.“ Denn neben Gernot Blümel ermittelt die Staatsanwaltschaft in der gleichen Causa auch gegen Hartwig Löger und Thomas Schmid. Also gegen den Finanzminister der Regierung Kurz 1, dessen Generalsekretär und den Finanzminister der Regierung Kurz 2. Ganz nebenbei ist Blümel der engste Vertraute von Sebastian Kurz. Es ist also wenig wahrscheinlich, dass er – sofern sich die Anschuldigungen erhärten – ohne Wissen des Kanzlers handelte.
Am 11. Februar durchsuchten Beamte im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Wohnung von Gernot Blümel. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre der Finanzminister (fast) überall anders zurückgetreten. 14 Tage später führten die Strafverfolgungsbehörden eine „freiwillige Nachschau“ im Finanzministerium durch. Das ist eine höfliche Umschreibung der Justiz für: „Entweder ihr lasst uns freiwillig rein, oder wir kommen mit einem Hausdurchsuchungsbefehl.“ Spätestens da hätte der Finanzminister gehen müssen und war – so fair muss man zum ehemaligen Vizekanzler sein – weit belasteter als H.C. Strache nach Erscheinen des Ibiza-Videos. Bei ihm hatten die Türkisen seinen Rücktritt – mit Recht – bereits eingefordert, bevor die Justiz überhaupt ermittelte.
Die ÖVP gab auch dieses Mal sofort Pressekonferenzen. Allerdings nicht um die Ablöse des Ministers zu verkünden. Sebastian Kurz und die türkise Truppe attackierten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heftig. Außerdem bedrohten sie alle, die die Vorwürfe gegen Blümel thematisierten. Seinen Rücktritt schloss der Finanzminister sofort aus – mit Rückendeckung der gesamten ÖVP. Für Blümel und alle anderen im Artikel genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Die laufenden Ermittlungen werfen jedenfalls neues Licht auf das Vorgehen von Sebastian Kurz im Jahr 2019: Damals sprengte er die türkis-blaue Bundesregierung – um die nicht schade ist – wegen eines peinlichen Videos, aus dem sich (handfeste) Verdachtsmomente ergaben. Heute regiert er seelenruhig mit einem Finanzminister, gegen den die Justiz ermittelt. Das ist eine ganz andere Liga.
Die Umfragen bei Erscheinen des Ibiza-Videos deuteten für etwaige Neuwahlen auf Zuwächse für die ÖVP, die Neos und einen erstarkten Wiedereinzug der Grünen in den Nationalrat hin. Fridays für Future sicherten der Öko-Partei Rückenwind. Für Kurz war also absehbar: Nach Neuwahlen würde er entweder mit einer deutlich schwächeren FPÖ weiterregieren, oder mit Grünen und Neos regieren können, die deutlich schwächer sind, als es die FPÖ als Koalitionspartner vor Ibiza war. Der Kanzler sieht und inszeniert sich gern als innovativer Macher. Da passt die erste ÖVP-Grüne Koalition gut ins Bild. Schon vor der Wahl sondierte er informell mit Werner Kogler. Und bereits als Jung-Politiker ließ er immer wieder Sympathien für diese Konstellation durchblicken.
Hier soll keine Verschwörungstheorie rund ums Ibiza-Video gesponnen werden. Doch Sebastian Kurz – oder vielmehr sein Berater und Hirn Stefan Steiner – ist ein begnadeter Opportunist, der Chancen erkennt und ergreift. Das Ibiza-Video war genau so eine Gelegenheit.
Mit ihrem Verhalten nach Erscheinen des Ibiza-Videos trieben Kurz und Co die Republik in eine handfeste Verfassungskrise. Das nahmen sie bewusst in Kauf. Denn die ÖVP ging nicht nur mit der FPÖ, sondern dem gesamten Nationalrat auf Konfrontationskurs. Kurz wollte eine de facto Alleinregierung durchsetzen. Tat er es, weil er mit Ministern, gegen die Korruptionsverdacht besteht, nicht regieren will? Dann fragt sich, wieso Gernot Blümel noch Finanzminister ist. Oder ging es am Ende nur um eines: Macht und politische Vorteile für Kurz und seine Spenderinnen und Spender?
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