Frauen

Mehr Chancen für Frauen? Der Gleichstellungsindex 2025 zeigt Fortschritte – aber keine Zielgerade.

Tulbing, Breitenau, Pitten, Pöttelsdorf und Sankt Johann im Pongau: Das sind die 5 frauenfreundlichsten Gemeinden Österreichs. Das zeigt der „Gleichstellungsindex 2025“ des österreichischen Städtebunds. 9 Dimensionen wurden untersucht – von der Bildung über die Gesundheitsversorgung für Frauen oder die Repräsentation in politischen Ämtern. Es mag zwar ein paar Vorreiter geben, doch insgesamt schneiden die österreichischen Gemeinden schlecht ab: Im Schnitt schaffen sie nur 49 von 100 möglichen Punkten. Was nun?

Ob in der Kinderbetreuung, bei der Bildung, punkto Erwerbstätigkeit und Einkommen oder in der Gesundheit – der Gleichstellungsindex 2025 zeigt: Österreich hat Aufholbedarf. Im Gewaltschutz und in der Mobilität, aber auch bei der Repräsentationen von Frauen in der Kommunalpolitik und in der Wirtschaft. 5 Gemeinden am Land zeigen entgegen des Österreich-Schnitts, das der Weg zur Gleichstellung schrittweise möglich ist. Wenn auch nur langsam.

Positivbeispiele am Land – die fünf frauenfreundlichsten Gemeinden

Um die 5 frauenfreundlichsten Gemeinden Österreichs für 2025 herauszufinden, ist es notwendig alle Landeshauptstädte, sowie die 23 Wiener Bezirke nicht ins Ranking zu nehmen. Um die Rohdaten anzusehen, klicke hier um direkt zum PDF vom „Gleichstellungs Index 2025“ zu gelangen. Unterhalb findest du unsere Auflistung:

  1. Tulbing (Niederösterreich)

Auf Platz 1 der Positivbeispiele 2025 landet die Gemeinde Tulbing im Bezirk Tulln. Die 3300-Einwohner-Gemeinde am Rand des Tullnerfelds erreicht einen Indexwert von 72 von 100 möglichen Punkten. Geleitet wird die Gemeinde seit 2022 von Bürgermeisterin Anna Haider (ÖVP).

Wie schnell es bergab gehen kann, zeigt St. Lorenzen im Mürztal (STMK). 2020 landete die damals noch rot geführte Gemeinde unter Bürgermeisterin Petra Weberhofer auf Platz 1. Sie erreichte für St. Lorenzen vor 5 Jahren sogar mehr Punkte als heuer Tulbing – nämlich 76 von 100 Indexpunkten. In den Daten des Gleichstellungsindex 2025 rasselt St. Lorenzen aber weit nach unten und erreicht unter Bürgermeister Alois Doppelhofer von der ÖVP nicht einmal mehr 60 Punkte.

  1. Breitenau (Niederösterreich)

Platz 2. liegt ebenfalls in Niederösterreich – nämlich Breitenau im Bezirk Neunkirchen. Unter der Leitung von SPÖ-Bürgermeister Robert Kwas schafft die Gmeinde einen Indexwert von 69 Punkten.

  1. Pitten (Niederösterreich)

Auf Platz 3 ist Pitten. Ebenfalls in Niederösterreich und auch im Bezirk Neunkirchen erreicht die SPÖ-Gemeinde (Bürgermeister Helmut Berger) genau wie Breitenau 69 Punkte.

  1. Pöttelsdorf (Burgenland)

Der kleine Ort Pöttelsdorf im Bezirk Mattersburg überrascht auf Platz 4. Das Dorf an der Wulka, unter der Leitung von Christian Kurz (ÖVP), schafft 68 Punkte.

  1. Sankt Johann im Pongau (Salzburg)

Die westlichste Gemeinde der Top 5 bildet Sankt Johann im Pongau. Die Salzburger Gemeinde erreicht im Index eine Bewertung von 67 von 100 Punkten. Eveline Huber (SPÖ) übernahm 2024 als Bürgermeisterin.

Luft nach oben: Gleichstellungsindex zeigt Lücke zwischen Männern und Frauen auf – aber auch Fortschritte!

Wenn man sich die österreichweiten Statistiken des Gleichstellungsindex 2025 ansieht, zeichnet sich ein Bild ab: Es gibt – und darüber lässt sich nicht streiten – Verbesserungspotenzial. Wer keine ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen in seiner Gemeinde vorfindet, kann nicht Vollzeit arbeiten gehen. Wer keinen Kassenfrauenarzt oder keine Kassenfrauenärztin im Bezirk hat, muss viel Geld zahlen oder eine weite Anreise in die Ordination in Kauf nehmen. All das sind Faktoren, die vor allem  Frauen negativ betreffen.

Quelle: Städtebund und Arbeiterkammer

Immerhin – auch heuer gibt es Lichtblicke – im Themenbereich Bildung sieht es in Österreich schon mal ganz okay aus. Laut Ranking schneiden die österreichischen Städte und Gemeinden mit 75 von 100 Punkten schon mal ganz passabel ab.

Ohne Wien: Eisenstadt überraschend unter Landeshauptstädten auf Platz 1 des Gleichstellungsindex

Die burgenländische Landeshauptstadt Eisenstadt kommt, wenn man die traditionell gut abschneidenden Wiener Bezirke ausklammert, auf Platz 1 der Landeshauptstädte. Die 76 von 100 Punkten lassen sich durch besonders hohe Werte im Bereich Gesundheit (100!), Mobilität (96), Kinderbetreuung (89), Demografie (87) und Bildung (85) erklären. Bei der Dimension Einkommen hinkt Eisenstadt nach. 46 Punkte erreicht die burgenländische Landeshauptstadt – die durchschnittliche österreichischen Gemeinde schafft gerade mal 19. Bei der Bereitstellung von ausreichend Gewaltschutzhäusern und Frauenhäusern bleibt das Burgenland 9 Unterbringungsplätze schuldig, nur 21 der in der Istanbuler Konvention geforderten 30 Plätze stehen zur Verfügung.

Istanbuler Konvention
Die Istanbuler Konvention ist ein Vertrag unter europäischen Staaten zur Bekämpfung von systematischer Gewalt gegen Frauen. Sie ist seit 2014 gültig und liefert Auflagen und Maßnahmen zur Erfüllung eben jener Ziele, darunter unter anderem eine Quote an Frauenhausplätzen.

Die zweitplatzierte Landeshauptstat Graz ist mit Eisenstadt beim Einkommens gleichauf (Graz schafft ebenfalls 46 Punkte), erreicht jedoch bei der Repräsentation von Frauen in politischen Ämtern mit 77 eine weitaus höhere Punktezahl. Die meisten Punkte schafft Graz mit 100 dafür beim Gewaltschutz. Linz, drittplatziert, erreicht neben einem Indexwert von 100 im Gewaltschutz in drei Dimensionen Werte von 90 oder mehr – in den Bereichen Kinderbetreuung, Gesundheit und Mobilität. Vergleichsweise niedrig ist die Punktzahle beim Einkommen (hier schafft Linz nur 39).

Wien ist anders – Platz 1 bis 16 gehen an Wiener Gemeindebezirke

Wenn man jetzt aber auch Wien ins Ranking einbezieht, so sieht die Welt gleich anders aus. Eisenstadt kommt nach unzähligen Wiener Gemeindebezirken nur noch auf Platz 16, Graz und Linz fallen auf 18 und 19. Spitzenreiter österreichweit ist dann der 7. Bezirk Neubau, gefolgt vom Alsergrund (9. Bezirk) und Landstraße (3. Bezirk).

Bildcredits: Markus Wache ©

Rechnet man alle Wiener Gemeindebezirke zusammen, schafft Wien einen Wert von 77 Punkten. Kärnten und Oberösterreich schaffen 45 Punkte in der Gesamtwertung aller Gemeinden. 53 Indexpunkte erreicht die durchschnittliche Salzburger Gemeinde.

Gleichstellungsindex – schlechtes Zeugnis für Österreichs Frauenpolitik

Der Bericht zeigt klar: Auch heute noch sind Frauen benachteiligt – Zahlen lügen nicht. Genauer gesagt verdienen sie oft nicht einmal drei Viertel dessen, was Männer im Durchschnitt verdienen. Das bedeutet: Wenn ein Mann 100 Euro bekommt, verdient eine Frau an vielen Orten weniger als 75 Euro.

“Gleichstellung bedeutet Begegnung auf Augenhöhe, Rahmenbedingungen, die Chancengerechtigkeit schaffen, partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Sorgearbeit sowie Existenzsicherung und Selbstbestimmtheit. Frauen sind nach wie vor in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens mit Diskriminierungen, Benachteiligungen oder Chancen mindernden Rahmenbedingungen konfrontiert.” – so Renate Anderl, die Präsidentin Arbeiterkammer Österreich.

Regional betrachtet ist die Unterversorgung mit Frauenhausplätzen eher die Regel als die Ausnahme. Dass es in einem ganzen Bezirk keinen einzigen Frauenhausplatz gibt, kommt österreichweit oft vor: In 59 Bezirken beziehungsweise in 63 Prozent aller Bezirke (exkl. Wiener Gemeindebezirke) gibt es kein einziges Frauenhaus. So auch im niederösterreichischen Waldviertel – die nächsten Anlaufstellen sind St. Pölten, Amstetten und Mistelbach. Also für Betroffene mindestens eine halbstündige Autofahrt (sofern Frau überhaupt ein eigenes Auto besitzt).

Fazit: Österreich hat für die nächsten Jahre viele Hausaufgaben zu machen

Im Vergleich zu 2021 sind in den meisten der neun untersuchten Dimensionen und auch in den meisten Bundesländern Verbesserungen festzustellen. Gleichzeitig erfolgt die Verbesserung aber in nur in sehr kleinen Schritten. Bei der politischen Repräsentation etwa gibt es immer noch mehr Bürgermeister namens Joseph als Bürgermeisterinnen. Um vorm Weltfrauentag am 8. März nicht in Trauer zu versinken, gibt es aber auch drei Lösungsansätze und drei wichtige Stellschrauben, an denen der Gleichstellungsindex zu drehen rät:

  1. Einkommen: Die Lohnschere zwischen den Geschlechtern muss geschlossen werden. Dazu braucht es eine konsequente Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinien.
  2. Halbe-Halbe: Eine gerechtere Verteilung zwischen Männern und Frauen von Care-Arbeit (also Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Putzen) ist unbedingt notwendig, um Frauen Zeit für politisches Engagement oder Weiterbildungen zu ermöglichen.
  3. Betreuung: Der flächendeckenden Ausbau der ganztägigen Betreuungsangebote soll nicht nur Männern, sondern auch Frauen die Möglichkeit geben, Vollzeit arbeiten zu gehen, wenn sie das wollen.
Noah Dueker

Noah ist unser Tausendsassa in der Redaktion und hat unzählige Interessen - ob Geschichte, Geografie, Politik oder Popkultur, überall gibt es obskures Halbwissen und “Fun-Facts”, über die es sich zu berichten lohnt. In seiner Freizeit pflegt Noah ein aktives Sozialleben und engagiert sich in seiner geliebten Heimatgemeinde.

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Noah Dueker
Tags: Arbeiterkammer Chancengleichheit featured Frauen Frauenrechte Gleichstellung Gleichstellungsindex Renate Anderl städtebund

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